Das Land befinde sich gerade in einem „Stresstest“, pflegt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gerne zu sagen. Deutschland steht im Fokus von Sabotage und Spionage –und immer wieder melden die Sicherheitsbehörden verdächtige Drohnenflüge, nicht selten über kritischer Infrastruktur wie Kraftwerken, Marinehäfen und Rüstungsanlagen. Eine hybride Kriegsführung, für die die Sicherheitsarchitektur des Landes bisher nicht ausreichend gewappnet scheint.

Besonders auf ein Szenario hatte die Bundesregierung bisher noch keine zufriedenstellende Antwort: Wenn etwa über einer Großveranstaltung plötzlich ein Schwarm Drohnen auftaucht, wenn große, militärisch anmutenden Drohnen über kritischer Infrastruktur gesichtet werden – und sich dann die Lage zuspitzt und ernsthafter Schaden droht.

An diesem Mittwoch berät das Bundeskabinett über Lösungen für solche Extremlagen. Die Bundeswehr soll der Polizei zukünftig Amtshilfe leisten können, wenn militärische Drohnen am Himmel zur Gefahr werden – so sieht es das nivellierte Luftsicherheitsgesetz vor. Kern des Entwurfs des Bundesinnenministeriums ist nach WELT-Informationen der neue Paragraf 15a zur „Gefahrenabwehr gegen unbemannte Luftfahrzeuge“.

Gibt es Hinweise auf den militärischen Charakter der Drohnen und droht schwerer Schaden, kann die Polizei die Bundeswehr laut des Entwurfs des Luftsicherheitsgesetzes um Unterstützung bitten. Die Streitkräfte könnten im absoluten Ausnahmefall dann auch „unmittelbare Waffengewalt“ anwenden. Für diesen Einsatz der Bundeswehr braucht es laut Einschätzung der Juristen des Bundesinnenministeriums keine Grundgesetzänderung, sondern lediglich die Ergänzung des Luftsicherheitsgesetzes.

Die operative Koordinierung im Ernstfall dürfte entscheidend sein. Dabei wird das für Mitte Dezember geplante Drohnenabwehrzentrum eine zentrale Rolle spielen. Ähnlich wie beim Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum sollen hier bei einer Gefahrenlage alle Informationen zusammenlaufen – und schnelle Entscheidungen fallen. Über die Details beraten Dobrindt und seine Länderkollegen auf ihrer Innenministerkonferenz Anfang Dezember in Bremen.

Im Dezember startet die neue Spezialeinheit

Klar ist: Nicht jede Drohne ist gleich eine Bedrohung. Aber das Innenministerium will zukünftig für alle Fälle gewappnet sein – von der kleinen Baumarktdrohne bis hin zu militärischen Systemen. Um Objekte in „Baumwipfel-Höhe“ soll sich weiter die Polizei kümmern, das steht schon länger fest. Anfang Dezember startet die neue Drohnenabwehr-Einheit der Bundespolizei mit rund 130 zusätzlichen Polizeikräften in ihren Dienst. Diese Spezialeinheit wird besonders an zentralen Flughäfen und anderen sicherheitsrelevanten Orte zum Einsatz kommen. Im Gepäck: Jammer, Laser und eigene Abfangdrohnen.

Die Gefahrenlage rund um Drohnen bleibt indes weiter angespannt. Das Bundeskriminalamt (BKA) erhebt seit Januar 2025 Fallzahlen zu Drohnenüberflügen über den Standorten Kritischer Infrastruktur, militärischen Einrichtungen und Rüstungsunternehmen, die einen Bezug zur Politisch motivierten Kriminalität vermuten lassen. Bis Anfang November dieses Jahres „wurde dem BKA eine niedrige vierstellige Anzahl von Drohnenüberflügen bekannt“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

Besonders im Visier stehen auch Flughäfen im ganzen Land. Die Deutsche Flugsicherung meldete in ihrem aktuellen Report 144 Behinderungen durch Drohnen in ganz Deutschland bis August dieses Jahres. 75 Prozent davon ereigneten sich im Großraum eines Flughafens.

Oft fällt es den Behörden schwer, konkret nachzuweisen, wer die Drohnen über die kritische Infrastruktur des Landes steuert. Drohnen seien auch aufgrund ihrer zunehmenden Leistungsfähigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Verfügbarkeit „als geeignetes Tatmittel zur Ausspähung oder Durchführung von Sabotagehandlungen anzusehen“, heißt es lediglich vom Bundeskriminalamt.

Zur Herkunft der Flugobjekte über kritischen Infrastrukturen des Landes hatte sich Minister Dobrindt am Rande des WELT-Sicherheitsgipfels vergangene Woche allerdings durchaus konkret geäußert: „Wir haben Hinweise darauf, dass die Drohnensichtungen zum Teil von der russischen Schattenflotte ausgehen.“ Ausländische Mächte versuchten zunehmend, das Land mit neuen Technologien zu destabilisieren.

Korrespondent Philipp Woldin kümmert sich bei WELT vor allem um Themen der inneren Sicherheit und berichtet aus den Gerichtssälen der Republik. Im September ist im Verlag C.H. Beck sein Buch „Neue Deutsche Gewalt. Wie unsicher unser Land wirklich ist“ erschienen, das er gemeinsam mit WELT-Investigativreporter Alexander Dinger geschrieben hat.

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