„Eine Partei wird nicht demokratisch, indem sie demokratisch gewählt ist“
SPD-Politiker Georg Maier, 58, ist Innenminister in Thüringen. Dort regiert Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) gemeinsam mit Sozialdemokraten und BSW. Maier ist Landesvorsitzender seiner Partei.
POLITICO: Herr Maier, was ist die Konsequenz aus dem Anstieg der Gefahr von Rechts?
Georg Maier: Na ja, da gibt es viele Konsequenzen, die daraus resultieren können. Wir haben es mit ganz extremen Gruppen zu tun, die zur Gewalt greifen. Das ist leider so. Da sind uns zwar auch schon Verhandlungserfolge geglückt, aber das muss man natürlich im Auge behalten. Was mich natürlich auch umtreibt, ist der politische Arm des Rechtsextremismus, und da reden wir über die AfD.
POLITICO: Da sind wir mittendrin im Thema: Kommt das Verbotsverfahren?
Maier: Das weiß ich nicht. Das weiß ich wirklich nicht, weil es gibt noch eine ganze Menge Menschen, die man davon überzeugen muss. Es gibt drei Verfassungsorgane, die den Antrag stellen können: Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung. Und bei allen dreien sehe ich noch keine Mehrheit. Allerdings, was ich sehe, ist, dass sich etwas bewegt. Also es ist etwas in Bewegung geraten. Nicht nur, aber auch gerade durch das Gutachten des Verfassungsschutzes.
POLITICO: Vor allem hat man das Gefühl, in der SPD ist was in Bewegung geraten. Aber bei der CDU-Seite, in den Ländern, auch vor allem in der Bundesregierung noch nicht so viel.
Maier: Na ja, da merke ich schon auch immer mehr Stimmen. Daniel Günther aus Schleswig-Holstein ist jetzt der Prominenteste, der sich dazu geäußert hat. Also da ist auch etwas im Hintergrund in Bewegung. Und insofern denke ich mal, da ist der Zug noch nicht abgefahren, dass das nicht gelingen kann, ein Verbotsverfahren anzustrengen.
POLITICO: Das Problem ist, der Innenminister Alexander Dobrindt ist massiv dagegen. Wie können Sie den überzeugen?
Maier: Wir müssen an der Stelle tatsächlich jetzt die Fakten sprechen lassen. Die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren sind meines Erachtens gegeben. Und der Artikel 21, der steht nicht aus Jux und Dollerei im Grundgesetz, sondern das ist für uns auch eine Maßgabe. Und ich sehe eine Verletzung der Menschenwürde gegeben. Ich sehe die Potenzialität gegeben, die die AfD hat. Und ich sehe auch das Aggressiv-Kämpferische. Beim Letzten wird man sicherlich noch diskutieren müssen. Aber ich glaube, es gibt eine ganze Menge jetzt auch zusätzliche Informationen über die AfD, die das belegen, dass die drei Voraussetzungen gegeben sind.
POLITICO: Stellen wir uns einmal vor, das gelingt dieses Verfahren, Herr Maier. Wir haben eine Partei mit über 20 Prozent der Wählerstimmen. Ist es nicht ein riesengroßes Problem, wenn man die dann verbietet?
Maier: Ich sage nicht, dass das nicht eine Herausforderung ist. Wir wollen ja der Demokratie selbst nicht schaden, indem man so ein Verfahren anstrengt. Aber eine Partei wird nicht deshalb demokratisch, weil sie demokratisch gewählt ist. Also das Argument, die Umfragewerte sind gerade hoch, die zählt an der Stelle nicht.
POLITICO: Das sind Wahlergebnisse, das sind Fakten.
Maier: Wie gesagt, eine Partei wird nicht demokratisch, indem sie demokratisch gewählt ist. Deshalb ist das im Grundgesetz auch so verankert. Da müssen keine Straftaten vorliegen. Da muss auch keine Gewalt vorliegen. Das Verbotsverfahren funktioniert auch ohne, um unsere Demokratie zu schützen.
POLITICO: Und was machen diese 21 Prozent der Wähler? Die wählen dann wieder SPD und Union? Oder wie stellen Sie sich das vor?
Maier: Nein, das Gedankengut dadurch nicht weg ist. Das ist vollkommen klar. Gegebenenfalls gibt es auch eine Nachfolgeorganisation oder eine Nachfolgepartei, die dann vielleicht weniger radikal ist. Uns geht es ja nicht darum, eine Partei zu verbieten, um eine Partei zu verbieten, sondern es geht darum, die Demokratie zu schützen.
Gordon Repinski ist Executive Editor POLITICO Deutschland.
Das Interview stammt aus dem „Berlin Playbook“-Podcast. Das „Berlin Playbook“ finden Sie hier.
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