Er ist aktuell der wohl zufriedenste Mann in der Formel 1: Zak Brown. Der Amerikaner führt den McLaren-Rennstall an, der letztes Jahr die Konstrukteurs-WM gewann. Auch in dieser Saison liegen die Papayas – dem Spitznamen der Autos wegen der Farbe der Autos – wieder vorn. Dazu scheint es, als würden die McLaren-Piloten Oscar Piastri und Lando Norris den Fahrer-Titel unter sich ausmachen.

Eine klare Nummer 1 hat der Rennstall immer noch nicht bestimmt. An diesem Sonntag setzt sich der Zweikampf beim siebten Saisonrennen in Imola fort (15.00 Uhr, RTL und Sky). Piastri sicherte sich im Qualifying die Pole Position, Norris startet hinter dem Zweitplatzierten Max Verstappen (Red Bull) und George Russell (Mercedes) von Platz vier.

Frage: Herr Brown, gibt es eine Frage, die Sie so oft gestellt bekommen haben, dass Sie schon genervt sind?

Zak Brown: Nicht wirklich genervt von einer Frage. Aber die zahlreichen Vorwürfe, die es in Richtung unserer Rennautos gibt, sind lächerlich! Die Antwort, warum wir so gut sind, ist sehr einfach – die Männer und Frauen bei McLaren haben einfach ein tolles Auto entwickelt. Das mag für einige Rennställe schwer zu akzeptieren sein. Aber das ist das Geheimnis.

Frage: Wir dachten eher an die Frage, wer der Fahrer Nummer 1 bei McLaren ist – Piastri oder Norris?

Brown: Oh nein, die Frage nervt mich gar nicht. Vielleicht sind aber einige genervt von der Antwort, weil es jedes Mal dieselbe ist: Wir haben zwei Nummer-1-Fahrer. Das werden wir auch in Zukunft so kommunizieren. Egal, wo sie in der Fahrer-Wertung stehen – von uns werden sie gleich behandelt. Weil sie beide großartig sind.

Frage: Lando Norris spricht ungewöhnlich offen über seine Gefühle und Fehler. Von einigen Experten wird er dafür kritisiert, weil er sich im Profi-Sport dadurch angreifbar macht …

Brown: Sportler äußern sich auf verschiedene Weise. Manche reden über Dinge, die sie beschäftigen. Andere stellen sich als starke Kerle dar, die nichts an sich ranlassen. Ich glaube, dass es da kein Richtig und kein Falsch gibt. Mein Freund Novak Djokovic, der größte Tennisspieler aller Zeiten, hat früher das Publikum dazu animiert, ihn auszubuhen. Das hat ihn motiviert. Andere Sportler haben Angst davor, ausgebuht zu werden.

Frage: Oscar Piastri wird nachgesagt, dass er niemals lächelt. Stimmt das?

Brown: Oh nein, das stimmt nicht. Ich habe ihn lächeln sehen. Das kann er. Manchmal kichert er sogar. Aber die Fans machen ihn zum Mr. Cool – und ich glaube, ihm gefällt das auch ein bisschen.

Frage: McLaren dominiert sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteurswertung. Sehen Sie da draußen noch Konkurrenz?

Brown: Bei den Rennställen ist es Ferrari und Mercedes. Bei den Fahrern würde ich auch noch Max Verstappen hinzufügen wollen.

Frage: Der fuhr letzte Woche in seiner Freizeit in einem Ferrari über die Nordschleife des Nürburgrings. Würden Sie das Ihren Fahrern erlauben?

Brown: Wir sehen unsere Fahrer generell gerne in Rennautos – natürlich in McLarens. Solange ihr Fokus auf der Formel 1 liegt und sie nur mal einen Tag Spaß haben, sind solche Ausflüge aber völlig in Ordnung.

