„Gibt keine Abstufung des Lebensrechts“ – Erzbischof legt gegen Brosius-Gersdorf nach
In der Debatte um die Kandidatur der Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht hat sich die katholische Kirche klar positioniert. Erzbischof Herwig Gössl vom Erzbistum Bamberg kritisierte in einer Predigt Brosius-Gersdorfs Haltung zur Abtreibung und sprach von einem „innenpolitischen Skandal“. Im Interview mit WELT TV erklärt Gössl seine Position und nimmt Stellung zu den Vorwürfen aus der Politik. Dabei betont er, dass es ihm nicht um persönliche Angriffe gehe – sondern um den Schutz des Lebens.
WELT: Sie haben die Haltung von Frauke Brosius-Gersdorf zur Abtreibung einen „innenpolitischen Skandal“ genannt. Warum?
Herwig Gössl: Um genau zu sein, habe ich den ganzen Vorgang als innenpolitischen Skandal bezeichnet, der um diese Berufung der neuen Verfassungsrichterin entstanden ist. Es ist klar, dass die inhaltliche Position der katholischen Kirche zu der von Frau Brosius-Gersdorf in völliger konträrer Position steht. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ich eine andere Meinung vertrete. In der Predigt ging es aber nicht um die Verfassungsrichterin, sondern um ein theologisches Thema. Und das war dann eigentlich nur ein Beispiel, das da eingeflossen ist.
WELT: Im Wesentlichen geht es aber schon um die Frage des Schwangerschaftsabbruchs. Brosius-Gersdorf sagt in einer öffentlichen Erklärung, es sei verunglimpfend zu behaupten, dass sie sich etwa für Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur Geburt ausgesprochen habe. Wie sehen Sie das?
Gössl: Das Problem ist, dass in dem von Frau Brosius-Gersdorf vertretenen Konzept ein gestuftes Konzept des Lebensrechts der Ungeborenen angelegt ist, das dann auch auf die geborenen Kinder bezogen werden kann. Und das widerspricht vollkommen der Position, die wir als katholische Kirche haben, die aber auch viele andere Gruppierungen haben, die sich für den Lebensschutz einsetzen. Insofern sehe ich da auch wenig Kompromissmöglichkeiten. Natürlich bin ich auch dafür, dass man sich darüber austauscht und im Gespräch bleibt. Diese Gespräche haben aber auch schon stattgefunden im Zusammenhang mit dem Versuch, den Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Insofern ist das ja schon ein längerer Prozess, der da gelaufen ist.
WELT: Frauke Brosius-Gersdorf geht es darum, dass man unterscheidet. Dass dem Embryo das Grundrecht auf Leben zusteht, aber nicht die gleiche Menschenwürde wie dem geborenen Menschen. Und trotzdem bleibt sie dabei, dass es strafbar sein sollte, wenn man nach dem dritten oder vierten Monat abtreibt. Mit dieser Differenzierung sind Sie aber trotzdem nicht einverstanden?
Gössl: Nein, es gibt keine Abstufung des Lebensrechts innerhalb der vorgeburtlichen Phase. Das ist unsere Position, an der wir festhalten, weil es auch ziemlich willkürlich ist, da einen Termin festzusetzen. Frau Brosius-Gersdorf schreibt ja in ihren Ausführungen, dass es um das selbstbestimmte Leben oder das selbstständige Leben des Kindes geht. Aber das verändert sich ja mit jedem Jahr des medizinischen Fortschritts. Das ist in den Ländern mit weniger medizinischem Fortschritt anders als in Ländern mit höherem medizinischem Fortschritt. Das ist keine Grundlage für eine Entscheidung über das Lebensrecht eines Menschen.
WELT: Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, wirft Ihnen und anderen Kardinalen und Bischöfen jetzt unchristliche Hetze in dieser Debatte vor. Was erwidern Sie ihm?
Gössl: Es geht mir und den anderen sicher nicht darum, in irgendeiner Weise zu hetzen, schon gar nicht gegen eine Person. Das möchte ich noch mal betonen. Es ging mir in meiner Predigt darum zu betonen, dass die Verantwortung vor Gott wichtig ist, auch für solche Entscheidungen des Alltags. Und da haben wir sicherlich eine andere Position als andere. Über diese Positionen müssen wir reden, müssen wir streiten, haben wir schon getan und werden wir auch weiter tun. Aber um eine Diffamierung von Frau Brosius-Gersdorf ist es mir nie gegangen. Ich habe ihren Namen nicht genannt. Ich habe nur den allgemeinen Skandal angesprochen, der ja nun nicht von mir erfunden wurde, sondern der sich in der letzten Woche im Bundestag und in der Medienberichterstattung so gezeigt hat.
WELT: Dennoch scheint die SPD entschlossen, an der Kandidatin festzuhalten. Es gibt hier also einen Konflikt zwischen der SPD und der Kirche. Also wie wollen Sie darauf reagieren?
Gössl: Wir haben als Kirche natürlich eine Meinung zu solchen Fragen des Lebensschutzes, des Lebensrechts. Und werden die auch offen sagen. Nicht um Menschen zu diffamieren, das liegt mir fern, aber um den Lebensschutz zu betonen. Und da ist wichtig, dass man im Gespräch miteinander bleibt, auch wenn das Gespräch konfrontativ ist und es um ein Ringen geht.
WELT: Sollte Frauke Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zurückziehen?
Gössl: Das wäre mir natürlich am liebsten. Aber wie zuvor erwähnt, geht es nicht allein um diese Person, sondern um die Haltung, die dahintersteht – dass das Lebensrecht ungeborener Menschen auch wirklich in gleicher Weise Berücksichtigung findet. Natürlich neben dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung. Das sind zwei Rechte, die im Konflikt miteinander stehen. Und wir haben bei uns im Land eine mühsam errungene Lösung für diesen Konflikt. Und für diese Lösung bin ich dankbar, auch wenn sie nicht zu 100 Prozent der kirchlichen Position entspricht. Aber ich möchte nicht, dass das auf einer Seite, also sprich der Seite des Lebensrechtes, angekratzt wird. Und dafür kämpfe ich, dafür setze ich mich einfach ein.
Dieses Transkript des Interviews bei WELT TV entstand mithilfe Künstlicher Intelligenz. Für bessere Lesbarkeit wurde das gesprochene Wort leicht redaktionell bearbeitet und gekürzt.
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