Moritz Seider? „Ein nahezu perfektes Gesamtpaket“
Moritz Seider zögerte nicht einen Augenblick. Nachdem klar war, dass Deutschlands bester Verteidiger mit den Detroit Red Wings das Play-off in der National Hockey League verpassen wird, signalisierte er sofort seine Bereitschaft, das Eishockey-Nationalteam bei der Weltmeisterschaft zu verstärken. Und nach kurzen Verhandlungen gab ihn sein Klub für das Turnier, das für die Mannschaft von Bundestrainer Harold Kreis am Samstag mit dem Spiel gegen Ungarn in Herning (Dänemark) beginnt, frei. Seider ist neben Stürmer Lukas Reichel und Torwart Philipp Grubauer einer von drei Stars aus der stärksten Liga der Welt, die nach einer langen Saison in Nordamerika noch die WM in Dänemark und Schweden bestreiten.
„Für die Nationalmannschaft zu spielen, ist für mich eine Ehre. Darauf bin ich sehr stolz. Für alle Jungs, die von drüben kommen, ist es mittlerweile selbstverständlich. An erster Stelle steht immer das Play-off, das versteht, glaube ich, auch jeder. Nichtsdestotrotz kommt die WM natürlich dann irgendwann in den Vordergrund. Wenn du weißt, du bist in der NHL raus, dann freust du dich einfach auf die Zeit mit den Jungs bei der Nationalmannschaft“, sagt Seider WELT AM SONNTAG.
Der 24-Jährige gilt als einer der besten Offensivverteidiger der Welt. In seinen bisherigen 328 Spielen in der NHL sammelte er beachtliche 180 Scorerpunkte (29 Tore und 151 Vorlagen). Neben seinem herausragenden Spielverständnis im Aufbau ist Seider auch ein knallharter Abwehrspieler. Die Checks des 1,93 Meter großen und 93 Kilogramm schweren Athleten sind gefürchtet, dazu blockt er viele Schüsse – eine Qualität, die oft unterschätzt wird.
„Seider kann den Gegner wirklich beeindrucken“
„In der NHL treten die Spieler für gewöhnlich entweder offensiv oder defensiv in Erscheinung und finden so ihre jeweilige Rolle. Seider hingegen spielt das erste Powerplay genauso wie die erste Unterzahl. Dazu spielt er sehr physisch, setzt viele Checks und kann den Gegner so wirklich beeindrucken. Diese Kombi, das Beste aus beiden Welten so zu vereinen, macht ihn so wertvoll – ein nahezu perfektes Gesamtpaket“, sagt Rick Goldmann WELT AM SONNTAG. Goldmann muss es wissen, er absolvierte als Verteidiger 126 Länderspiele für Deutschland und ist bei der WM als Experte für „ran“ aktiv.
Bei der Weltmeisterschaft – Deutschland trifft in der Vorrunde neben Ungarn auf Dänemark, Tschechien, Norwegen, Kasachstan, die Schweiz und die USA – wird Seider den Fixpunkt der deutschen Defensive bilden und in Aufbauspiel und Überzahl mit seiner Spielintelligenz und Übersicht als eine Art Quarterback fungieren. Fähigkeiten, die ihn früh zu einem besonderen Spieler machten.
In Zell an der Mosel geboren lernte er in Erfurt das Eishockeyspielen, ehe er als Teenager zur Kaderschmiede der Adler Mannheim wechselte. Schon als 17-Jähriger wurde er mit den Adlern 2019 deutscher Meister und zum besten Nachwuchsspieler der Deutschen Eishockey Liga gewählt – die erste von vielen persönlichen Auszeichnungen für Seider.
