Es war ein Spiel, das vermeintlich gar nicht stattfinden konnte – und dann doch stattfand. Ein Spiel zwischen einem der besten Fußballklubs Europas und einem frisch gegründeten Inselverein, zwischen Weltmeistern und Kellnern, zwischen Bundesliga und Balearen.

Am 11. Mai 1975 betrat die Mannschaft von Borussia Mönchengladbach das Spielfeld des Estadi Municipal in Sant Francesc Xavier auf Formentera. Ein Ort, der damals noch ohne Asphaltstraßen war, ohne Supermarkt, ohne Flughafen. Dafür mit einem Fußballplatz, auf dem die Kreidelinien noch von Hand gezogen wurden und der Rasen eher Hoffnung als Realität war.

Die „Fohlenelf“ kam als neuer deutscher Meister und Gewinner des Uefa-Pokals. Zwischen einem Ligaspiel und dem Finale um den DFB-Pokal hatten die Gladbacher eine Spanien-Reise eingeschoben – eine PR-Tour für Marktöffnung und internationales Prestige. Doch dieses Spiel auf Formentera war mehr als bloß eine Werbeveranstaltung. Es wurde zu einem Ereignis, das auf der Insel mehr veränderte, als man sich das damals hätte vorstellen können.

Für die Menschen auf der Insel war es ein Tag wie kein anderer. Die kleine Tribüne des Estadi Municipal war überfüllt, Kinder saßen auf den Schultern ihrer Eltern, Jugendliche auf Mauern, einige Zuschauer standen sogar auf dem Dach eines benachbarten Hauses. Sie kamen zu Fuß, auf Mofas, per Traktoranhänger.

Von Ibiza setzten Fans mit der Fähre über, um die deutsche Star-Elf zu sehen – Heynckes, Bonhof, Vogts. Legenden, deren Namen sie nur aus Radioberichten oder von den Fußballseiten der Zeitungen kannten. Auch die Sociedad Deportiva Formentera war nicht allein auf dem Platz.

Mit Spielern von Ibiza verstärkt

Um eine würdige Mannschaft aufzustellen, hatte sie sich mit Spielern von Ibiza verstärkt. Trikots wurden in letzter Minute aus dem Lager geholt, Erinnerungsfotos gemacht, auf dem Feld stieg die Nervosität – knisternde Atmosphäre. „Wir wussten: Das hier passiert nur einmal“, erinnert sich einer der vier verbliebenen Spieler von damals: „Und egal, wie hoch wir verlieren – wir wollten zeigen, dass wir dazugehören.“

Das Ergebnis? Nebensache. Es ging um etwas anderes. Um den Moment. Um die Möglichkeit. Um einen Hauch von Weltfußball unter der Sonne Formenteras. Während die einen wieder abreisten, blieb einer ein paar Tage länger: Berti Vogts. Der kompromisslose Verteidiger, der 1974 mit Deutschland Weltmeister geworden war, entdeckte etwas auf der Insel, das ihn berührte: Ruhe und Herzlichkeit. Den Ernst, mit dem selbst die jugendlichen Kicker ihre Leidenschaft betrieben.

Ein Jahr später wurde aus einer damals geborenen Idee Realität: Der „Trofeo Formentera“ feierte Premiere. Borussia Mönchengladbach, der 1. FC Köln, Real Mallorca und SD Formentera stellten ihre Jugendteams. Gespielt wurde auf rotem Sand, geschlafen wurde in einfachen Unterkünften, gegessen gemeinsam unter Pinien. Das Turnier war weit mehr als nur ein sportlicher Austausch – es war ein Symbol dafür, dass Größe manchmal genau dort entsteht, wo niemand damit rechnet.

In den folgenden Jahren wurde der Trofeo insgesamt 14-mal ausgetragen. Mannschaften aus ganz Europa reisten an, darunter Teams aus Sevilla, Turin, Gijón. Für viele ein erstes internationales Erlebnis, für die Insel ein sportliches Fest. Und für Berti Vogts ein bleibendes Vermächtnis als stiller Initiator eines Turniers, das Freundschaft, Jugend und Fußball miteinander verband, jenseits von Druck und Kommerz. Im Juli 1975 trat die SD Formentera zum Rückspiel an.

