Russland rein? Keine Visa für Brasilien-Fans? Wie Trump die WM als politisches Druckmittel nutzt
Als mehrere westliche Länder jüngst bei den Vereinten Nationen die Anerkennung eines palästinensischen Staates verkündeten, konnte US-Präsident Donald Trump dies nicht verhindern. Nun aber rückt in einer anderen internationalen Organisation eine Israel-Frage in den Mittelpunkt – und Trump kann deutlich mehr Einfluss nehmen.
In Kürze will das Exekutivkomitee der Uefa entscheiden, ob Israel aus dem europäischen Fußball-Kontinentalverband ausgeschlossen wird, in dem die Mannschaften des Landes seit den 1990er-Jahren international spielen. Zahlreiche Uefa-Mitglieder drängen auf eine Neubewertung der Mitgliedschaft Israels.
Das könnte zur faktischen Verbannung des Landes aus dem internationalen Fußball führen – ähnlich wie Uefa und Weltfußballverband Fifa schon Russland im Jahr 2022 nach dessen Einmarsch in die Ukraine ausgeschlossen hatten.
Donald Trump könnte das verhindern. Diese unerwartete Macht in seiner zweiten Amtszeit verdankt der US-Präsident der Rolle seines Landes als Hauptgastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Sommer. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um jeglichen Versuch zu verhindern, die israelische Nationalmannschaft von der WM auszuschließen“, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums gegenüber dem Axel Springer Global Reporters Network, zu dem auch WELT gehört.
Trump hatte bereits angedeutet, die WM als Druckmittel einzusetzen, etwa mit Blick auf Russland oder den Iran. Andrew Giuliani, Leiter der Fifa-Weltmeisterschafts-Taskforce des Weißen Hauses, sagte dem Global Reporters Network: „Fußball ist für viele Länder weltweit von großer Bedeutung. Der Präsident weiß das besser als jeder andere und ist bereit, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um Frieden zu fördern.“
Als die Fifa den USA gemeinsam mit Mexiko und Kanada im Jahr 2018 das Turnier zusprach, verbuchte Trump das als persönlichen Erfolg, rechnete aber nicht damit, noch im Amt zu sein, wenn die Weltmeisterschaft stattfinden würde. Nun, da der Start im Juni 2026 näher rückt, erkennt er, dass die zentrale Rolle bei dem weltweit wichtigsten Sportereignis ihm ein Instrument bietet, um US-Interessen durchzusetzen.
Seine Bereitschaft, Sport und Diplomatie zu vermischen, zeigte Trump erstmals im Mai, als er bei der Auftaktsitzung seiner WM-Taskforce im Weißen Haus erfuhr, dass Russland vom Turnier ausgeschlossen ist. Trump schlug vor, Russland wieder zur Teilnahme zuzulassen – „das könnte einen guten Anreiz darstellen“, den Krieg zu beenden. Vor wenigen Wochen deutete Trump an, dass es von Putins zukünftigen Verhalten abhänge, ob der russische Präsident während der WM in die USA einreisen dürfe oder nicht.
Ein hochrangiger Regierungsbeamter, der anonym bleiben will, erklärte gegenüber dem Global Reporters Network, Trumps Priorität liege darin, bei dem Turnier Amerikas Innovationskraft zu präsentieren und die wirtschaftlichen Effekte seiner Politik auf US-Städte – nicht unbedingt darin, die WM als Druckmittel in anderen Verhandlungen zu nutzen. Sollte eine solche Verknüpfung von Fußball und Diplomatie aber Fortschritte bei der Beendigung von Kriegen ermöglichen, werde Trump diesen Effekt gern mitnehmen.
Einen Großteil seines neuen Einflusses verdankt Trump seiner engen persönlichen Beziehung zu Infantino. Dieser hat viel Zeit darauf verwendet, sich bei amerikanischen Politikern einzuschmeicheln und an seinem öffentlichen Image zu arbeiten. Der Fifa-Chef traf Trump mindestens ein Dutzend Mal und reiste auf einer Art Wahlkampftour zu den Austragungsorten der WM. Die Trump-Regierung versucht dieses Verhältnis nun für Israel in die Waagschale zu werfen.
Seit seiner Gründung im Jahr 1948 kämpft Israel darum, in den Strukturen des internationalen Fußballs einen festen Platz zu finden. Für das Land ist es faktisch unmöglich, gegen seine Nachbarn anzutreten – aufgrund eines seit 1948 bestehenden Boykotts der Arabischen Liga. Nach einer kurzen Phase im Kontinentalverband von Ozeanien trat Israel 1991 der Uefa bei.
Seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober und seiner militärischen Antwort aber findet sich Israel in neuen politischen Zwängen wieder. Aus Sicherheitsgründen entschied die Uefa, dass Israels Nationalmannschaft ihre Heimspiele für die WM-Qualifikation in neutralen Ländern austragen muss, zuletzt in Ungarn.
