Rentenpolitik von Schwarz-Rot? „Alle drei Parteien sind ehrlicherweise ein Problem“
Johannes Winkel, 33, ist CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Jungen Union.
POLITICO: Herr Winkel, wer ist bei der Rentenpolitik das größere Problem – die SPD oder die CSU?
Johannes Winkel: Na ja, ehrlicherweise sind alle Parteien der letzten 20 Jahre, alle Bundesregierungen ein Problem, weil wir einen riesigen Strukturstau haben in Deutschland, den Strukturstau nicht aufgelöst haben. Und ab den 20er-, 30er-Jahren wird es in den Finanzen richtig eng.
POLITICO: Jetzt haben Sie gesagt, „alle Bundesregierungen“. Ich meine aber jetzt diese Bundesregierung. Also wer ist das größere Problem, SPD oder CSU?
Winkel: Sagen wir mal so, ich glaube, alle drei Parteien haben im Koalitionsvertrag Reformen bei den Sozialversicherungen nicht vernünftig angegangen. Und deswegen sind alle drei Parteien ehrlicherweise ein Problem. Und deswegen ist jetzt die gemeinsame Aufgabe, das in den nächsten Jahren auch zu lösen.
POLITICO: Jetzt würde die CSU sagen: Stimmt gar nicht, Herr Winkel, wir haben eine super Reform vorgeschlagen, nämlich die Vollendung der Mütterrente. Was sagen Sie dann?
Winkel: Die Mütterrente ist auch eine Rentenreform, nur leider eine zulasten der jungen Generation und nicht zugunsten der jungen Generation. Und als jemand, der für soziale Gerechtigkeit, aber natürlich insbesondere für die Interessen der Jungen in Deutschland streitet, da würde ich doch sagen, muss man die Lasten, die Deutschland betrifft, fair auf alle Generationen verteilen. Und deswegen würde ich sagen: Mütterrente – keine gute Idee.
POLITICO: Klipp und klar eine Mahnung, die Mütterrente nicht umzusetzen. So weit gehen Sie?
Winkel: Ich würde sagen, der Koalitionsvertrag insgesamt steht ja unter Finanzierungsvorbehalt. Wie sollte es auch anders sein? Gerade in einer wirtschaftlich unsicheren Lage. Und wenn die Finanzen nicht ausreichen, dann muss man die sinnvollen von den weniger sinnvollen Dingen priorisieren. Und da würde ich sagen, ist die Mütterrente nicht unter den Top drei der sinnvollen Dinge des Koalitionsvertrags.
POLITICO: Und ist das jetzt so JU-Vorsitzender-Folklore, oder sammeln Sie da auch ein paar Truppen um sich herum, damit das auch passiert?
Winkel: Folklore kann ja jeder. Am Ende des Tages ist es ja wichtig, dass man auch im parlamentarischen Verfahren da Dinge entsprechend priorisiert. Und deswegen sind wir, glaube ich, auch unter den jungen Abgeordneten sehr daran interessiert, dass man das fair für die junge Generation gestaltet.
POLITICO: Sind Sie eigentlich dafür, dass man länger arbeitet? Rente mit 70 zum Beispiel? Das hat es in der CDU ja auch nicht ins Wahlprogramm geschafft.
Winkel: Hat es nicht ins Wahlprogramm geschafft – komischerweise aber ins Grundsatzprogramm (der CDU, d. Red.). Also das ist ein Dissens, der nicht ganz logisch ist, ehrlich gesagt. Da waren wir nicht mutig genug. Aber die Politik generell ist nicht mutig genug in Deutschland. Politik hat Angst vor der Boomer-Generation. Ich glaube aber, es ist unberechtigt, weil: Wenn die Leute, gerade die ältere Generation, die Partei wählen würden, die die größten Rentengeschenke macht, dann hätte die SPD ja die absolute Mehrheit.
POLITICO: Der Oberboomer Deutschlands ist ja Friedrich Merz. Haben Sie Angst vor dem?
Winkel: Nö, keine Angst vor Friedrich Merz. Warum auch? Aber ich würde auch nicht sagen, dass Friedrich Merz der Oberboomer ist, sondern derjenige Bundeskanzler, der in seiner Regierungserklärung die junge Generation angesprochen hat wie kaum ein Bundeskanzler zuvor und gesagt hat, wir brauchen einen neuen Generationenvertrag – Zustimmung.
POLITICO: „Oberboomer“ tatsächlich im Sinne des Mächtigsten. Würden Sie ihm raten, noch mal Rente mit 70 anzuschubsen?
Winkel: Ich würde ihm raten, dass wir gemeinsam mit der SPD eine große, vernünftige Rentenreform hinbekommen, und das ist die Aufgabe.
Gordon Repinski ist Executive Editor POLITICO Deutschland.
Das Interview stammt aus dem „Berlin Playbook“-Podcast. Das „Berlin Playbook“ finden Sie hier.
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