In der Sendung von Caren Miosga sollen drei Gäste gleich die großen Fragen beantworten, die Deutschland umtreiben. Doch das ist in 60 Minuten einfach nicht zu machen.

Sieben Jahre Amtszeit, drei Gesetze ohne Parlament: Das sind Ferdinand von Schirachs Ideen für eine radikale Staatsreform. Am Sonntagabend sollen die Gäste von Caren Miosga die ganz großen Antworten liefern – und dieser Vorschlag von Schirach ist genau das.  

Denn die Sendung wirft die Frage auf: "Haben wir den Kompromiss verlernt?" Dafür hat sich Caren Miosga drei Gäste eingeladen: die Politikerin der Grünen, Ricarda Lang, den Schriftsteller und Juristen Ferdinand von Schirach und den stellvertretenden Chefredakteur der "Zeit", Martin Machowecz.

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Sie sollen diese Frage nach Kompromiss, Vertrauen und Empörungskultur irgendwie in einer Stunde beantworten. Kleiner geht es sonntagabends im Ersten nicht mehr. Spoiler: Sie werden es immerhin versuchen.  

Deutschland besteht nicht aus 80 Millionen Dachdeckern

Bei der Rente schafft Kanzler Merz gerade den Kompromiss mit seiner eigenen Parteijugend nicht. Lang sagt, man müsse über die Frage sprechen, wer eigentlich in die Rente einzahle. Und auch über das Renteneintrittsalter. "Habe ich gehört, Sie würden das Renteneintrittsalter erhöhen?", hakt Miosga direkt ein. "Nicht pauschal", sagt Lang. Viele Menschen, wie der in Diskussionen immer wieder beschworene Dachdecker, würden es schon heute kaum schaffen, bis zur Rente zu arbeiten. Ihr Punkt: Man müsse differenzieren, wer körperlich arbeitet und wer nicht. Aber: "Jetzt besteht das Land ja nicht aus 80 Millionen Dachdeckern."

"Zeit"-Vize Machowecz ordnet ein: "Wir haben ein Rentensystem, das nicht mehr finanzierbar ist." Kann der Streit um die Rente die Regierung von Union und SPD zerreißen? "Koalitionen sind schon an kleineren Dingen gescheitert." Hier zeigt sich, warum die Frage der Sendung zwar hochtrabend – aber tagespolitisch trotzdem wichtig ist. Ohne Kompromiss keine Regierung. Schade, dass das Thema so schnell abgehakt wird.

Ferdinand von Schirach gibt Geschichtsstunde

Als Miosga daraufhin Schirach fragt, ob die Politik das Kompromissemachen verlernt habe, packt der die Geschichtsstunde aus: Die Pharaonen hätten 3000 Jahre Ägypten beherrscht. Das römische Reich 1000 Jahre existiert, die Habsburger 650 Jahre regiert. Gut zu wissen, aber was ist der Punkt?

Unsere Demokratie sei gerade mal 80 Jahre alt – aber es sei kein Wunder, dass sie reformiert werden müsse. Denn: "Die Welt ist schneller geworden." Und er holt seine große Reformidee heraus. Kanzler-Amtszeit: 7 Jahre, 3 Gesetze am Parlament vorbei, alle Landtagswahlen am selben Tag.

Das ist ein großer Brocken, der inhaltlich in der Sendung erstmal stehen gelassen wird. Ricarda Lang sagt, die Parteien müssten sich verändern. Schirach geht sie an, das würde nicht funktionieren. "Toll, dass sie so tolle Ideen haben." Lang: "Sie haben ja auch tolle Ideen."

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Die Gäste hetzen bei "Caren Miosga" durch Themen

Radikal sind seine Ideen  allemal. Schirach warnt: Die großen Reformen, Rente, Klimaschutz, können nur mit einer Reform der Demokratie funktionieren. Kommt die nicht, "ist es demnächst zu Ende." Nicht nur wegen der AfD, sondern auch weil andere Länder Deutschland überholen würden.

Das ist die Überleitung für Miosga, zu der Rechtsaußen-Partei zu kommen. Nein, das seien keine Protestwähler mehr, sagt Machowecz. Man habe aber lange den offenen Diskurs tabuisiert, auch bei der Migrationsdebatte. Lang sagt, man müsse mehr Meinungen aushalten. Schirach spricht von überforderter Infrastruktur und wirft ihr vor, Armut als Asylgrund zu sehen. Tut sie nicht. Weiter geht’s.

Die Sendung ist schon fortgeschritten, aber die drei Diskutanten müssen noch beantworten, ob die AfD verboten werden soll, wie Politiker sich auf Social Media darstellen und welche Gefahr die Algorithmen der großen Tech-Konzerne birgt.

Lang ist für ein Verbotsverfahren, Schirach hält eine Geschichtsstunde. Machowecz wirft ein, was nach einem Verbot mit den Wählern wäre? Politiker auf Social Media? Manchmal peinlich, manchmal witzig. Erreicht aber die jungen Leute! Tech-Konzerne? Sehr gefährlich, sagt der Schriftsteller der Runde.

Dann fragt Miosga Machowecz: "Überlassen wir den Tech-Konzernen unsere Demokratie? Wir haben noch 35 Sekunden." Und genau daran krankt die Sendung. Die Fragen groß, die Gäste klug, aber die Diskussion oberflächlich.

Ob wir den Kompromiss verlernt haben, ob die AfD verboten werden soll, wie es mit der Rente, der Asylpolitik, Social Media und den Pharaonen aussieht, ist nicht in 60 Minuten zu beantworten. Die Sendung will viel, bleibt aber oftmals enttäuschend flach. Schade. 

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