Viele europäische Klubs lehnen es mittlerweile ab, israelische Teams in kontinentalen Wettbewerben zu empfangen. Es gab Einreisebeschränkungen für israelische Spieler, und Zuschauerlimits in Stadien wegen Sicherheitsbedenken. Zuletzt wurden bei Maccabi Tel Avivs Europa-League-Spiel im griechischen Thessaloniki Protestbanner gezeigt, auf denen „Völkermord“ stand.
Die Nationalmannschaft, die punktgleich mit Italien weiterhin Chancen hat, sich für die WM im nächsten Jahr zu qualifizieren, steht kommenden Monat vor zwei entscheidenden Spielen gegen Italien und Tabellenführer Norwegen. Deren Fußball-Spitzenfunktionäre haben Israels Vorgehen im Gazastreifen öffentlich kritisiert.
Mehr als die Hälfte der 55 Mitgliedsverbände haben die Uefa aufgefordert, gegen Israel vorzugehen, sagte ein ranghoher Uefa-Beamter gegenüber dem Global Reporters Network. Das Uefa-Exekutivkomitee könnte noch in diesem Monat über einen Ausschluss israelischer Klubteams aus europäischen Wettbewerben abstimmen.
Uefa-Funktionäre, die anonym mit dem Global Reporters Network sprachen, rechtfertigten die internen Überlegungen zu einem möglichen Ausschluss Israels aus kontinentalen Wettbewerben mit Sicherheitsbedenken. „Wir sind für die Sicherheit der Fans und Spieler in den Stadien verantwortlich“, erklärte einer der Vertreter und wies darauf hin, dass die Veranstalter „Todesfälle befürchten“.
Eine Uefa-Entscheidung, israelische Klubmannschaften auszuschließen, könnte eine ähnliche Debatte über die Nationalmannschaft und ihre Teilnahme an der WM-Qualifikation auslösen. Das US-Außenministerium betonte in einer Erklärung, es werde jeden „Versuch blockieren, die israelische Nationalmannschaft von der Weltmeisterschaft auszuschließen“, äußerte sich jedoch nicht zu europäischen Klubwettbewerben unter der Zuständigkeit der Uefa.
Wären die USA nicht Gastgeber des WM-Turniers im kommenden Jahr, wäre das Land als eines von 208 Mitgliedstaaten bei der Fifa in einer schwächeren Position. Aber Fifa-Präsident Gianni Infantino will Trump unbedingt bei Laune halten, um dessen volle Rückendeckung für die Vorbereitungen des Turniers im nächsten Sommer zu haben.
Ob Trump persönlich bei Infantino für Israel interveniert hat, ist unklar. Der Fifa-Chef bat den Uefa-Präsidenten Aleksander Čeferin laut einem europäischen Fußballfunktionär darum, die Angelegenheit mit Geduld zu behandeln – mit dem Hinweis, ein Friedensabkommen zwischen Israel und der Hamas könne die Entscheidung hinfällig machen.
Jenseits der diplomatischen Ebene hat Trumps auch Einfluss in Sachen Einreisebestimmungen während der fünf Wochen dauernden WM. Viele sehen darin das am leichtesten zu nutzende Machtmittel, das ihm zur Verfügung steht. Der Iran etwa gehört zu zwölf Ländern, deren Staatsbürger aufgrund eines im Juni von Trump unterzeichneten Erlasses einem vollständigen Einreiseverbot unterliegen. Zwei weitere Staaten auf dieser Liste, Äquatorialguinea und Haiti, könnten sich noch für die Weltmeisterschaft qualifizieren.
Der Einreisebann sieht Ausnahmen vor für Sportler, Trainer und andere essenzielle Personen bei „großen Sportveranstaltungen“, einschließlich der WM. Das gilt aber nicht für Fans. Andere Länder wie Brasilien stehen zwar nicht auf dieser Liste, haben aber angespannte Beziehungen zu den USA. Brasilianische Regierungsvertreter äußern bereits die Sorge, die US-Administration könnte WM-Visa für Fans als Waffe benutzen. Hintergrund ist ein sich zuspitzender Konflikt um die Strafverfolgung von Ex-Präsident Jair Bolsonaro und die Kontrolle politischer Online-Inhalte durch Brasiliens Behörden.
Dass sie grundsätzlich bereit ist, internationale Sportereignisse für ihre diplomatischen Ziele zu instrumentalisieren, hat die Trump-Regierung schon gezeigt. So wurde dem iranischen Herrenteam die Einreise zu einer Polo-Weltmeisterschaft im Oktober in Virginia verweigert, wie die „Tehran Times“ berichtete. Ähnlich erging es einer venezolanischen Jugendbaseball-Mannschaft und einem kubanischen Frauenvolleyballteam zu Beginn des Jahres.
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