MDR AKTUELL: Fangen wir mal vorne an: Wäre die Bundeswehr technische wie personell überhaupt in der Lage, zu einer Friedenstruppe beizutragen?

Domröse: Selbstverständlich. Wir haben 180.000 Soldaten, davon ist nicht jeder einsatzbereit. Aber unabhängig von der Größe muss jede Truppe immer einsatzbereit sein. Das ist doch so wie mit Krankenhäusern, die haben auch nie alle Ärzte oder alle Pfleger – ebenso bei der Polizei oder Bahn. Die müssen einfach arbeiten und das kann die Bundeswehr. Meine alte Division, die Division schnelle Kräfte ist jederzeit einsatzbereit.

Es ist eine Frage der Größenordnung und ob man das will. Aber zu sagen, wir haben gar nichts, ist falsch. Es ist auch nicht nur Deutschland alleine, sondern wir reden von Europa.

Es gibt bereit zahlreiche internationale Einsätze für die Bundeswehr – nicht nur im Rahmen der Vereinten Nationen, sondern auch im Rahmen von Koalitionen. Welches politische Mandat bräuchte aber so ein Bundeswehreinsatz außerhalb jeglichen Bündnisgebietes – also in der Ukraine?

Das weißt ich nicht genau, aber das ist zumindest ein EU-Anwärter. Es ist in Europa und da lässt sich sicherlich was machen, auch über den Paragraph 47 in den EU-Richtlinien. Das ist nicht das Hauptproblem. Ich glaube, hier verwechseln einige in der Diskussion diese Frage der Stationierung.

Ich sehe das ganz anders mit den Sicherheitsgarantien. Denn diese Sicherheitsgarantien werden ja nur dann ausgelöst, wenn Russland nach einem Friedensschluss erneut angreifen würde. Ich rede ja nicht von Stationierung im Land, sondern von Bereithalten von einer schlagkräftigen Truppe, um dann einzuschreiten, wenn Russland nach Friedensschluss erneut angreifen sollte. So weit sind wir noch lange nicht.

Und bräuchte es dafür vorab tatsächlich ein umfassendes politisches Mandat?

Der Saceur (Anm. d. Red.: Die Abkürzung steht für Supreme Allied Commander Europe, zu deutsch der Alliierte Oberkommandierender in Europa. Saceur ist die Bezeichnung für den Nato-Oberbefehlshaber in Europa) beispielsweise hat ein umfassendes Mandat von den Staats- und Regierungschefs bekommen. Er kann etliche Truppen verschieben, nach vorne, nach Osten. Ob das nun die Ukraine umfasst, das kann ich von hier aus nicht genau sagen. Das werden die Juristen und die Parlamente prüfen.

Aber nochmal: Ich rede nicht von Stationierung nach Friedenschluss in der Ukraine. Das müssen die Ukrainer selbst machen und wir müssen sie stärken. Ich rede davon, wenn der Frieden erneut gebrochen wird und Russland das dritte Mal angreifen würde, dann käme es zum Auslösen dieser Sicherheitskräfte.

Das hieße aber doch, dass wir uns potenziell darauf vorbereiten, dass man westliche Verteidigungsinfrastruktur nach Osten verschiebt – vor dem Hintergrund, dass wir ja wissen, dass ein Wladimir Putin so etwas nicht dulden würde.

Natürlich wird er das nicht dulden, aber er greift an. Sollen wir denn ewig dulden, dass er angreift und sich einfach nimmt, was er haben will? Nein, so geht es nicht.

Russland ist ganz offensichtlich der Aggressor: 2008 Georgien, 2014 die Krim, 2022 der große Angriff im Donbass und der gesamten Ukraine. Es geht also hier nicht um die Verschiebung nach Osten, sondern es geht um die Verteidigung Europas und auch um die Hilfe der Ukraine – für den Fall, dass ein Friedensschluss da ist und der wieder gebrochen wird.

Bestünde nicht die Gefahr, dass wir da – wenn die Bundeswehr Teil einer Friedenstruppe wird – auch in etwas hineinstolpern, aus dem wir nicht wieder rauskommen?

Natürlich muss man eines Tages überlegen, wie man da wieder rauskommt, das ist doch völlig klar. Aber ich rede ja eindeutig von Verteidigung nach einem dritten Angriff durch Russland und derzeit ist überhaupt kein Frieden in Sicht. Insofern ist das eine Scheindebatte und ich finde, das brauchen wir nicht zu vertiefen.

Was ist eigentlich mit der Vergangenheit? Deutsche Soldaten haben in der Ukraine im Zweiten Weltkrieg vor 80 Jahren gewütet, das Land schwerst misshandelt. Muss man das heute bei diesem Konflikt noch mitbedenken?

Genau deswegen müssen wir heute unseren Schutz anbieten. Die Russen wüten doch heute so wie die Nazis damals in der Ukraine. Sie entführen Kinder, sie vergewaltigen Frauen, sie morden und zerstören alles Mögliche. Das ist reinster Terrorismus seit fast vier Jahren, fast eine Million Tote und Verwundete.

Wenn es jetzt zum Friedensschluss kommt – das wäre nur wünschenswert und begrüßenswert – dann ist erstmal Frieden. Aber wenn dann Russland wieder angreifen sollte, dann müssen wir doch zu Hilfe kommen, genau aus diesem Grund.

MDR AKTUELL (rnm)

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