Auf Julian Nagelsmann rieseln schlechte Nachrichten nieder
Das DFB-Team steht vor einem für die Weltmeisterschaft entscheidenden Herbst. Schafft das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann den Turnaround? Erste schlechte Nachrichten sorgen zumindest nicht für die besten Bedingungen.
Mit gut gemeinten Ratschlägen ist das manchmal so eine Sache. Ein Beispiel: Ein sehr meinungsstarker Ex-DFB-Star empfiehlt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, doch die frisch gebackenen Basketball-Europameister als Vorbild zu nehmen. Weil die ja nicht nur den EM-Titel gewonnen, sondern davor auch sensationell bei der Weltmeisterschaft triumphiert haben. Die Analyse in der Kolumne des 35-fachen Nationalspielers mit tierischem Spitznamen: Bei denen habe das "Gesamtpaket aus Talent, Spielverständnis, Spielfreude und Emotion" gestimmt. Jeder habe gewusst, was seine Aufgabe sei, niemand habe "für sich selbst" gespielt.
Klar, das stimmt alles. Nur: So einfach ist der Vergleich zwischen Fußballern und Basketballern dann doch nicht. Zwar hatte sich das DFB-Team von seinen DBB-Kollegen für die Heim-Europameisterschaft 2024 das Rollenprinzip abgeschaut, aber da enden die Gemeinsamkeiten. Die Umstände sind völlig unterschiedlich, das fängt schon bei der Personaldecke an. Die Basketballer mussten bei ihrem EM-Triumph 2025 im Vergleich zur WM-Sensation 2023 eigentlich nur auf den kreuzbandrissverhinderten Antreiber Moritz Wagner verzichten, angeführt wurde die Mannschaft aber jeweils von Dennis Schröder und Franz Wagner, zwei Weltklasse-Spielern. Und vor allem: Die Basketballer hatten zwischen den beiden Turnieren auch Kontinuität im Kader.
An dieser Stelle liegt wiederum das Grundproblem der DFB-Elf. "Talent, Spielverständnis, Spielfreude und Emotion" kann man ihr (zumindest an guten Tagen) schon unterstellen. Nur ist es nicht hilfreich, dass ständig Stammkräfte wegfallen. Nun erneut: Rund um den meteorologischen Herbstanfang rieseln nicht nur langsam die Blätter von den Bäumen, sondern auch weitere schlechte Nachrichten auf Bundestrainer Julian Nagelsmann herab. Aus Madrid erreichte ihn vor anderthalb Wochen die Kunde, dass sich Abwehrboss Antonio Rüdiger am Oberschenkel schwerer verletzt hat und möglicherweise für die restlichen DFB-Spiele des Jahres ausfällt. Aus London übermittelte Arsenal-Trainer Mikel Arteta am späten Dienstagabend, dass es sich bei Kai Havertz im schlimmsten Fall mit der Rückkehr noch "Monate" ziehen könnte. Der 26-Jährige leidet noch an den Folgen seiner Knie-OP im Sommer.
Langzeitverletzte und eine Parallele in die Politik
Die (neuerlichen) Ausfälle kommen für Bundestrainer Nagelsmann zur Unzeit. Denn in den vergangenen Wochen hat sich das Lazarett nicht gerade gelichtet. Die etatmäßige Nummer eins, Marc-André ter Stegen? Noch länger am Rücken verletzt. Wunderdribbler Jamal Musiala? Braucht nach seinem Wadenbeinbruch noch mindestens bis November. Torjäger Tim Kleindienst? Mit einer Meniskusverletzung noch Wochen raus. Ersatz-Zehner Deniz Undav? Fehlt mit Innenbandanriss auch noch einige Zeit. Und dann sind da noch diejenigen, die gerade ihre Form suchen: Florian Wirtz (hadert noch mit der Premier League), Jonathan Tah (nach seinem Wechsel zum FC Bayern zumindest im DFB-Team ohne Flow), Niclas Füllkrug (entweder verletzt oder ohne Spielpraxis) oder Ex-Bayern-Star Leroy Sané, der sich in die Türkei verabschiedet hat.
