Kovacs Meisterleistung macht BVB-Bosse fassungslos
Borussia Dortmund steht in der Champions League. Zum zehnten Mal in Serie. Es ist eine große Überraschung. Denn es war eine Saison, die das Selbstvertrauen des BVB noch im März ausradiert hatte. Weil aber ein Trainer "alter Schule" übernimmt, rettet der BVB fest eingeplante Millionen.
Borussia Dortmund stirbt mal wieder an einem anderen Tag. Nach einer sensationellen Aufholjagd in den vergangenen acht Spielen mit 22 von 24 möglichen Punkten qualifiziert sich der zwischenzeitlich auf Rang elf der Bundesliga-Tabelle abgestürzte BVB mit einem 3:0 (1:0) gegen Absteiger Holstein Kiel tatsächlich erneut für die Champions League.
"Wir sind die Besten", schallte die Königsklassenhymne mit dem letzten Abpfiff der Saison 2024/2025 durch das mit 81.365 Zuschauern ausverkaufte Westfalenstadion. Dass es so kommen würde, hatte kaum jemand nach einer über weite Teile ernüchternden Saison für möglich gehalten.
"Ich hatte mir vor dem Spiel die Tabelle vom 26. Spieltag nochmal angeguckt: Sowas kannst du normalerweise gar nicht mehr schaffen", sagte der scheidende Klub-Boss Hans-Joachim Watzke im Interview bei Sky. Er war nach dem Abpfiff von der Tribüne aufs Spielfeld heruntergeeilt und stand schon bald vor einem Mikrofon. "Das ist außergewöhnlich. Wir haben pragmatisch das gemacht, was im Fußball dazugehört: nämlich laufen, Zweikämpfe führen, attackieren - und dann kommt auch der Erfolg, wenn du eine gute Mannschaft hast."
In Leipzig ändert sich für den BVB alles
Dass der BVB eine gute Mannschaft hat, war am 25. Spieltag der Saison vollkommen abwegig. Zu Hause hatte der BVB da sang- und klanglos mit 0:1 verloren und jetzt ging es dann am vom Watzke erwähnten Spieltag zum Systemfeind nach Leipzig. Auch dort kassierten die Dortmunder eine Klatsche.
Etwas aber war in dem Spiel in Sachsen anders. Der BVB spielte Fußball, kam zu 26 Tor-Abschlüssen, zahlreiche davon höchst gefährlich. Sie hatten nur kein Glück. Die 0:2-Niederlage bei RB Leipzig am 15. März 2025 markierte den Wendepunkt der Saison. Dabei war die Lage hoffnungslos. Zehn Punkte trennten den BVB da bei noch acht ausstehenden Spielen von Platz vier. Wie so oft in den vergangenen Jahren also ein Startsignal für eine Aufholjagd.
Teams wie Wolfsburg, Augsburg und Bremen hatten sich Mitte März am BVB vorbeigemogelt. Nur die Champions League bewahrte die Dortmunder und den neuen Trainer Kovac vor einem Fiasko. Dort waren sie über Benfica Lissabon und OSC Lille in das Viertelfinale gegen den großen FC Barcelona eingezogen. Ein Hoffnungsschimmer in einer schlimmen Saison.
Während in der Königsklasse das Aus gegen Spektakeltrainer Flick und Barcelona folgte, markierte die Niederlage in Leipzig den Wendepunkt in der Liga. Der BVB schaute nicht mehr zurück, konnte nur den FC Bayern nicht besiegen, sonst alle.
Das unwirkliche Comeback des BVB
"Was er geleistet hat, ist schon mit eine der größten Trainer-Leistungen in der Geschichte des BVB", schwärmte der Geschäftsführer Sport Lars Ricken nun nach dem erstaunlichen Comeback der Dortmunder bei Sky.
Es war eine Trainerleistung, die viel damit zu tun hatte, dem Kader neues Leben und Disziplin einzuhauchen. Hatte Nuri Sahin in seinen sieben Monaten immer auch der Freund der Spieler sein wollen, sorgte Kovac mit einer Trainerleistung "alter Schule" für Aufsehen. Kovac und sein Staff kontrollierten Aspekte der Erholung. Sie wussten, wann wer in welcher Eistonne verschwunden war. Sie dachten den ganzen Tag an Fußball.
Kovac sah, wenn sich Spieler in entscheidenden Momenten nicht an Abläufe hielten und ließ es sie spüren. Dadurch verschaffte er sich Respekt. Er ging auf Distanz und baute seine Spieler doch auf. Er verpasste der Mannschaft eine neue Grundordnung und Stück für Stück erwachten die Profis. Sie hatten mehr Raum nach vorne und waren nicht mehr nur an Ballbesitz interessiert. Es gab klare Ansprachen und klare Aufgaben. Ein enges Korsett. Das half.