Frage: An diesem Wochenende wird in Imola gefahren. Es könnte der letzte Grand Prix auf der Strecke sein – auch, weil es mit Monza ein weiteres Rennen in Italien gibt. Ihre Meinung dazu?

Brown: Wir haben das Luxusproblem, dass wir mehr Länder und Rennstrecken haben, die einen Grand Prix ausrichten wollen, als es überhaupt Rennen gibt. Wir fahren an 24 Wochenenden im Jahr. Mehr geht aus logistischen Gründen nicht. Ich hätte gerne, dass ein Großteil der Rennen einen festen Platz im Kalender hat. Dazu sollten ein paar Strecken rotieren, nur jedes zweite Jahr einen Grand Prix ausrichten.

Frage: An welche Länder denken Sie da?

Brown: In Europa sind wir aufgestellt, in Amerika ebenso. Mir fallen Indien, Korea und Südafrika als mögliche Ausrichter ein. Dazu könnte es ein zweites Rennen in China geben, neben dem in Shanghai. Und im Asien-Pazifik-Raum sehe ich auch noch großes Wachstums-Potenzial.

Frage: Und in Deutschland?

Brown: Deutschland ist ein Riesen-Markt – mit Mercedes und Audi. Der Hockenheimring ist eine fantastische Strecke mit großer, großer Tradition. Vielleicht wäre es eine Idee, auch dort alle zwei Jahre einen Grand Prix stattfinden zu lassen. Es gibt ja einige Länder in unmittelbarer Nähe, in denen Rennen stattfinden.

Frage: Aber zurück zu Imola …

Brown: Ich liebe Imola – aber ich liebe auch Monza. Wenn wirklich eines der Rennen aus dem Kalender fliegen muss, dann plädiere ich auch hier für die elegante Rotationslösung. Auch wenn das sicher einfacher gesagt als getan ist.

Frage: Sie sind seit 2016 bei McLaren. Als Sie dort anfingen, war das Team eher im unteren Mittelfeld zu finden. Mussten Sie zweimal überlegen, bevor Sie zugesagt haben?

Brown: Nein. Denn damals habe ich daran geglaubt, dass wir Erfolg haben können. Wir hatten die richtigen Leute, wir hatten den Glauben, dass wir etwas Großes schaffen können. Dazu kam die Marke McLaren, die großes Potenzial hatte.

Frage: Wie ist es Ihnen gelungen, den Rennstall an die Spitze zu führen?

Brown: Wir mussten einfach die richtigen Leute in die richtigen Positionen bringen, um das Potenzial auszuschöpfen. Zu Beginn der Saison 2023 hatten wir das schlechteste Auto. Damals waren es 1000 Menschen, die an der Entwicklung des Rennwagens mitgearbeitet haben. Ich habe die drei ranghöchsten Mitarbeiter ausgetauscht. Und dem Trio ist es gelungen, mit neuen Ideen und neuer Motivation das Potenzial der Mitarbeiter auszuschöpfen. Weil die restlichen 997 Mitarbeiter ja noch dieselben waren. Wir haben es innerhalb von sechs Monaten geschafft, das Auto von Platz 9 auf Platz 1 zu führen. Neben den Führungsqualitäten haben wir auch auf neue Technologien gesetzt, wie auf einen neuen Windtunnel.

Frage: Sie sind seit neun Jahren dabei. 2018 drehte Netflix die erste Staffel von „Drive to Survive“. Wie hat sich die Formel 1 dadurch verändert?

Brown: Die Serie hat Frauen in die Formel 1 gebracht. Das hat uns gefehlt. Sie hat mehr Diversität in die Formel 1 gebracht. Das hat uns gefehlt. Und sie hat die Jugend für die Formel 1 begeistert. Das hat uns auch gefehlt. Und es hat Nordamerika für den Sport begeistert. Alleine Netflix dafür verantwortlich zu machen, ginge etwas zu weit. Aber ihre Verdienste sind groß.

Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild am Sonntag“ veröffentlicht.

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