Es lässt sich eine Parallele zur Politik ziehen (Stichwort Vergleiche): So wie Bundeskanzler Friedrich Merz einen "Herbst der Reformen" verspricht, um die Stimmung im Land zum Besseren zu verändern, bräuchte es auch beim DFB-Team eine Art "Herbst des Aufbruchs". Schließlich steht das WM-Jahr bevor, und auf das Russland- bzw. Katar-Debakel soll keine USA-Mexiko-Kanada-Blamage folgen. Der gerade zu Ende gehende Sommer zeigt dafür noch keine Anzeichen. Die Aufbruchstimmung ist verflogen, die Nagelsmannschaft hat sich nach und nach in einen Negativstrudel verabschiedet. Beim Heimspiel gegen Nordirland in Köln war sogar das Stadion (auch wegen der hohen Ticketpreise) nicht ausverkauft, ein zuletzt seltenes Ereignis.
Die DFB-Elf lieferte zuletzt keine Spektakel: Da war Anfang Juni das Nations-League-Finalturnier, die sogenannte Mini-EM, bei dem sich das arg gerupfte DFB-Team in zwei Partien doch weit von der Weltspitze entfernt zeigte. Beim 1:2 gegen Portugal im Halbfinale lieferte man erst einen "sehr schläfrigen" Auftritt (Nagelsmann) mit einem anschließend bitter enttäuschten Kapitän Joshua Kimmich. Das Spiel um Platz drei gegen Frankreich war dann zwar stets bemüht, aber im Ergebnis auch eine unnötige 0:2-Niederlage gegen den Vizeweltmeister. Der wiederum eigentlich gar keine Lust hatte.
Und jetzt?
Der Tiefpunkt der Entwicklung folgte im September zum Auftakt in die WM-Qualifikation gegen die Slowakei in Bratislava. Die 0:2-Niederlage ließ bei allen Beobachterinnen und Beobachtern des DFB-Teams die Alarmglocken schrillen. Es war ein Rückfall in die jüngere Flick'sche Vergangenheit: ein behäbiger Auftritt gegen ein Nicht-Weltklasse-Team, der auch noch mit einer verdienten Niederlage bestraft wurde. Nagelsmann schimpfte danach über fehlende Emotionalität, die Probleme reichen jedoch weiter. Taktisch präsentierte sich die Nationalelf weit davon entfernt, den von Nagelsmann proklamierten WM-Titel irgendwie erreichen zu können. Und die Spieler richtig einzustellen, gehört auch zur Jobbeschreibung des Bundestrainers.
Und so geht die DFB-Elf in die nächsten Länderspiele gegen Luxemburg (10. Oktober, 20.45 Uhr/ARD und im Liveticker bei ntv.de) und Nordirland (13. Oktober/20.45 Uhr/RTL) mit einigen offenen Fragen. Für die Stimmung sind sie zentral. Bis zur Weltmeisterschaft, sollte die Qualifikation denn geschafft werden, sind es nicht mehr viele Spiele, um ein neues Selbstbewusstsein zu etablieren. Das heißt: Wieder ein Umbruch? Wie schon vor der Heim-EM? Oder doch ein "Weiter so"? Eine laute Überlegung, die Nagelsmann schon nach dem Slowakei-Spiel äußerte, war, bei den Nominierungen künftig nicht nur nach "Qualität" zu gehen. Die Frage, ob jemand "alles reinwirft", könnte in diesem Herbst bei den Nominierungen also auch eine Rolle spielen.
Immerhin meldete sich bei Borussia Dortmund der Mentalitätsgrätscher Nico Schlotterbeck am Wochenende zurück. Seit seinem Ausfall wurden er und sein linker Fuß auch beim DFB-Team schmerzlich vermisst. Nicht nur das: Nagelsmann kann sich auch auf die überraschend gute Form von Serge Gnabry freuen. Dieser füllt die Kaderlücken beim deutschen Rekordmeister zur Freude der Münchner mehr als ausreichend aus. Und da ist auch Karim Adeyemi, der beim BVB nicht nur mit guten Leistungen auffällt, sondern auch Fair-Play-Aktionen. Es gibt also auch gute Nachrichten.
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