Stunden vor den nächsten Verhandlungen demütigt die Ukraine Putin. Die SPD will sich neu erfinden. Und was sonst heute noch wichtig wird. 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ein ganz herzliches "Annyeonghaseyo" aus Seoul auch von mir. Nachdem meine Kolleginnen Mirjam Bittner und Christine Leitner Sie in den vergangenen Monaten morgens auf Stand gebracht haben, gebührt mir nun in den kommenden vier Wochen diese außerordentliche Ehre. Vielleicht etwas dick aufgetragen, ja. Aber Sie müssen wissen: Hier in Südkorea ist Höflichkeit quasi Staatsräson. Verbeugen (Winkel abhängig von Alter und Rang). Wechselgeld annehmen – immer mit beiden Händen. Augenkontakt erst zum Gesprächseinstieg. Schweigefuchs im Bus. Als gebürtiger Kölner (die Golden-Retriever unter den Deutschen) fühle ich mich hier wie es die Russen in der Ukraine tun sollten – völlig fehl am Platz.

Nach drei Tagen jetlaggeplagter Freizeit in dieser Zu-Viele-Millionen-Menschen-Metropole hoffte ich beim Arbeiten auf Entspannung. Tja, Journalisten und ihre Prognosen. Aber lesen Sie selbst.

Operation Spinnennetz: Drohnen-Demütigung für Putin

Wie heißt es noch gleich? Es muss schlimmer werden, bevor es besser wird? Wobei "schlimmer" natürlich standpunktabhängig ist. In Kiew dürften sie sich vor dem heutigen Beginn der nächsten Gesprächsrunde mit Moskau in Istanbul jedenfalls über eine schlagartig verbesserte Verhandlungsposition freuen.

Bei der "Operation Spinnennetz" will die Ukraine gleich an mehreren Orten, sogar im tiefsten Sibirien, perfekt orchestrierte Drohnenattacken geflogen und Dutzende russische Militärflieger zerstört haben. Weil sich die Ereignisse in diesem zuletzt sehr festgefahrenen Krieg am Wochenende doch ziemlich überschlagen haben, hier ein Überblick:´

  • Nacht auf Sonntag: Im russischen Grenzgebiet Brjansk stürzt eine Brücke ein, Lastwagen fallen auf einen Zug – offenbar werden Dutzende Zivilisten verletzt, sieben sterben. Nur Stunden später stürzt im benachbarten Kursk eine weitere Brücke ein, ein Zug entgleist, eine Person wird verletzt. Moskau spricht von Terrorismus, Kiew von einer russischen Operation unter falscher Flagge. Allerdings habe man einen russischen Güterzug auf dem Weg zur Krim zum Entgleisen gebracht. Gleichzeitig startet Russland selbst eine der größten Drohnenoperationen seit Kriegsbeginn. Laut "BBC" werden in dieser Nacht 472 Drohnen gesichtet.
  • Sonntag: Russland beschießt ein ukrainisches Ausbildungszentrum mit Raketen, zwölf Soldaten sterben, der zuständige ukrainische General tritt später zurück. Wenige Stunden später startet die "Operation Spinnennetz": Per Fernsteuerung will der ukrainische Geheimdienst in Russland Dächer von mobilen Holzhütten geöffnet, mit Sprengsätzen bestückte Kampfdrohnen von darin versteckten Lastwagen gestartet, sie über vier unterschiedliche Militärflugplätze gesteuert und schließlich Dutzende Flieger zerstört haben. 40 Maschinen im Wert von sieben Milliarden Dollar, rund ein Drittel der russischen Bomberflotte, geht angeblich in Flammen auf – ein bislang beispielloser Erfolg. Das folgende Video soll die erfolgreiche Attacke auf dem von Kiew tausende Kilometer entfernten sibirischen Luftstützpunkt Belaya zeigen:
  • Heute: Nachdem das erste, putinlose Treffen in Istanbul vor zwei Wochen im Grunde scheiterte, wollen es die Diplomaten noch einmal versuchen. Noch vor wenigen Tagen sah es nicht so aus, als würde bei diesem Treffen kaum mehr herumkommen. Russland schloss eine Waffenruhe zwar nicht aus – aber wie immer nur unter für Kiew nicht hinnehmbaren, kapitulationsähnlichen Bedingungen. Eine Scheindebatte, ein Meeting um des Meetings Willen. Jetzt steht das Zusammenkommen definitiv unter anderen Vorzeichen. Zumindest für den Moment. 
Ukraine attackiert Luftwaffenstützpunkte in Sibirien
Ukraine attackiert Luftwaffenstützpunkte in Sibirien © n-tv.de

Präsident Wolodymyr Selenskyj feiert den seit 18 Monaten geplanten Drohnenangriff als "weitestreichende Operation der Ukraine im bisherigen Kriegsverlauf". 

