Jetzt stellt Spahn etwas zum „unmittelbaren Einsatz deutscher Soldaten“ klar
Die Führung der Union im Bundestag hat im Zuge der Verhandlungen über ein Ende des Kriegs in der Ukraine internationale Vereinbarungen für eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur zum Ziel erklärt, die weit über Garantien für das von Russland angegriffene Land hinausgehen sollen. „Bei einem möglichen Friedensabkommen geht es nicht ,nur‘ um die Ukraine, sondern um die künftige Sicherheitsordnung in Europa“, schreibt der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn (CDU), an die eigenen Abgeordneten.
Eine solche gesamteuropäische Sicherheitsordnung werde „im Wesentlichen von den Europäern getragen werden, mit Unterstützung durch und in Abstimmung mit den USA“, erklärte Spahn in der Mitteilung, die WELT vorliegt. „Dabei wird die Nato eine große Rolle spielen. Selbstverständlich wird auch Deutschland eingebettet in multilaterale Absprachen eine wichtige, verlässliche Rolle einnehmen“, stellt der Fraktionschef in Aussicht.
Die Details zu Sicherheitsgarantien der westlichen Verbündeten für die Ukraine sowie für eine europäische Friedensarchitektur sind derzeit Gegenstand von Verhandlungen. Dabei geht es auch um den konkreten Beitrag Deutschlands zu besagten Garantien. Ein Einsatz deutscher Soldaten zum Schutz einer sogenannten Kontaktlinie – also einer möglichen Grenze zwischen der Ukraine und möglicherweise russisch kontrollierten Gebieten – stehe derzeit in diesem Zusammenhang allerdings nicht zur Debatte, stellt der Unionsfraktionschef klar.
„Die aktuell medial vorangetriebene Frage, ob Sicherheitsgarantien den unmittelbaren Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine bedeuten würden, stellt sich so verkürzt nicht, schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt“, schreibt Spahn. Und weiter: „Es sind zudem viele andere Szenarien für einen deutschen Beitrag zu den notwendigen Sicherheitsgarantien denkbar und sinnvoller. Daher sollten wir uns an solchen öffentlichen Spekulationen nicht beteiligen.“
Das tun die Abgeordneten der Union aber derzeit – unter ihnen herrschen zu einem Beitrag Deutschlands, der dem Schutz und einer Stabilisierung der Ukraine nach einem Friedensschluss dient, unterschiedliche Ansichten: Sie reichen von einer klaren Ablehnung des Einsatzes der Bundeswehr in der Ukraine bis hin zum Votum, sich diese Option ausdrücklich vorzubehalten.
Für einen umfassenden Ansatz einer europäischen Friedensarchitektur hatte etwa der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), plädiert. Der Experte für Außen- und Verteidigungspolitik sagte WELT, es stelle sich die Frage „einer europäischen Sicherheitsordnung. Diese muss ein Ziel haben: Schutz für den Fall weiterer Aggressionen Russlands.“
Was für den Kanzler „völlig klar“ ist
In einer Analyse des Bundeskanzleramts zum jüngsten Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit US-Präsident Donald Trump in Washington unter Beteiligung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) heißt es: Für künftige Sicherheitsgarantien mit Blick auf die Ukraine sei entscheidend, welchen Beitrag die Vereinigten Staaten bereit seien zu leisten. „Gemeinsames Verständnis ist, dass Sicherheitsgarantien umfassend ausgestaltet werden müssen. Unter anderem müssen sie eine dauerhafte Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte umfassen“, steht in dem Hintergrundpapier, das WELT vorliegt.
Dass sich Deutschland – wie die anderen europäischen Partner – einbringen werde, „ist völlig klar“, stellt das Kanzleramt fest. „Wie genau Deutschlands Engagement aussehen könnte, wird sich erst beantworten lassen, wenn die Rahmenbedingungen und weiteren Zeitlinien klar sind“, lautet das Fazit. Die Bundesregierung stehe „für unsere gemeinsamen europäischen Sicherheitsinteressen ein. Deshalb unterstützen wir die Ukraine gegen einen verbrecherischen russischen Revisionismus, der auch uns bedroht.“ Ziel müsse es sein, dass „die Waffen schnellstmöglich schweigen, am besten sofort. Aber nicht um jeden Preis: die Freiheit und die politische Souveränität der Ukraine sind unbezahlbar“, legt das Kanzleramt die grundlegende Linie fest.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte (CDU), warnt derweil vor einer Überforderung der Bundeswehr durch einen möglichen Einsatz zur Friedenssicherung in der Ukraine. „Eines darf nicht sein: Immer mehr Aufträge anzunehmen und den Personalkörper nicht zu stärken“, sagte Otte im Deutschlandfunk. Sollte sich Deutschland mit einer Brigade von etwa 5000 Soldaten an Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen, wäre das eine „Riesenherausforderung für die Bundeswehr“.
Kanzler Merz will die Bundeswehr angesichts der russischen Bedrohung zur stärksten konventionellen Armee der Europäischen Union formen. Der nötige Personalbedarf liegt nach einer ersten Grobschätzung des Verteidigungsministeriums bei künftig rund 460.000 Soldaten – 260.000 aktive Kräfte und 200.000 Reservisten. Aktuell fehlen rund 90.000 aktive Soldaten und rund 150.000 Reservisten.
Beim Koalitionspartner SPD gibt es durchaus Offenheit dafür, der Ukraine umfassende Sicherheitsgarantien zu gewähren; einzelne Abgeordnete hatten dabei einen Einsatz der Bundeswehr nicht ausgeschlossen. Nun aber bremst der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese: Man solle sich davor hüten, den „dritten oder vierten Schritt“ vor den ersten zu tun, sagte er am Mittwoch. Bevor über konkrete deutsche Beiträge für Sicherheitsgarantien gesprochen werden könne, sollte man abwarten, ob überhaupt ernst zu nehmende Verhandlungsbereitschaft Russlands bestehe. Er verwies auch auf die Wankelmütigkeit von US-Präsident Trump.
Nikolaus Doll berichtet über die Unionsparteien und die Bundesländer im Osten.
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