Für viele undenkbar, andererseits war es wohl nur eine Frage der Zeit, dass sich auch ein deutscher Sportler für einen Start bei den stark umstrittenen Enhanced Games entscheidet. Einem Ereignis, bei dem viel Geld im Spiel ist und vermeintliche Weltrekorde auch mit Dopingmitteln aufgestellt werden sollen. Schwimmer Marius Kusch hat dies nun getan. Der Kurzbahn-Europameister von 2019 über 100 Meter Schmetterling will im Mai 2026 in Las Vegas dabei sein – er hat bereits zugesagt.

Die Nachricht, die der 32-Jährige am Mittwochabend auf seinem Instagram-Kanal verkündete, dürfte für mächtig Wirbel, harsche Kritik und viel Gegenwind sorgen – denn die Diskussion um die geplante erste Auflage der Enhanced Games wird seit Wochen und Monaten erbittert geführt. Während die Macher den Supermenschen wollen und das Event als „ultimative Demonstration dessen, wozu der menschliche Körper fähig ist“ feiern, halten es die meisten anderen für verwerflich, gefährlich, unverantwortlich. „Wenn man das Konzept von Fairplay (...) im Sport zerstören will, ist das ein guter Weg“, sagt die Welt-Anti-Doping-Agentur. Kusch hat sich dennoch dafür entschieden.

„Jetzt ist Zeit für ein neues Kapitel“, kündigte er auf seinem Instagram-Kanal an. „Die Teilnahme an den Enhanced Games ist eine Chance, an meine Grenzen zu gehen und gegen einige der besten Athleten der Welt um ein beispielloses Preisgeld anzutreten.“ Drei Sportarten sind bei der Premiere im Mai 2026 vorgesehen: Schwimmen, Leichtathletik und Gewichtheben mit jeweils ausgewählten Disziplinen. Kusch will über 50 und 100 Meter Schmetterling antreten.

Kusch: „Sport konnte mir nie die finanzielle Stabilität geben“

Kusch, der 2026 wegen der Trainingsbedingungen an die Queens University von Charlotte (North Carolina) wechselte und weiterhin in den USA lebt und trainiert, galt als deutscher Hoffnungsträger über die Schmetterlingsstrecken. Nach EM-Bronze 2017 und -Gold 2019 über 100 Meter Schmetterling auf der Kurzbahn gewann er 2022 WM-Bronze – ebenfalls auf der 25-Meter-Bahn. Auf der prestigeträchtigen Langbahn gelang ihm bei internationalen Titelkämpfen der Sprung auf das Podest nicht. 2021 gehörte er zum deutschen Olympia-Team von Tokio, doch sein Ziel vom Start bei den Spielen 2024 erreichte er nicht – Karriereende im Herbst 2024.

Jetzt die Enhanced Games. Kusch begründet das ganz offen. „Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe, aber die Wahrheit ist, dass mir der Sport nie die finanzielle Stabilität gegeben hat, um mir eine Zukunft aufzubauen. Die Wirklichkeit war schon immer eine Herausforderung“, schreibt er als Erklärung für seine Zusage. „Ich weiß, dass diese Entscheidung Diskussionen auslösen wird.“

Bei den Enhanced Games wird viel Geld für die Starter, die Sieger und vermeintliche Weltrekorde, unterstützt durch Doping, ausgeschüttet. Prämien als Verlockung zum Tabubruch. Jede Einzelveranstaltung ist den Angaben zufolge mit einem Preisgeld von 500.000 US-Dollar (rund 424.000 Euro) dotiert, 250.000 US-Dollar (rund 212.000 Euro) gehen jeweils an die Sieger. Außerdem erhalten die Athleten Antrittsgelder in unbekannter Höhe und eine Million US-Dollar für bisher nicht gelaufene und geschwommene Zeiten über 50 Meter Freistil und die 100 Meter in der Leichtathletik.

Es ist das Geld, das lockt. „Ich möchte mich jetzt um meine Familie kümmern und ihr alles zurückgeben, was sie mir gegeben hat“, betonte Kusch. Sorgen um seine Gesundheit macht er sich nicht. Bei den Enhanced Games werde er unter ärztlicher Aufsicht antreten. „Denn meine Gesundheit und Langlebigkeit sind genauso wichtig wie meine Leistung.“

„Der DSV verurteilt dies aufs Schärfste“

Die ersten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Unter Kuschs Instagram-Post finden sich vorwiegend negative Kommentare („einfach nur traurig und erbärmlich“, „das ist keine Chance, sondern ein Verrat an den Werten“), aber auch einige positive („richtige Entscheidung“, „verschieb die Grenzen“). Josha Salchow, Deutschlands bester Freistilsprinter und Olympia-Starter von Paris, kommentiert enttäuscht: „WTF...“

Der Deutsche Schwimmverband (DSV) reagierte schnell. „Die Enhanced Games stehen diametral zu allem, wofür der Sport steht. Sie verhöhnen Fairness, Gesundheit und die Daseinsberechtigung des Sports selbst, indem sie Doping nicht nur tolerieren, sondern als vermeintlich autonom zu treffende Option zur Selbstoptimierung inszenieren“, sagt der Vorstandsvorsitzende Jan Pommer in einem Statement. „Der DSV verurteilt dies aufs Schärfste.“

Und weiter: „Für uns sind Fairness, Chancengleichheit und die klare Ablehnung jeglicher Form von Doping unverrückbare Grundwerte. Athlet*innen – ob aktiv oder im Ruhestand – tragen eine besondere Vorbildfunktion. Wer sich bewusst von diesen Werten abwendet, verabschiedet sich von unserem Schwimmsport. Und: Er setzt sich nie vollständig zu überblickenden gravierenden gesundheitlichen Gefahren aus.“

Gesundheit, Fairness, Vorbilder – Stichworte, die immer wieder genannt werden. Vor einigen Wochen kündigte Wada-Präsident Witold Banka an, dass man die US-Behörden drängen werde, auf einem legalen Weg die Spiele zu blockieren.

„Die Macher der Enhanced Games wollen vielleicht schnelles Geld verdienen, aber dieser Gewinn geht auf Kosten von Kindern auf der ganzen Welt, die glauben, dass sie Dopingmittel nehmen müssen, um ihre Träume zu verwirklichen“, betonte der Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur, Travis Tygart. „Ein Wettbewerb, der gezielt auf den Einsatz von Dopingmitteln setzt, ist ethisch und moralisch absolut verwerflich“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur, Lars Mortsiefer.

US-Sprinter Fred Kerley wird antreten

Vor Kusch hatten unter anderem der britische Schwimmer Ben Proud und Sprinter Fred Kerley aus den USA ihre Teilnahme angekündigt. Wie Kusch leugnete auch Proud nicht, was ihn reizt. „Das ist finanziell sehr attraktiv, und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir das egal ist“, sagte er der Olympia-Zweite von Paris sowie mehrmalige Weltmeister der BBC. „Ich müsste 13 Jahre lang Weltmeistertitel gewinnen, um das zu verdienen, was ich bei einem einzigen Wettkampf bei den Enhanced Games gewinnen kann.“

Kerley und Proud – zwei Personalien, die für Aufsehen sorgten, da beide in ihren Karrieren Olympia- sowie WM-Medaillen gewonnen haben. Kerley fehlte allerdings zuletzt bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Tokio, weil er durch die unabhängige Integritätskommission des Weltverbands suspendiert worden war – wegen eines Verstoßes gegen Meldepflichten.

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