Das steckt wirklich hinter dem Steuerstreit von Union und SPD
Die Wortwahl des CDU-Generalsekretärs hat es in sich: "Die Menschen schütteln doch nur noch mit dem Kopf, wenn wir nach den Wahnsinnsschulden jetzt auch noch mit Steuererhöhungen um die Ecke kommen", sagt Carsten Linnemann dem stern. Das werde es mit der Union nicht geben. Der Generalsekretär setzt dem Koalitionspartner SPD damit ein Stoppschild in der Steuerdebatte.
Dahinter steckt ein Grundsatzstreit aus den Koalitionsgesprächen, der die Gespräche fast zum Abbruch geführt hätte. Jetzt bricht er wieder auf.
SPD und Union streiten über Sinn von Steuern
Ausgelöst haben ihn Aussagen von Finanzminister und SPD-Parteichef Lars Klingbeil. "Da wird keine Option vom Tisch genommen", hatte Lars Klingbeil am Sonntag im ZDF-Interview betont und wollte höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende explizit nicht ausschließen, um damit Lücken im Haushalt zu füllen.
Zwar hatte der SPD-Chef und Finanzminister nur auf eine entsprechende Frage geantwortet, selbst keinen konkreten Vorschlag gemacht. Doch die Einlassung reichte aus, um harten Widerspruch des Koalitionspartners zu provozieren. Zumal nun andere SPD-Politiker nachziehen: "Steuererhöhungen bei den Reichsten pauschal abzulehnen, bedeutet, die vereinbarten Entlastungen für Millionen von Menschen und den dringend notwendigen Wachstumsimpuls zu gefährden", sagte etwa SPD-Vizefraktionschefin Wiebke Esdar.
CDU-Generalsekretär Linnemann antwortet deutlich: "Wir müssen den Hunger des Staates nach höheren Steuern begrenzen, vielmehr müssen Prioritäten gesetzt werden." Dazu zählt Linnemann Reformen in den sozialen Sicherungssystemen und beim Bürgergeld. "Immer höhere Steuern treffen gerade unseren Mittelstand und das Handwerk", sagte Linnemann. "Die können in diesen Zeiten alles gebrauchen, nur keine höheren Belastungen.“ Auch Fraktionschef Jens Spahn und Kanzleramtsminister Thorsten Frei hatten sich zuvor zurückhaltender, aber ebenfalls ablehnend geäußert.

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In der CDU gibt es ein grundsätzliches Unbehagen gegen Steuererhöhungen, insbesondere, seit sich die Bundesregierung durch neue, sehr hohe Verschuldungsmöglichkeiten viel Geld für Investitionen gesichert hat. Diese Haltung geht so: "Die Bundesregierung hat mit den Sondervermögen den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht." So formuliert es Manuel Hagel, der einflussreiche Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat der CDU in Baden-Württemberg. "Jetzt ist es an der Zeit, den ersten nachzuholen: Reformen, Einsparungen, Staatsmodernisierung."
Hagel appelliert an den Koalitionspartner im Bund: "Ich hoffe auf die Vernünftigen in der SPD, die sich fragen, wie wir Arbeitsplätze in Deutschland sichern und neue schaffen können – und zugleich auch hinterfragen, warum ihre Partei im einst roten Ruhrgebiet immer mehr Wahlkreise an die AfD verliert." Es gebe die Chance auf "neue wirtschaftliche Dynamik", sagt Hagel. "Das darf man nicht abwürgen mit immer neuen Steuererhöhungsdiskussionen und dem Draufhauen auf unsere Wirtschaft und die arbeitende Mitte."
Die Steuerpolitik ist gewissermaßen der Urkonflikt von Schwarz-Rot. Schon während der Koalitionsverhandlungen gehörte die Finanz- und Steuerpolitik zu den größten Streitpunkten. Die Regierungsbildung wäre daran, kurz vor Ende der Verhandlungen, fast noch gescheitert. Warum wird das Konfliktthema jetzt schon wieder aufgemacht?
In der SPD sieht man es so: Die Bundesregierung steht trotz der Neuverschuldung vor massiven Haushaltsproblemen, im Etat für 2027 muss ein Loch von knapp 30 Milliarden Euro gestopft werden. Finanzminister Klingbeil schwebt daher ein Gesamtpaket vor, um die fehlenden Milliarden zu kompensieren: durch Einsparungen und Mehreinnahmen. Beide Seiten, so die Haltung, müssten dann schmerzhafte Zugeständnisse machen.
Einen Einblick in sein Denken gibt der Finanzminister in seinem ZDF-Interview: Dort hatte Lars Klingbeil zu einer älteren Ansage von CSU-Chef Markus Söder, dass es höhere Steuern nicht geben werde, gesagt: „Auch Herr Söder hat ja nun mit einigen Vorhaben, die ihm wichtig sind, dazu beigetragen, dass eine Lücke im Haushalt größer wird.“ Gemeint war etwa die vorzeitige Erhöhung der Mütterrente. Jetzt gehe es darum, sagte Klingbeil, sich kollegial an einen Tisch zu setzen und die jeweiligen Vorschläge abzugleichen, um die Haushaltslücke zu verkleinern.
Schon in früheren Großen Koalitionen hatte das Thema Steuern für Streit gesorgt. Ein Kompromiss war dann oft, über die Gesamtbelastung zu sprechen: Wenn man also die Steuern für Unternehmen und den Mittelstand senkt, könnte man Reiche mehr besteuern, weil es insgesamt zu keinem höheren Steuer-Aufkommen käme. Beim Schließen der Haushaltslöcher würde das aber kaum helfen.

Große Koalition Steuererhöhungen? Union lehnt Klingbeil-Vorstoß rigoros ab
In eine solche Richtung geht etwa der Vorschlag, den SPD-Fraktionsmanager Dirk Wiese zuletzt im stern machte. Seine Idee: Der Spitzensteuersatz könnte später greifen, dafür würden sehr hohe Einkommen beim Einkommenssteuertarif stärker belastet. Das würde vor allem Facharbeiter entlasten, sagte Wiese. Zuvor hatte auch SPD-Fraktionsvize Wiebke Esdar eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und höhere Beiträge für „Superreiche“ ins Spiel gebracht, um etwa die verabredete Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen – ein wichtiger Punkt für die Union – gegenfinanzieren zu können.
Der Streit ist auch ein Vorgeschmack auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen im Parlament. Ab Anfang September, wenn die Sommerpause endet, dürften die unterschiedlichen Ansichten von Union und SPD umso heftiger aufeinanderprallen. Für viele in der CDU käme eine Erhöhung von Steuern nach dem Schuldenpaket einem weiteren Verrat an einstigen Grundsätzen gleich.

Interview mit Dirk Wiese SPD-Fraktionsmanager beharrt auf Reform der Einkommenssteuer
Ein hochrangiger CDU-Mann kündigt vorsorglich Widerstand an: "Wenn der Bundeskanzler auch das noch mit der SPD vereinbaren sollte, dann entgleitet ihm die Fraktion", sagt er. "Das machen wir nicht mit."
Zumindest in den Koalitionsverhandlungen soll Friedrich Merz in dieser Frage nach stern-Informationen eisenhart geblieben sein. Als die SPD kurz vor Ende der Verhandlungen mit der Idee von Steuererhöhungen um die Ecke kam, soll er mit Abbruch gedroht haben.
Die entscheidende Frage ist, ob der Bundeskanzler Merz sich das leisten kann.
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