Hauchdünne Mehrheit – Medien erklären Rechtskonservativen Nawrocki zu neuem Präsidenten
Die Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen war ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Morgen stand fest: Der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki hat die Wahl knapp für sich entschieden. Große polnische Medien wie die Zeitung „Rzeczpospolita“ und das Internetportal „Onet.pl“ riefen ihn am frühen Morgen zum Sieger aus und stützten sich dabei auf die Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen durch die Wahlkommission.
Auf den politisch unerfahrenen Historiker Nawrocki entfielen den Zahlen zufolge knapp 51 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Sein Gegenkandidat, der proeuropäisch eingestellte Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, kam auf etwas mehr als 49 Prozent. Ein offizielles Endergebnis der Wahlkommission wird erst für heute Abend erwartet.
Nachdem die Wahllokale am Sonntagabend geschlossen waren, sahen erste Prognosen noch Trzaskowski mit 50,3 Prozent der Stimmen hauchdünn vorn. Beide Politiker zeigten sich vor ihren Anhängern siegessicher. Trzaskowski sprach direkt nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen von einem Erfolg. „Wir haben gewonnen, auch wenn ich glaube, dass der Ausdruck ‚auf der Rasierklinge‘ in die polnische Sprache Einzug halten wird“, sagte der 53-Jährige unter dem Jubel seiner Anhänger.
Bei der Wahlparty von Nawrocki war die Stimmung deutlich gedämpfter. Er appellierte an seine Anhänger, die Hoffnung nicht zu verlieren. „Wir müssen in dieser Nacht gewinnen und wir wissen, dass dies geschehen wird.“
Und gegen Mitternacht drehte prompt das Ergebnis. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 71,7 Prozent.
Die Prognosen beruhten auf Nachwahlbefragungen in rund 500 Wahllokalen. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Ipsos haben sie eine Fehlertoleranz von zwei Prozentpunkten. Hochrechnungen wie in Deutschland gibt es in Polen nicht. Das offizielle Endergebnis wird am Montagvormittag erwartet.
Die rund 29 Millionen Wahlberechtigten waren aufgerufen, einen Nachfolger für Präsident Andrzej Duda zu wählen. Dieser durfte nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antreten.
Der Sieger Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der rechtskonservativen PiS an, Polens größter Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit Brüssel.
Zwar kam 2023 wieder ein Mitte-Links-Bündnis an die Regierung; der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk kehrte als Ministerpräsident zurück. Doch es blieb bei einem Dauerstreit mit Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls aus der PiS stammt und nach zehn Jahren im Amt kein weiteres Mal antreten durfte. Duda bremste Tusks Reformpläne mit seinem starken Vetorecht. Der Ministerpräsident hoffte, mit dem liberal eingestellten Trzaskowski an der Staatsspitze diese Blockade aufzulösen.
Polen ist ein wichtiger Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine. Das Land mit knapp 38 Millionen Einwohnern sieht sich auch selbst von Moskau bedroht und rüstet massiv auf. Anders als in der Slowakei, Ungarn oder Rumänien gibt es in Polen keinen ernstzunehmenden Politiker, der prorussische Positionen vertritt. In der wichtigsten außenpolitischen Frage, der Unterstützung für die Ukraine, zogen Duda und Tusk denn auch an einem Strang. Dies könnte sich mit Nawrocki ändern, der zum Beispiel gegen einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine ist.
Während sich mit Tusk als Regierungschef das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin entspannte, vertritt Nawrocki eher die Deutschland-feindliche Linie der PiS und suchte im Wahlkampf die Nähe zu US-Präsident Donald Trump. Er erneuerte die Forderung nach Reparationen für die Schäden, die Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen angerichtet hat. Von der EU will sich Nawrocki, das hat er betont, für Polen nichts vorschreiben lassen.
Wahl zeigt tiefe Spaltung Polens
Die über Nacht eingehenden Einzelergebnisse belegten die tiefe politische Spaltung Polens, das in den vergangenen Jahren große wirtschaftliche Erfolge erzielt hat. Trzaskowski siegte demnach in den großen Städten wie Warschau, Krakau und Lodz, die vom Aufschwung besonders profitiert haben. In kleineren Städten und den ländlichen Regionen Polens lag Nawrocki vorn.
Ein Grund für die Niederlage Trzaskowskis könnte sein, dass das liberale und linke Lager sein Wählerpotenzial nicht ausgeschöpft hat. Die Wahlbeteiligung lag mit 71,7 Prozent zwar gut drei Prozentpunkte höher als bei der vorherigen Präsidentenwahl vor fünf Jahren. Doch beim Sieg über die PiS bei der Parlamentswahl 2023 hatte eine Rekordzahl von 74,4 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben.
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