Das Freundschaftsspiel fand im traditionsreichen Bökelbergstadion statt. Für viele Spieler der SD Formentera war die Reise nach Deutschland eine völlig neue Erfahrung – einige hatten zuvor nicht einmal ihre Insel verlassen, geschweige denn ein anderes Land betreten. Es war ein Gegenbesuch, als Zeichen des Dankes und der Gegenseitigkeit. Die Gastfreundschaft, die Gladbach auf Formentera erfahren hatte, wurde nun in Deutschland erwidert.

Auf Formentera aber blieb mehr als eine Erinnerung. Der Verein gewann Selbstbewusstsein, die Jugendabteilung wuchs. Später folgte der Aufstieg in die Tercera División, der 3. Liga, dann sogar der Einzug in die Copa del Rey, das spanische Äquivalent zum DFB-Pokal, mit Spielen gegen Erstligaklubs.

Wer den kleinen Klub heute besucht, hört die Geschichte vom großen Spiel gegen Gladbach wie eine Sage aus einer anderen Zeit. In Bars hängen Fotos, in Wohnzimmern signierte Trikots. Und in der Stimme alter Männer liegt Stolz, wenn sie sagen: „Ich habe damals gespielt – gegen die Besten.“

Es war ein Spiel, das gekommen war wie ein Fremder. Unerwartet, groß, fast übermächtig. Doch dann blieb etwas: nicht der Ruhm, nicht das Geld. Sondern eine Haltung. Dass Fußball mehr sein kann als Wettbewerb. Dass er Begegnung ist, Bewegung, manchmal auch Berufung. Berti Vogts hat das damals gespürt. Er hat gesehen, was möglich wird, wenn man bleibt, hinhört und etwas sät.

Denn Formentera war immer mehr als ein Ort. Es war ein Zustand. Eine Insel mit durchlässigen Rändern, die Reisende nicht nur kommen, sondern bleiben ließ. In den 1970er-Jahren war sie ein Etappenziel auf dem Hippie-Trail nach Indien – viele zogen weiter, manche blieben. Einige bis zum Ende ihres Lebens. Sie ruhen heute auf dem kleinen Friedhof von Sant Francesc, nicht weit vom Spielfeldrand, wo einst Borussia Mönchengladbach spielte.

Die Insel zog an, was sich anderswo nicht einordnen ließ – Künstler, Lebenskünstler, Idealisten. Menschen, die dem Lauten entkommen wollten, die dem Zeitgeist davongelaufen waren oder ihm ein neues Gesicht geben wollten. Die kleine Gemeinde nahm sie auf – nicht mit offenen Armen, aber mit einem stillen Einverständnis. So ist es bis heute geblieben.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Formentera erheblich verändert. Die Insel, einst bekannt für ihre unberührte Natur und Abgeschiedenheit, ist heute ein begehrter Rückzugsort für wohlhabende Persönlichkeiten geworden, unter anderem der ehemalige Trainer der spanischen Nationalmannschaft Luis Enrique. Bei der kürzlichen Einweihung der neuen Tribüne im Estadi Municipal von Sant Francesc Xavier waren auch einige der Männer anwesend, die 1975 auf dem staubigen Platz gegen Borussia Mönchengladbach gespielt hatten.

Im Herbst wird auf Formentera ein Fußballmuseum eröffnet – unweit des Stadions, das zum Symbol eines Moments geworden ist, in dem die große Fußballwelt für einen Augenblick innegehalten hat. Ein Museum, das nicht nur Pokale und Trikots zeigen wird, sondern Erinnerungen und Geschichten. Bilder aus einer Zeit, in der alles möglich schien, selbst ein Spiel zwischen Weltmeistern und Fischern.

Vielleicht folgt Berti Vogts der Einladung

Und wer weiß – vielleicht folgt Berti Vogts der Einladung zur Eröffnung. 50 Jahre später zurück an den Ort, an dem ein scheinbar unmögliches Spiel stattfand, ein Kapitel Inselgeschichte geschrieben wurde. Dort, wo sich zeigte, dass Fußball manchmal mehr sein kann als nur ein Ergebnis.

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