Mit einem zutiefst pragmatischen Ansatz packte Kovac den gesamten BVB
Abergläubisch sei er eigentlich nicht, sagte Niko Kovac. Dennoch neige er dazu, wenn es gut läuft, an Abläufen festzuhalten. Das beschränke sich dann aber nicht nur auf fußballspezifische Dinge, wie der Trainer von Borussia Dortmund verriet. So kam es, dass er in den vergangenen Wochen, als seine Mannschaft von Sieg zu Sieg eilte, immer den gleichen grauen Pullover trug. „Dazu hat mir meine Tochter geraten“, sagte Kovac. Dies habe er umgesetzt – aber nur, weil er jemand sei, „der nicht sehr stark transpiriert.“
Alles was Kovac in den dreieinhalb Monaten angepackt hat, seit er beim BVB ist, hatte einen zutiefst pragmatischen Ansatz. Er hat eine stark verunsicherte Mannschaft, die im Mittelfeld herumdümpelte und sich den Unmut der Fans zugezogen hat, Stück für Stück restrukturiert und wieder aufgebaut. Er hat ihr eine klare Ausrichtung gegeben – und den Spielern, die massiv in der Kritik standen und denen die Mentalität abgesprochen wurde, Orientierung gegeben. Er hat sie nach außen geschützt und intern gefordert. Er hat viele Einzelgespräche geführt.
So schaffte er es, den BVB aus einer scheinbar aussichtslosen Position heraus doch noch in die Champions League zu führen. Im letzten Heimspiel ging das Kovac-Team den letzten Schritt. Der BVB besiegte Holstein Kiel mit 3:0 (1:0) und schob sich am SC Freiburg vorbei auf den vierten Platz. Mission accomplished – Mission erfüllt. Erstmals seit dem dritten Spieltag stehen die Dortmunder auf einem Champions-League-Rang.
Das Lob vom BVB-Boss hält Kovac für übertrieben
„Wir waren vor ein paar Monaten Elfter. Dann ist Niko gekommen. Ich bin schon sehr lange beim BVB, und alle Trainer mögen es mir verzeihen, aber ich glaube, was Niko hier geleistet hat, ist eine der größten Trainerleistungen in der Geschichte des Vereins“, sagte Lars Ricken. Dem Sport-Geschäftsführer erging es genauso wie dem scheidenden Vereinspatron Hans-Joachim Watzke auf der Ehrentribüne und den Fans auf der Südtribüne: Alle waren mehr als erleichtert, dass das Minimalziel doch noch erreicht werden konnte und dem Klub eine Zerreißprobe erspart blieb. „Wir müssen dem Trainer ein großes Danke sagen“, befand Mannschaftskapitän Emre Can.
Kovac, dessen Verpflichtung Ende Januar von vielen Anhängern kritisch gesehen worden war, wurde am Samstag gefeiert. Der 53-Jährige genoss diese Wertschätzung auf souveräne und zurückhaltende Art. Im Grunde gebe es ja, wenn ein Verein mit den Ansprüchen des BVB Vierter werde, nichts zu feiern, sagte er. Auch das Lob von Ricken sei übertrieben. Hier wären schließlich Trainer wie Ottmar Hitzfeld und Jürgen Klopp Meister geworden. Sein Beitrag sei vergleichsweise bescheiden.
In jedem Fall ist es Kovac gelungen, die Mannschaft nachhaltig in die Spur zu bringen. Das war nicht leicht. „Erst einmal mussten wir klare Leitlinien setzen. Was wollen wir spielen? Was wollen wir sehen?“, erklärte er seine grundsätzliche Herangehensweise. Er sei „kein Freund“ davon, immer wieder personell oder taktisch umzustellen oder „zehn verschiedene Abwehr- und Angriffssituationen spielen zu lassen. Die Jungs müssen etwas haben, an dem sie sich festhalten können, wenn es mal nicht so läuft“. Eine klare Grundordnung sei genauso wichtig wie ein einfacher Spielaufbau.
Damit unterscheidet sich Kovac diametral von dem, was sein Vorgänger Nuri Sahin vom Team verlangt hatte. Unter Sahin sollte der BVB extrem dominant spielen mit viel Ballbesitz. Und obwohl dies immer häufiger zu Fehlern führte, brachte es Sahin trotzdem nicht zum Umdenken. „Trust the process“, pflegte er zu sagen. Doch immer mehr Spieler zweifelten an der Entwicklung. Das Motto von Kovac ist ein ganz anderes: „Keep it simple.“ Es ist eines, dass deutlich besser zur Mannschaft passt.
„Es geht viel um Disziplin. Er hat auf Kleinigkeiten geachtet“, sagte Julian Brandt, der neben Karim Adeyemi einer der größten individuellen Gewinner der Kovac-Zeit ist. Der Trainer verordnete Brandt, der eine enttäuschend schwache Saison gespielt hatte und für die Fans eine Art Sündenbock war, erst eine Denkpause und baute ihn dann wieder auf. Im Saisonendspurt, als der BVB sechs Spiele in Folge gewinnen konnte, gehörte er zu den Leistungsträgern. Adeyemi wurde von Kovac gelobt und gefordert. „Der Trainer hat uns in den Arsch getreten“, sagte der Stürmer, den Kovac immer wieder daran erinnerte, dass er auch defensiv arbeiten müsse. Und tatsächlich: auf diesen Trainer hörte Adeyemi.
„Es war allen Beteiligten klar, dass wir unsere Spielweise ändern müssen und dass wir in der Kabine etwas verändern müssen“, sagte Sebastian Kehl. Beide Themen sei Kovac angegangen. Nun gelte es, sie weiter zu optimieren, erklärte der BVB-Sportdirektor im Sport1-„Doppelpass“. Dazu gehören auch Veränderungen im Kader. Um den Weg mit Kovac erfolgreich weiter gehen zu können, soll die Anzahl der Spieler, die vor allem mental stabil sind, erhöht werden. Die zu bekommen, ist mit der finanziellen Planungssicherheit durch die Garantie-Einnahmen der Champions League deutlich einfacher als ohne.
Kehl war zuletzt bereits nach England geflogen, um über einen Transfer von Jobe Bellingham (19) zu verhandeln. Der jüngere Bruder von Jude Bellingham, der beim AFC Sunderland in der zweithöchsten englischen Spielklasse spielt, soll allerdings auch von Eintracht Frankfurt umworben werden. „Wir können ein Stück weit investieren“, erklärte Kehl.
Für Kovac und seine Spieler steht dagegen zunächst einmal Urlaub an – wenn auch nur ein kurzer. Denn in zwei Wochen beginnt bereits die Vorbereitung auf die Klub-WM in den USA, wo die Dortmunder in der Vorrunde auf Mamelodi Sundowns aus Südafrika, Fluminense aus Brasilien und Ulsan aus Südkorea treffen. „Ich werde zunächst einmal zu meiner Familie fahren“, verriet Kovac. Dann werde er sich um alles andere kümmern.
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