Groß wird wichtig, Gittens verschwindet
Aus dem Transferflop Pascal Groß wurde eine Stütze im Offensivspiel. Den immer umstrittenen Ramy Bensebaini verwandelte Kovac in einen linken Verteidiger mit internationaler Klasse. Indem er Torhüter Gregor Kobel von der Last des Spielaufbaus befreite, gab er ihm seine Stärke zurück. Vieles passte auf einmal. Sogar Sommerneuzugang Maximilian Beier deutet an, warum er in Zukunft ein ganz wichtiger Teil des BVB sein könnte. Der offensiv mit einem Wechsel flirtende Jamie Gittens sah kaum noch Land, weil seine Leistungen nicht passten.
Die als Notfallsanitäter angeheuerten Berliner Brüder Niko und Robert Kovac und ihre Mitstreiter hatten ab dem 2. Februar ja wirklich Ernst gemacht und dem an die Pforten der Hölle klopfenden Bundesligisten ein wenig Selbstverständnis zurückgegeben. Auch, wenn das dauerte. "Wir sind am Anfang ohne Selbstvertrauen losgezogen und mit der Zeit ist das Selbstvertrauen dann immer größer geworden. Dann gelingen Sachen, die relativ einfach sind", sagte Kovac nach dem Sieg gegen Holstein Kiel. Nicht einmal das war ja vorher gelungen.
Aber diesmal gelang es. Auch gegen Kiel. "Von unserer Seite her ist das Spiel schnell erzählt", ergänzte Kiels Trainer Marcel Rapp. "Wir fangen maximal schlecht an mit dem Elfmeter und dann mit dem Fehlpass und dem aus meiner Sicht entscheidenden Zweikampf, der für uns das Spiel entschieden hat." Es ging wirklich schnell: Foul Lewis Holtby an Felix Nmecha nach etwas über einer Minute, Elfmeter Serhou Guirassy nach drei Minuten, Rote Karte für Carl Johansson nach neun Minuten. Der hatte Karim Adeyemi nur noch mit einem Foul stoppen können. Notbremse, keine Diskussion.
Unruhiges Plätschern bedroht den Spieltag
Borussia Dortmund hatte einen Sieg mit zwei Toren Vorsprung benötigt, um sich sicher für die Königsklasse zu qualifizieren und nicht ängstlich in Richtung Breisgau schauen zu müssen. Dort balgten sich der SC Freiburg und Eintracht Frankfurt im direkten Duell ebenfalls um die Champions League. Bei einem BVB-Sieg mit einem Tor Vorsprung hätte nur ein knapper Sieg des SC Freiburg ebenfalls mit einem Tor Vorsprung das Ende aller BVB-Träume vom ganz großen Geschäft bedeutet.
Nach dem frühen 1:0 und der Roten Karte für Kiel war alles angerichtet für den BVB. In 80 Minuten mussten sie nur noch einen weiteren Treffer erzielen. Das wäre es dann. Keine Erinnerungen mehr an den fatalen Samstag vor zwei Jahren, als die doch eigentlich sichere Meisterschaft gegen Mainz weggeworfen wurde.
Doch die Störche zogen sich zurück, verteidigten in einem 5-3-1, entnervten die Dortmunder und in Freiburg ging Freiburg in Führung. Das Spiel plätscherte auf eine Katastrophe zu. Da aber die einfachen Dinge gelingen, erzielte Frankfurt mit dem Pausenpfiff den Ausgleich. Das nahm ein wenig Druck. Nach wenigen Minuten in der zweiten Halbzeit rutschte Marcel Sabitzer nach einer hohen Balleroberung halb, traf den Ball nicht ganz richtig und der flutschte leicht abgefälscht irgendwie am Kieler Torwart Thomas Dähne vorbei ins Netz. 2:0 und große Freude.
BVB hatte wie immer mit Champions League geplant
Als Frankfurt später in Freiburg mit 3:1 in Führung ging, das Ergebnis auf der Anzeigetafel verkündet wurde, das Stadion den Schlager vom "Europapokal" sang und Felix Nmecha dazu den Ball zum 3:0 ins Tor schlenzte, war alles erreicht. Die einfachen Dinge hatten funktioniert und der BVB war zum zehnten Mal in Folge in der Königsklasse. Auf dem Platz huldigte der fürs Marketing zuständige Geschäftsführer Carsten Cramer den Brüdern Niko und Robert, er warf sich beinahe vor ihnen in den Staub.
