Pflegegrad 1 abschaffen? Um diese Leistungen geht es konkret
Aus der Union wird die Sparmaßnahme gefordert, die SPD ist dagegen: Die Koalition ringt darum, ob der Pflegegrad 1 abgeschafft werden soll. CDU-Gesundheitsministerin Nina Warken äußerte sich offen dafür. "Wir werden den Menschen nicht über Nacht etwas wegnehmen", sagte sie gegenüber RTL/ntv – schloss aber eine Abschaffung des Pflegegrads 1 nicht grundsätzlich aus. Änderungen seien notwendig, um "das System generationengerecht zu machen", erklärte sie.
Die Sozialverbände zeigen sich trotzdem vorsorglich empört. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erinnerte daran, dass der Pflegegrad 1 einst eingeführt worden sei, um demenzerkrankte Menschen einzubeziehen. "Wenn die Bundesregierung diesen Pflegegrad abschaffen will, wäre das ein schwerer Schlag für die Betroffenen", sagte ihr Vorsitzender Eugen Brysch. Doch worum geht es genau?
Welche Leistungen sieht Pflegegrad 1 vor?
Pro Monat gibt es nach einer Einstufung in Pflegegrad 1 einen sogenannten Entlastungsbetrag in Höhe von 131 Euro. Dabei ist es egal, ob ein Pflegedienst oder ein Angehöriger beim Duschen, Einkaufen oder der Wäsche hilft. Auch ein Putzdienst kann bei der Kasse abgerechnet werden. Zudem erhalten pflegende Angehörige kostenfreie Kurse.
Darüber hinaus wird zum Beispiel der Einbau einer barrierefreien Dusche oder eines Pflegebetts bezuschusst. Der monatliche Zuschlag für Pflegehilfsmittel beträgt 42 Euro. Auch ein monatlicher Wohngruppenzuschuss in Höhe 224 Euro ist möglich. Ein Notrufsystem wird bis zu 25,50 Euro pro Monat finanziert. Und: Der pflegegerechte Umbau der Wohnung kann einmalig bis zu 4180 Euro gefördert werden.
Wie viele Bedürftige bekommen diese Unterstützung?
Ende 2024 waren laut Bundesgesundheitsministerium gut 860.000 Menschen in Pflegegrad 1 eingestuft. Das waren etwa 80.000 mehr als noch ein Jahr zuvor.
Wie werden die Pflegegrade vergeben?
Die Gutachter des Medizinischen Dienstes bewerten die Pflegebedürftigkeit im Auftrag der Kassen auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten. Dabei gelten diese Kriterien: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, psychische Probleme, die Möglichkeit zur Selbstversorgung, therapeutische Belastungen, Alltagsleben und soziale Kontakte.
Für Pflegegrad 1 müssen mindestens 12,5 und weniger als 27 Punkte vergeben sein. Das entspricht einer "geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit".
Welche Pflegegrade gibt es noch?
Bei Pflegegrad 2 (27 bis unter 47,5 Punkte) müssen "erhebliche Beeinträchtigungen" vorliegen. In dieser Kategorie sind die meisten Gepflegten – gut zwei Millionen Menschen – eingestuft. Hier gibt es zusätzlich zum Beispiel die Möglichkeit von Tages- und Nachtpflege für monatlich bis zu 721 Euro und Pflegesachleistungen (796 Euro pro Monat).

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Bei Pflegegrad 3 (47,5 bis unter 70 Punkte) müssen "schwere Beeinträchtigungen" attestiert sein, bei Pflegegrad 4 (70 bis unter 90 Punkte) "schwerste Beeinträchtigungen".

Meinung Pflegegrad 1 abschaffen? Das wäre mal eine sinnvolle Reform!
Beim höchsten Pflegegrad 5 (90 bis 100 Punkte) kommen noch "besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung" hinzu. Hier wird etwa die vollstationäre Pflege im Heim mit 2096 Euro im Monat gefördert.
Hieß das nicht früher "Pflegestufen"?
Ja. Das aktuelle System wurde erst 2017 eingeführt. Aus den bis dahin bestehenden drei Pflegestufen wurden fünf Pflegegrade. Die frühere Pflegestufe 1 entsprach etwa den Leistungen der heutigen Pflegegrade 2 bis 3. Das heißt: Eine niedrigschwelligere Unterstützung existierte bis zu diesem Zeitpunkt nicht.
Was kostet das alles?
Im vergangenen Jahr wurden rund 63 Milliarden Euro an Pflegeleistungen ausgezahlt. Damit haben sich die Kosten seit der Jahrtausendwende mehr als vervierfacht. Die Zahl der Pflegekräfte verdoppelte sich seitdem auf 1,2 Millionen. Etwa ein Drittel der Gelder fließt in die vollstationäre Pflege.
Insgesamt erhalten rund 5,65 Millionen Menschen Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, davon etwa 850.000 im Heim. Hinzu kommen knapp 380.000 Privatversicherte.
Wie hoch ist der Anteil der Kosten für die Menschen im Pflegegrad 1?
Dazu gibt es keine genauen Zahlen. Klar ist: Es ist nur ein kleiner Bruchteil der Gesamtausgaben. Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung schätzt das Einsparvolumen auf rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr.
Wie viel muss in die Pflegeversicherung eingezahlt werden?
Der Beitrag ist seit der Einführung der Pflegeversicherung vor 30 Jahren kontinuierlich gestiegen. Startete er 1995 noch bei 1,0 Prozent, müssen inzwischen 3,6 Prozent vom Bruttolohn gezahlt werden. Für kinderlose Versicherte liegt der Beitrag sogar bei 4,2 Prozent.

Sozialreformen Rente, Pflege, Bürgergeld: Was die Bundesregierung plant
Reichen die Einnahmen aus?
Nein. Für dieses Jahr wird mit einem Defizit der Pflegeversicherung zwischen 1,6 und 2 Milliarden Euro gerechnet, für 2026 ist ein Minus von 3,5 Milliarden Euro prognostiziert. Das heißt: Die Abschaffung des Pflegegrads würde nicht ausreichen, um das Loch zu stopfen. Bund und Länder haben eine Kommission eingesetzt, die eine Reform vorbereiten soll. Bis Ende dieses Jahres sollen Eckpunkte vorliegen.
- Pflegegrad
- Pflegereform
- SPD
- CDU
- Nina Warken
- Bundesregierung
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke