Warum plötzlich alle nach Lissabon wollen
Lange war Lissabon fast so etwas wie die vergessene Metropole des Kontinents, gelegen am Rand von Europa, das Tempo gedrosselt, die Stimmung gelassen. Die Wahrnehmung hat sich verändert. Portugals Kapitale, deren Geschichte mehr als 3000 Jahre zurückreicht, ist zu einem Top-Favoriten internationaler Touristen und digitaler Nomaden geworden.
Kein Wunder, die Stadt am Tejo ist schön, das Wetter meist auch sehr anständig. Zudem liegen die Lebenshaltungskosten – obwohl sie zuletzt gestiegen sind – deutlich unter denen von London und Paris. Mehr Direktverbindungen zum Humberto-Delgado-Flughafen trugen ebenfalls zum Aufschwung bei. Der Aeroporto ist jedoch sehr in die Jahre gekommen. Wenn es um Pünktlichkeit geht, steckt er noch fest im Retro-Modus.
Auf den Straßen hörte man in diesem Sommer wieder viel Englisch, Deutsch, Französisch, sogar Chinesisch und Koreanisch. Kleine Häuser in den Altstadtvierteln sind zu Ferienwohnungen umgewandelt worden, vermittelt durch die einschlägigen Internetplattformen. Cafés und Andenkengeschäfte haben alteingesessene Händler verdrängt. Wie im Nachbarland Spanien hat sich dagegen Protest geregt. Der Segen der größeren internationalen Anerkennung hat eben auch seine Nachteile.
Was zum Glück erhalten blieb, ist der nahezu kleinstädtische Charakter. Mit knapp 580.000 Einwohnern so groß wie Bremen, kann man in Lissabon dank der Hügellage und der vielen kleinen Viertel ein beschauliches Dasein führen.
Altmodische Straßenbahnen zuckeln durch die Straßen, es gibt zahlreiche Plätze, Parks und Gärten. Auch die Klischees haben überlebt: In Restaurants prangen blau-weiße Azulejos an den Wänden, auf den Tischen stehen Stockfischgerichte aus Kabeljau, ausgeschenkt wird Vinho Verde. Dazu ertönt Fado-Musik, jener schwermütige Schicksalsgesang, der Anfang des 19. Jahrhunderts in den Hafenkneipen der Stadt erfunden wurde.
Größe zeigt Lissabon bis heute. Zum Beispiel, wenn man auf den steilen Hügel in Alfama steigt und über die roten Dächer hinweg zum breiten Tejo blickt. Hier oben bekommt man noch ein Gefühl für die globale Bedeutung, die die Kolonialmacht Portugal einst besaß. Weltstädtisch mutet auch die baumbestandene Avenida da Liberdade an – kaum eine Straße in Europa bietet eine höhere Dichte an Luxusgeschäften.
Nicht weniger gut shoppen kann man in Príncipe Real nördlich des Bairro Alto. Die Straßen des Viertels sind gesäumt von Häusern aus dem 19. Jahrhundert, liebevoll restauriert. Kunstgalerien, Boutiquen und Concept-Stores wie „EmbaiXada“ sind in die alten Bauten gezogen. Das Angebot reicht von Bikinis für den Badeurlaub an der Algarve bis zur anspruchsvollen Herrenmode für einen festlichen Abend im Teatro Nacional de São Carlos.
Längst ist Lissabon zu einem Zentrum für moderne Kunst, Architektur und Design aufgestiegen. Diesen Ruf hat es Institutionen zu verdanken wie dem in einem futuristischen Gebäude untergebrachten Museum für Kunst, Architektur und Technologie (MAAT) am Flussufer in Belém oder dem Centro de Arte Moderna Gulbenkian (CAM), das gerade einen spektakulären neuen Flügel von dem japanischen Architekten Kengo Kuma erhalten hat.
Um das große Kunstverständnis der Stadt zu erfassen, reicht allerdings der Blick auf den Boden. Ins Pflaster der Straßen und Plätze sind aufwändigste Dekorationen gelegt: Girlanden und Sterne, Schiffe, Fische und Wellen aus weißem Kalkstein und schwarzem Basalt. Die Tradition, Straßen mit handbehauenen Steinen zu pflastern, reicht bis in die Antike zurück.
