Dem Auswärtigen Amt droht ein Zwangsgeld, wenn es keine konkreten Schritte unternimmt, um Afghanen mit einer Aufnahmezusage für Deutschland Visa zu erteilen. Das geht nach Informationen von WELT aus einem Schriftsatz des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin hervor. Das VG hatte zuletzt insgesamt 20 ähnlich gelagerte Eilbeschlüsse erlassen, nach denen Afghanen, denen Deutschland im Rahmen des sogenannten Bundesaufnahmeprogramms eine Einreise zugesagt hat, Visa auszustellen sind.

Die Bundesrepublik sei „durch bestandskräftige, nicht widerrufene Aufnahmezusagen rechtlich gebunden“, hieß es zur Begründung. Geklagt hatte unter anderem eine Juradozentin, die mit 13 Familienangehörigen in Pakistan auf Visa wartet. In einigen Fällen hatte das Auswärtige Amt zunächst beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg Beschwerde eingelegt. In mindestens einem Fall wies das OVG jetzt einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses zurück.

Das VG Berlin forderte das Auswärtige Amt daraufhin auf, bis Mittwoch, 14 Uhr, darzulegen, „welche Schritte zur Visumserteilung unternommen werden bzw. wurden“. Andernfalls drohe ein Zwangsgeld. Das Auswärtige Amt ließ eine Anfrage von WELT zu dem Vorgang in der gesetzten Frist unbeantwortet. Eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts bestätigte WELT den Vorgang. Man warte die Antwort des AA ab. Danach werde die Kammer einen Beschluss fassen.

Das im Oktober 2022 gestartete Aufnahmeprogramm der Bundesregierung sollte besonders gefährdeten Afghanen sowie ihren Familienangehörigen eine Aufnahme in Deutschland in Aussicht stellen. Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte das Programm im Frühjahr gestoppt.

In Pakistan halten sich jedoch weiterhin mehr als 2000 Afghanen auf, die im Rahmen des Programms und weiterer Initiativen nach Deutschland gelangen wollen. Die pakistanischen Behörden intensivierten zuletzt ihre Bemühungen, die Afghanen, deren Visa für Pakistan reihenweise abgelaufen sind, aus dem Land abzuschieben.

WELT berichtete vergangene Woche, dass pakistanische Sicherheitskräfte zahlreiche Herbergen, teils auch Unterkünfte internationaler Hotelketten, durchsuchten und rund 400 Afghanen ohne Visum festnahmen. Mehrfach hatte die pakistanische Regierung Berlin zuvor über einen Zeitraum von Monaten aufgefordert, die Aufnahmeprogramme endlich zu beenden; anderenfalls werde man, so die Ankündigung, Afghanen abschieben, deren Visa aufgrund der Tatenlosigkeit der Bundesregierung abgelaufen sind.

Auf Bitten Berlins war die Frist auf Ende Juni verlängert worden, aber wieder passierte von deutscher Seite nichts. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte angekündigt, sich an bestehende Aufnahmezusagen für in Pakistan befindliche Personen halten zu wollen – sofern diese rechtlich bindend sind. Seit vier Monaten wurden allerdings keine Afghanen aus den Aufnahmeprogrammen mehr aus Islamabad nach Deutschland gelassen – mutmaßlich nicht zuletzt deswegen, weil in den Monaten zuvor jeder Aufnahmeflug Aufregung und teils auch scharfe Kritik ausgelöst hatte. Nun könnten Gerichte das Auswärtige Amt zum Handeln zwingen.

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