Kölner Alkohol-Chaos überstrahlt die eigentliche Sensation
Es steht das letzte Bundesliga-Wochenende der Saison an: Damit fallen dann endgültig alle noch offenen Entscheidungen. In der zweiten Liga liegen Welten zwischen den Aufstiegsaspiranten.
Im beschaulichen Elversberg haben sie derzeit gleich zwei Probleme. Zum einen lernen erst jetzt viele Menschen außerhalb des Saarlands, dass Elversberg gar keine Stadt ist, sondern nur ein Ortsteil der Gemeinde Spiesen-Elversberg. Damit kann man vielleicht noch umgehen, weniger aber mit der anderen Sache. Denn es ist fraglich, ob der Stadtteil überhaupt reif für die erste Fußball-Bundesliga ist. Es gibt in einem 7500 Menschen fassenden Örtchen immer organisatorische Probleme. "Wir waren für die Drittliga nicht bereit und für die Zweitliga nicht", sagte Bernd Huf, der Bürgermeister von Spiesen-Elversberg, noch vor einem Monat der "Saarbrücker Zeitung".
Nur blöd, dass die Realität die Elversberger schneller einholt, als ihnen lieb ist. Am heutigen Sonntag könnte es so weit sein, dass die Sportvereinigung 07 Elversberg erstmals in das Oberhaus des deutschen Fußballs aufsteigt. Damit würden sie einen Weg fortschreiben, der sich ohne Übertreibung als eine Sensation beschreiben lässt. Vor zehn Jahren dümpelte "die Elv", an den Spitznamen kann man sich schon mal gewöhnen, noch in der Regionalliga Südwest herum. Damals ging es noch gegen die zweiten Mannschaften von Hoffenheim, Kaiserslautern und den SC Freiburg. Jetzt spielen sie gerade erst ihre zweite Saison in der zweiten Liga.
Wie haben sie das gemacht? Nicht erst die "Süddeutsche Zeitung" machte die Parallelen zum anderen Provinzklub auf - nämlich den in Heidenheim. Das Rezept, so langweilig es klingt, besteht aus Ruhe, Kontinuität - und einem regionalen Unternehmen. Im Fall von Elversberg setzen sie auf eine feste Achse, die mit aufregenden Leihspielern garniert wird, schreibt die "SZ". Bayerns Paul Wanner und Stuttgarts Nick Woltemade sind nur Zwei, die sich Spielpraxis im Saarland holten. Diese Saison sind es Liga-Topscorer Fisnik Asllani und Muhammed Damar, die beide eigentlich bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag stehen.
Fehlender Balkon vs. Panikreaktion
Also, alles klar für den Aufstieg, oder? Nicht ganz. Es gibt da noch die sportliche Situation. Elversberg spielt
auf Schalke, gegen die krisengeschüttelten Knappen. Für Schalke 04 geht es noch darum, die Drittliga-Relegation zu vermeiden. Die Chancen darauf sind aber zwar eher theoretisch, aber noch vorhanden. Trotzdem ist es wahrscheinlicher, dass Greuther Fürth, Preußen Münster und Eintracht Braunschweig den Relegationsplatz unter sich ausmachen (alle 15.30 Uhr/Sky und im ntv.de-Liveticker).
Elversberg schaut parallel auf den Tabellennachbarn 1. FC Köln - eine Konstellation, die viel über die Bandbreite der zweiten Liga erzählt. Einerseits steht der seriös arbeitende Dorfklub. In Elversberg machen sie sich gerade Sorgen um die Infrastruktur. Reichen die Verkehrswege aus? Wie feiert man eigentlich einen Aufstieg ohne Rathaus-Balkon? Immerhin: Unmittelbar in der Stadionnähe befindet sich ein Parkplatz, der mit 4,3 Sternen auf Google bewertet ist. Wichtig für eine Gemeinde ohne großen Bahnhof.
Und da ist andererseits der etwas chaotische Traditionsklub aus der Großstadt, der ganz andere Probleme hat. Beim 1. FC Köln sorgt man sich seit dem vergangenen Wochenende eher um die Nase des Top-Scorers Tim Lemperle als um irgendwelche Straßen. Die Nase brach er sich sehr alkoholisiert nach einem Daydrinking-Event auf einem Party-Boot in einer Schlägerei.
Ob Lemperle, der im Sommer nach Hoffenheim gehen wird, gegen den 1. FC Kaiserslautern zum Einsatz kommt? Medizinisch wäre das möglich, disziplinarisch aber offen. Es kommt auf Trainer-Urgestein Friedhelm Funkel an, der auf der Pressekonferenz am Freitag noch demonstrativ Ruhe ausstrahlte. Und das ist die nächste wahnsinnige Kölner Geschichte. Völlig überraschend bringt der 71-Jährige die Saison zu Ende, nachdem kurz vor Schluss die komplette sportliche Führung rasiert wurde. Funkel selbst unkte: "Ich habe nicht mehr damit gerechnet - aber im Fußball passieren Dinge, die niemand für möglich hält." Man könnte dem Schritt schon ein wenig Panik unterstellen.
Vor dem letzten Spieltag liegt "die Elv" auf dem Relegationsrang, mit drei Punkten weniger, dafür aber ein deutlich besseres Torverhältnis, hinter dem 1. FC Köln. Dem Effzeh reicht gegen Kaiserslautern ein Remis, um aus eigener Kraft den Aufstieg zu schaffen, bei einer Niederlage droht aber auch noch die Relegation oder sogar der Sturz aus der Aufstiegszone. Dahinter lauert auch noch der SC Paderborn. Die Ostwestfalen (55, +13) müssen ebenfalls auswärts beim Karlsruher SC ran. "Warum sollte alles normal laufen?", fragte SCP-Kapitän Raphael Obermair zuletzt noch bei Sky: "Die Saison war bislang so verrückt, mit so vielen verrückten Konstellationen und Ergebnissen." Dennoch will Paderborn die "Hausaufgabe" in Karlsruhe "erstmal machen".
Und Elversberg? Mit einem Sieg gegen Schalke wäre der Klub sicher aufgestiegen - und Bürgermeister Bernd Huf stünde vor einem Problem.
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