Frank Rumpf
Algarve: Bestes Strandziel des Planeten
Knallblaues Meer, keine Wolke am Himmel, nur das Wellenrauschen ist zu hören. Ricardo González grinst: „Passt, oder?“ Der durchtrainierte 45-Jährige sitzt in seinen verschwitzen Wanderklamotten am Strand Praia da Furnas bei Figueira. Eine sanfte Brise kühlt. Er lässt den Sand durch die Finger rinnen: „Ich bin fast täglich vor Ort und jedes Mal dankbar, hier sein zu dürfen.“
Gerade sind wir zweieinhalb Stunden an der Küste entlanggelaufen, auf einem Teilstück des berühmten Wanderwegs Rota Vicentina, nun ist es Zeit für eine Pause. Ricardo zeigt hoch zu einem Haus auf der Klippe. „Da wohne ich mit meiner Familie. Manchmal komme ich mit meinen beiden Kindern schon vor der Schule an den Strand, zum Surfen. Oder am Abend, nach der Arbeit.“
Das ist ja das Schöne an der Algarve, am südlichsten Teil Portugals: Selten ist man weit weg vom Meer und den häufig menschenleeren Stränden. Deren Variation ist erstaunlich, von romantisch versteckten Felsbuchten bis zu weitläufigen, sanft ins Meer abfallenden Kinderparadiesen.
Das wird auch offiziell honoriert. Klar, die Strände auf Hawaii, den Malediven oder Bali sind auch klasse. Aber der Oscar für das beste Strandziel des Planeten geht eben doch an – Trommelwirbel – die Algarve. Die atlantische Küstenregion hat bei den World Travel Awards 2024 – ebenso wie schon 2020 und 2021 – den Preis als „World’s Leading Beach Destination“ bekommen. Sehr verdient – und nur für diejenigen eine Überraschung, die noch nicht hier waren. „Das berühmteste Geheimnis Europas“, so einer der Werbeslogans der Region, ist bei Strand-Fans mehr als eine feste Größe.
Insgesamt bietet die Algarve 200 Kilometer Strände, 88 davon zertifiziert für besonders sauberes Wasser, perfekte Infrastruktur und Barrierefreiheit. Dazu kommen rund 3000 Sonnenstunden im Jahr (zum Vergleich: der Deutschland-Durchschnitt liegt bei 1700). Fertig ist das Bade- und Surf-Traumziel. Dabei ist die Algarve winzig. Etwa doppelt so groß wie das Saarland mit weniger Einwohnern als Leipzig. 2024 kamen 5,2 Millionen Besucher, Allzeitrekord!
Das einstige Armenhaus Europas hat noch weit mehr zu bieten als Strand. Am Cabo de São Vicente endet Festlandeuropa an einer 60 Meter hohen Klippe, deren Reiz verstärkt wird durch den von Deutschen betriebenen Kultkiosk „Die letzte Bratwurst vor Amerika“.
Auch großartig: Burgau, knapp eine Stunde vom Kap entfernt, mit seinen traditionell weiß gestrichenen Häusern über einem schnuckligen Strand. Oder der Naturpark Ria Formosa bei Faro, der selbst Laien mit einem Fernglas zu Birdwatch-Fans macht. Oder Olhão, von wo aus man mit dem Boot zur Ilha de Culatra, der Fischerinsel, übersetzt. Hier leben 700 Muschelzüchter und Fischer in eingeschossigen Häuschen, es gibt eine Schule mit 14 Schülern, eine Kirche, einen Bolzplatz – und einen Traumstrand, an den sich nur wenige verlieren.
Auch aktivere Zeitgenossen kommen auf ihre Kosten. Im Landesinneren ist im vergangenen Jahrzehnt das Wanderwegsystem Via Algarviana entstanden. Die alte Pilgerroute verbindet auf 340 Kilometer Länge den Ort Alcoutim an der spanischen Grenze mit der Atlantiksteilküste im Westen.
Es geht entlang alter Steinmauern durch Orangen- und Zitronenhaine. Einsame Dörfer und Korkeichenwälder inklusive. Und bei Lagos kann man mit dem Kajak vom Meer aus die spektakulären Klippen und Meeresgrotten der Ponta da Piedade anpaddeln. Doch irgendwie enden alle Wege letztlich am Strand. Oder zumindest in einem Lokal mit Meerblick, bei einer traditionellen Cataplana, dem typischen Eintopf aus Fisch, Meeresfrüchten, Gemüse und Gewürzen.