Seiders Vertrag ist mit 60 Millionen Dollar dotiert
Als erster deutscher Verteidiger wurde er im selben Jahr in der ersten Runde gedraftet, die Detroit Red Wings sicherten sich die Dienste des Ausnahmetalents. Seider sammelte ein Jahr Erfahrungen bei einem Farmteam der Red Wings und reifte beim schwedischen Spitzenklub Rögle BK zum Weltklassespieler. Die Rückkehr nach Europa war ein ungewöhnlicher Schritt, der sich als perfekte Entscheidung herausstellen sollte. Als Verteidiger des Jahres kehrte er aus Schweden in die USA zurück. Im Alter von 20 Jahren feierte er 2021 dann bei den Red Wings sein Debüt in der NHL, wo er nach seiner ersten Saison zum „Rookie des Jahres“ gewählt wurde.
Ein Rookie ist Seider längst nicht mehr. Als einer der besten Spieler des Teams ist er auch einer der am besten verdienenden Profis – Seiders aktueller Sieben-Jahres-Vertrag, der 2031 endet, hat ein Gesamtvolumen von 59,85 Millionen US-Dollar. Den Druck und die hohen Erwartungen, die diese Summe mit sich bringt, lässt Seider in seiner lockeren Art nicht an sich herankommen: „Ich habe einfach Spaß an der Sache, ich habe den coolsten Job, den es gibt für mich. Was von außen kommt, beeinträchtigt mich sehr, sehr wenig. Ich glaube, ich mache mir selbst den meisten Druck und setze mir die höchste Erwartung. Und der gilt es einfach nur gerecht zu werden. Ich genieße einfach die Zeit, die sehr kostbar ist, die man mit den Jungs hat.“
Seider ist unumstrittener Führungsspieler
Kein Spieler der Red Wings hatte in der abgelaufenen Saison mehr Eiszeit (25:08 Minuten pro Spiel) als Seider, niemand teilte mehr Checks (208) aus und niemand blockte mehr Schüsse (177) als er. Qualitäten, die Seider auch in der Nationalmannschaft zum unumstrittenen Anführer machen.
„Seider wird eine absolute Führungsposition einnehmen – auf und neben dem Eis. Er spielt in der NHL bei den Verteidigern in Sachen Punkten in den Top 20 und ist bei der Eiszeit in den Top 10. Nach seinen nun vier Spielzeiten gehört er ligaweit zu den absoluten Topverteidigern“, sagt der Ex-Profi Goldmann. Seiders Qualität, sowohl offensiv als auch defensiv Akzente setzen zu können, werde nach dem Ausfall von Moritz Müller und Kai Wissmann – der Mannschaftsführer von Finalserienverlierer Kölner Haie und der Meisterkapitän der Eisbären Berlin fallen wegen einer Schulter- bzw. Handverletzung aus – für die deutsche Mannschaft noch wichtiger werden. „Ran“-Experte Goldmann: „Hinzu kommt sein starker Charakter und seine außergewöhnliche mentale Stärke, die ihn in der Kombi zu einem Leader in der Kabine macht.“
Viertelfinale als Minimalziel der Nationalmannschaft
Schon bei der Weltmeisterschaft 2023, die für Deutschland mit einem sensationellen zweiten Platz endete und eine Bestätigung der konstanten Entwicklung der Nationalmannschaft war, drückte Seider dem Spiel der Deutschen seinen Stempel auf. Er wurde damals ins All-Star-Team des Turniers gewählt, stand mit durchschnittlich 22 Minuten pro Spiel länger als jeder andere deutsche Feldspieler auf dem Eis und kam auf eine starke Plus-Minus-Bilanz von plus sechs.
Bei der WM in Dänemark und Schweden lautet das realistische Minimalziel wieder einmal die Qualifikation für das Viertelfinale. Dafür muss die Nationalmannschaft in der Vorrunde vier Teams hinter sich lassen. „Es ist wichtig, einen guten Start in die Gruppenphase zu erwischen und vielleicht den einen oder anderen großen Gegner auch schon zu ärgern, um dort viel Selbstvertrauen zu tanken“, sagt Seider. Mit dem Erreichen des Viertelfinales sei es schon ein erfolgreiches Turnier: „Danach muss man einfach schauen, was noch möglich ist. In einem K.o.-Spiel kann dann viel passieren.“
Stephan Flohr berichtet vor allem über Fußball und zwischen Oktober und April über die beste Sportart der Welt: Eishockey.
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