In der Mixed Zone stand Sportdirektor Sebastian Kehl. Er sagte: "Borussia Dortmund plant mit der Champions League. Das machen wir jedes Jahr. Deswegen ist jetzt hier kein zusätzlicher Geldkoffer angefahren worden", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl in der Mixed Zone. "Das Erreichen der Champions League über den heutigen Platz war eingepreist. Das macht das Budget jetzt nicht größer. Es ist genau das, was wir eigentlich geplant hatten."
Leipzig im Rennen um Klub-WM-Quali zur Seite gedrängt
Denn das war es ja auch. Es war eine Menge Kohle, die der BVB da beinahe verspielt und jetzt dann doch wieder erspielt hatte. Der einzig börsennotierte Klub der Liga hatte in den Monaten unter Kovac bis Freitag die Marktkapitalisierung um rund 80 Millionen Euro steigern können.
Die Verhandlungen mit einem neuen Trikotsponsor dürften mit der Sichtbarkeit in der Liga der Besten ebenfalls entspannter geführt werden. Und dann ist da noch die Klub-WM im Jahr 2030, für die sich erneut wohl nur zwei deutsche Mannschaften über ihre Auftritte in Europa qualifizieren können, sollte diese Gelddruckmaschine der FIFA in vier Jahren noch existieren. Ein Jahr ohne Europa hätte auch darauf Auswirkungen gehabt, ein Blick nach Leipzig reicht da in den kommenden Jahren aus.
All das hatte also Kovac erreicht. Zugetraut hatte es ihm kaum einer. "Das ist, wie wenn du Horst Heldt als Sportdirektor verpflichtest", hieß es exemplarisch in einem Podcast Ende Januar. Als Lob konnte man das nicht sehen.
Kovac kam als "Gescheiterter"
Der gebürtige Berliner war als Gescheiterter nach Dortmund gekommen. Nach seinen Wunderjahren bei Eintracht Frankfurt ging es mit seiner Karriere bergab. Am Main hatte er 2016 den Klassenerhalt in den Relegationsspielen gegen Nürnberg geschafft, war 2017 erstmals ins Pokalfinale eingezogen, dort gegen den BVB unterlegen. Er hatte den Adlern mit dem legendären Sieg im DFB-Pokalfinale gleich im Jahr darauf gegen den FC Bayern so viel Aufwind verschafft, dass der Klub bis zum heutigen Samstag fast nur einen Weg kannte: den nach oben.
Für den Trainer Kovac aber ging es ab 2018 bergab. Beim FC Bayern holte er das Double, in Erinnerung blieb aber nur sein gescheiterter Versuch, Thomas Müller abzusägen. Bei der AS Monaco legte er ein Auslandssemester ein und als er danach beim VfL Wolfsburg im März 2024 nach elf sieglosen Spielen in Serie scheiterte, war seine Zeit bei den Topklubs doch eigentlich vorbei.
Die "FAZ" warf ihm wenig freundliche Worte hinterher. Es reiche in der Bundesliga längst nicht mehr aus, "vor allem auf Disziplin, Fitness und Einsatzbereitschaft" zu setzen. "Wer an der Taktiktafel erklären soll, was genau das Besondere an der aktuellen Spielidee der Wolfsburg sein könnte, steht vor einer spannenden bis unlösbaren Aufgabe", hieß es da.
Kovac verschwand nach Kroatien. Sah dort im Garten seines Hauses den Bäumen beim Wachsen zu. Irgendwann hörte er sich wieder Angebote an. Er brachte sich im Ausland ins Gespräch und ergriff die Chance, die sich aus dem Scheitern von Nuri Sahin ergab. Begrüßt wurde er mit viel Skepsis.
"Es waren die Jungs"
An diesem Samstag stand er nun nach dem Spiel am Mittelkreis, er schlenderte auf und ab, da riefen die Fans auf der Süd, der Gelben Wand, seinen Namen. Sie lockten ihn. Es war ihre Form der Anerkennung. Er kam. Ganz langsam. Er zeigte auf die Mannschaft. Er rief: "Es waren die Jungs!" und die hüpften. Kovac setzte sich in den Presseraum und sagte: "Es ist im Leben immer so. Der eine freut sich und der andere nicht. Es gibt immer verschiedene Seiten. Ich habe hier meinen Job gemacht." Manchmal sind es die einfachen Dinge im Leben.
"Ich will es nicht überbewerten, ich bin glücklich, aber wir müssen jetzt nicht feiern. Wir sind nur Vierter geworden. Es ist das Minimalziel", sagte der Berliner Kroate. Borussia Dortmund stirbt mal wieder an einem anderen Tag. Niko Kovac hat sie gerettet.
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