Lars Klingbeil reist als erster Minister von Schwarz-Rot nach China. Der Parteichef-Finanzminister-Vizekanzler begibt sich auf schwieriges Terrain – auch für die Koalition.

Am Montagmorgen setzt Lars Klingbeil mit dem Regierungsflieger in Peking auf. Es ist ein Besuch, der nicht frei von Risiken ist – weder für die Koalition in Berlin, noch für Klingbeil selbst. 

Zweieinhalb Tage lang ist der Finanzminister und Vizekanzler auf China-Besuch. Der Trip ist zwar schon länger geplant: Offiziell reist Klingbeil mit Vertretern aus Wirtschaft und Finanzsektor zum vierten chinesisch-deutschen Finanzdialog, auch wird er als SPD-Chef Gespräche im Rahmen des seit 1984 bestehenden Parteiendialogs mit der Kommunistischen Partei (KP) führen. Trotzdem: Von einer Routinereise kann nicht die Rede sein.

Lars Klingbeil, der Problemlöser?

Die zunehmend angespannten Beziehungen zur Volksrepublik, die derzeit mit einer aggressiven Industriepolitik ihre Macht demonstriert, laden Klingbeils Besuch massiv mit Bedeutung auf. Gerade erst hat der deutsche Außenminister, Johann Wadephul, seinen geplanten Besuch in Peking nach einem diplomatischen Eklat verschoben. Damit ist nun Klingbeil das erste Kabinettsmitglied der schwarz-roten Koalition, das nach China reist und vor Ort die Lage sondiert. Noch vor Kanzler Friedrich Merz.

Das weckt Erwartungen – was Klingbeil nicht davon abhält, seine Agenda oder seinen Anspruch an die Reise zurückzuschrauben, im Gegenteil. Auch über Taiwan will er sprechen, über Russland und den Ukraine-Krieg, die Handelskonflikte. Zuletzt hatte Peking seltene Erden, die als Rohstoffe für die deutsche Industrie wichtig sind, als Druckmittel eingesetzt.

"Wir sollten nicht über China reden, sondern mit China reden", sagte der Parteichef-Vizekanzler-Finanzminister vor Abflug zur Deutschen Presse-Agentur. Viele Probleme auf der Welt ließen sich nur mit China zusammen lösen. Und er macht eine Ansage: "Ich erwarte auch, dass wir einige Dinge dann klären mit der chinesischen Seite." 

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Klingbeil, der Problemlöser? Eine Art Ersatz-Außenminister? Dieser Eindruck könnte entstehen und die Koalition in Berlin belasten. Schließlich lässt sich sein Antrittsbesuch kurz nach Verschiebung des China-Besuchs des pikierten Außenministers auch als Absatzbewegung vom Koalitionspartner auslegen. Nach der Devise: Hier die konfrontative Union, dort die konsensorientierte SPD. Jedenfalls keine Außenpolitik "aus einem Guss", wie sie Kanzler Merz bei Amtsantritt in Aussicht stellte.

Andererseits: Soll der Vizekanzler die Reise abblasen, sozusagen aus Solidarität – und damit eine handfeste Beziehungskrise mit Peking riskieren? Auch keine gute Idee. Zumal beim deutsch-chinesischen Finanzdialog wichtige Themen verhandelt werden: Es geht um gegenseitigen Marktzugang, um Finanzmarktregulierung. Die deutsche Industrie ist auf gute Drähte nach China angewiesen, in manchen Bereichen faktisch abhängig davon. Ein Finanzminister, der diese Kanäle leichtfertig kappen würde, würde wichtige Wirtschaftsinteressen aufs Spiel setzen. 

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Drahtseilakt für den Vizekanzler

Diese komplizierte Gemengelage macht den China-Besuch zu einem diplomatischen Drahtseilakt für Klingbeil, ebenso zu einer Bewährungsprobe auf weltpolitischer Großbühne. Mit jedem Großkonflikt, den Klingbeil adressieren will, schürt er Erwartungen und einen gewissen Erfolgsdruck, konkrete Fortschritte erzielen zu können.

Stichwort: Taiwan. "Wir gucken sehr genau, was dort passiert", sagt Klingbeil. Seltene Erden: Deutschland könne es "nicht akzeptieren, wenn ein Partner den Vorteil, den er hat, dort ausnutzt". Ukraine-Krieg: "Das Signal werde ich auch noch mal geben dort", kündigt der Vizekanzler an, "dass wir eine starke chinesische Rolle sehen" und man sich wünsche, "dass der Druck auf Russland hochgefahren wird".

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Dabei ist fraglich, was Klingbeil konkret erreichen kann, offener und kritischer Dialog hin oder her. China schreckt derzeit nicht davor zurück, die Muskeln spielen zu lassen, zu zeigen, dass es mächtig und auch willig ist, die eigenen Trümpfe auszuspielen. Erst kürzlich führte Peking den USA und Europa schmerzlich vor Augen, wie abhängig man vom chinesischen Export von seltenen Erden ist. Plötzlich hatte auch Volkswagen in Deutschland massive Lieferprobleme. 

Klingbeil sieht es so: China wolle eine Zusammenarbeit mit Deutschland und schätze es, "wenn man politisch auch Klartext redet an verschiedenen Stellen" und "Differenzen nicht versucht zu kaschieren". Anders ausgedrückt: Ein Thema nicht anzusprechen, ist auch eine Botschaft. Als erstes schwarz-rotes Kabinettsmitglied in China steht Klingbeil damit gewissermaßen in der Pflicht, die Position der Regierung in zentralen Fragen deutlich zu machen. 

"Sehr eng abgestimmt" 

"Die Reise ist lange im Voraus geplant und war auch von Anfang an sehr eng mit dem Bundeskanzleramt und dem Außenamt abgestimmt", wird in Regierungskreisen betont. Der Finanzdialog sei explizit Teil der China-Strategie der Bundesregierung. Man wolle weiterhin mit China dort kooperieren, wo es möglich ist, fair und partnerschaftlich. "Dabei ist auch klar: Wir sind nicht naiv sondern wir zeigen klare Haltung und vertreten selbstbewusst und transparent unsere Interessen."

Ob der Antrittsbesuch ein Erfolg wird, entscheidet sich daher nicht nur in China. 

Schert Klingbeil in Peking aus, oder der Koalitionspartner in Berlin, könnte das Bild einer Regierung entstehen, die Paralleldiplomatie betreibt und unterschiedliche Ansätze in der China-Politik verfolgt. Peking könnte etwaigen Widerspruch in der Regierung absichtsvoll nutzen und versuchen, einen Keil in die Koalition zu treiben.

Und den kann Schwarz-Rot gerade sicher nicht gebrauchen.

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