Stefan Wagner
Azoren: Europas Wilder Westen
Die Azoren, mitten im Atlantik gelegen, sind in jeder Hinsicht der Wilde Westen Portugals – und auch Europas. 1430 Kilometer gen Sonnenaufgang liegt Lissabon; nach Westen sind es etwa 2500 Kilometer bis Neufundland, also Nordamerika. Rundherum: nichts als Meer.
Die Ilhas dos Açores, wörtlich übersetzt die „Habichtsinseln“, sind eine autonome Region Portugals. Ungefähr 250.000 Menschen leben auf dem Archipel, der sich über 600 Kilometer erstreckt und neun größere Inseln umfasst. Die bekannteste ist São Miguel, in der Fläche etwa so groß wie Hamburg.
Hier befindet sich die Hauptstadt Ponta Delgada, auf deren Flughafen die meisten Urlauber landen. Ein Stück südlich liegt das Strand- und Badeeiland Santa Maria; in der Mitte ragen Faial, Pico, São Jorge, Graciosa und Terceira aus dem Ozean. Das Westend schließlich bilden Flores und Corvo, die verschlafenste und kleinste Azoreninsel, auf der es nur eine richtige Straße gibt und keine einzige Ampel, dafür aber eine imposante Caldera. Der Vulkan Pico auf der gleichnamigen Insel ist mit 2351 Metern über dem Meeresspiegel wiederum der höchste Gipfel ganz Portugals.
Fruchtbare Vulkanböden und mildes subtropisches Klima sorgen für üppige, immergrüne Vegetation und eine betörend schöne Szenerie mit zerklüfteten Küsten und stillen Kraterseen im Inneren der Inseln, oft unter einem strahlenden Himmel.
Im warmen Golfstrom gelegen, herrschen fast das ganze Jahr hindurch Wohlfühltemperaturen. Sommers ist es nie beschwerlich heiß oder schwül, die Höchstwerte liegen typischerweise bei 25 Grad. Im Winter mag es zwar stürmen und regnen, aber Frost gibt es, jedenfalls in Meeresnähe, nie.
Diese klimatische 1-A-Lage bringt es mit sich, dass an Pflanzen so ziemlich alles wächst, was der Planet hergibt. Palmen und Ananas gedeihen aufs Prächtigste, aber auch Farne und Tee. Allgegenwärtig sind zartblaue Hortensien, die heute als Windschutz Felder und Wiesen begrenzen, allerdings erst im 19. Jahrhundert aus Fernost eingeführt worden waren.
Ob Callas oder Lilien, Geranien, Strelitzien, Amaryllis oder Kapuzinerkresse: Flower-Power allerorten. Das macht die Inseln zu einem Paradies für Naturliebhaber und Wanderurlauber – und für Freunde der gepflegten Einsamkeit abseits touristischer Trampelpfade.
Zugleich sind die Azoren, seit 1427 portugiesisch, historisch interessant. Als Amerika, die sogenannte Neue Welt, von Portugiesen und Spaniern erschlossen wurde, avancierten sie zu einem wichtigen Zwischenstopp auf der Überfahrt zwischen den Kontinenten.
Schon Christoph Kolumbus ging hier vermutlich 1493 vor Anker. Gleich zwei Stätten sind heute auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes verzeichnet: die von Renaissance- und Barockbauten geprägte Altstadt von Angra do Heroísmo auf Terceira und die Weinbaukultur von Pico an den Hängen des Vulkans.
Last but not least haben die Azoreaner im Laufe der Geschichte eine eigene feine Kulinarik entwickelt, geprägt vom Fischreichtum der Region. Thunfisch, Oktopus, Makrele und Napfschnecken sind auf den meisten Speisekarten zu finden. Klassiker sind zudem herzhafte Eintöpfe aus Fleisch, Wurst, Gemüse und Gewürzen, oft stundenlang in heißer Vulkanerde gegart. Zum Ausklang gibt es dann vielleicht ein Glas Azoren-Ananas-Likör oder eine Tasse Tee von der Plantage Chá Gorreana, geerntet an der Nordküste von São Miguel.
Rund 1,2 Millionen Besucher zählen die Azoren pro Jahr. Heißt im Umkehrschluss: Die meisten kennen Portugals Habichtsinseln lediglich aus dem Wetterbericht – in Form des berühmten Azorenhochs, das Westeuropa ab und zu besonders schönes, lang anhaltendes Prachtwetter beschert. Schade eigentlich. Als Urlaubsziel ist die Mitte des Atlantiks nämlich eine Wucht.
Michael Braun Alexander
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