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Wenn er damit die schiere Entfernung meint, könnte er recht haben. Und tatsächlich ist der Verlust der Bomber, die Marschflugkörper aus riesiger, bislang für die Ukraine unerreichbarer Distanz abfeuern konnten, ein herber Schlag für Putin. Aber warten wir ab. Schließlich hatte dieser Krieg inzwischen mehr Wendungen als der Dax nach dem Trump-Zollhammer. Immer dann, wenn einer Seite ein vermeintlich entscheidender Vorstoß gelang, drehte der Wind. 

Auch die stern-Politikchefs Veit Medick und Jan Rosenkranz lässt das Kiewer Spinnennetz nicht los. In der neuen Ausgabe des "5 -Minuten-Talk" fragen sich die beiden: Taugt die Drohnen-Demütigung zum Wendepunkt? 

SPD will sich neu erfinden

Achtung, es folgt ein konstruierter Übergang! 

Apropos unklare Zukunft: Die SPD (Sie wissen schon, die frühere Volkspartei mit dem roten Logo) erscheint dieser Tage "unscharf", wie mein Hauptstadt-Kollege Florian Schillat gewohnt messerscharf analysiert. Um ihre Konturlosigkeit wissen die Sozialdemokraten immerhin selbst. Eine parteiinterne Kommission schlägt ein "Zukunftsprogramm 2040" vor. Mit dieser noblen Idee kann sich auch der frühere Parteichef Chef Norbert Walter-Borjans anfreunden. Seine SPD dürfe "nicht nur ein Nahrungsergänzungsmittel für konservative Politik sein", sagt er dem stern. Soll vermutlich heißen: Der Zwergpartner soll sich nicht den Mund verbieten lassen. Na denn, viel Erfolg den Genossen.

Partei-Erneuerung Die SPD sucht den Booster-Knopf

Der Erdkern blutet – und zwar Gold

Ich gebe zu: Das war bisher doch recht trocken. Und das am Montag. Wie wäre es also mit etwas Angeber-Wissen? Dann aufgepasst: Wussten Sie, dass unsere Erde Gold blutet?

Das behauptet zumindest der deutsche Geologe Nils Messling gegenüber dem US-Sender CNN. Der Wissenschaftler hat mit seinem Team auf Hawaii mehr als drei Jahre Basaltbrocken untersucht, die das Erdinnere als Magma ausgespien hat. Das Ergebnis: Gold und andere wertvolle geschmolzene Metallen fänden, wenn auch in winzigen Mengen, ihren Weg in die felsige Erdkruste. Hoffentlich steckt niemand Donald Trump diese Info. Nicht, dass der den Erdkern zum 51. Bundesstaat erklärt. Pardon, 52. Ich hatte Kanada vergessen.    

Was heute noch passiert

  • In Boulder, im US-Bundesstaat Coloradosoll ein Mann Molotowocktailsauf pro-israelische Demonstranten geworfen haben. Mehrere Menschen werden verletzt. Der lokale Polizeichef hielt sich zurück, ein FBI-Sprecher nannte den Vorfall einen "gezielten Gewaltakt", dessen Chef Kash Patel sprach hingegen direkt von Terror.
  • Ob Ex-Außenministerin Annalena Baerbock heute zur Präsidentin der UN-Vollversammlung gewählt wird? Spoiler: Ja. Schließlich ist sie die einzige Kandidatin.
  • Mehrere Forschungsinstitute stellen ihr gemeinsames Friedensgutachten 2025 vor. Darin wollen sie alle Konflikte seit 1987 benennen, analysieren und konkrete Empfehlungen für die Politik vorstellen. Hoffentlich kommt das Ganze als E-Book, sonst gibt es wieder eine Papierknappheit.

Ich möchte Sie fortan jeden Morgen mit einer neuen Erkenntnis, ach was, mit einer Weisheit entlassen, die sich mir hier im Fernen Osten aufgedrängt hat. Sie merken schon: Das mit der koreanischen Bescheidenheit habe ich bereits verinnerlicht. 

Wer aufs Handy schaut, verpasst das Leben. Und den Bus. 

Gestern stand ich hier in Seoul an einer (geschätzt) achtspurigen Straße. Weil ich mir, als anständiger deutscher Tourist, an einem Tag wirklich alle Sehenswürdigkeiten der Stadt in auf einmal in die Großhirnrinde meißeln wollte, war ich bei der Suche nach der richtigen Bushaltestelle nicht mehr ganz aufnahmefähig. Nun hatte sich mein Handy entschlossen, aus dem genauen Standort der Bushaltestelle einen interaktiven Rätselspaß zu machen. Viermal habe ich mit auf den Bildschirm gehefteten Blick diesen Styx einer Straße überquert. Nur um am festzustellen, dass ich von Beginn an der richtigen Haltestelle stand. Wie schön meine kölsche Großmutter sagte: Mach die Döppen op!

Ich wünsche Ihnen nichts Geringeres als einen großartigen Wochenstart.

Ihr

Yannik Schüller

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