Zum ersten Mal hat eine Bundesregierung einen Staatsminister für Sport im Kanzleramt in ihren Reihen. Besetzt wurde der neue Posten unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) überraschend mit Christiane Schenderlein (CDU) aus Sachsen, bisher in der Kultur unterwegs und ohne Erfahrung mit Sportverbänden, Profiligen und Athleten. Trotzdem sind die Erwartungen gewaltig.

„Ihre unmittelbare Nähe zum Bundeskanzler zeigt die hohe Bedeutung, die die Bundesregierung dem Sport beimisst. Und dies wird natürlich auch in der Arbeit der Staatsministerin spürbar werden“, prophezeit Volker Bouffier, Vorstand im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Aber: Letzt verantwortlich für den Sport bleibt der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). DFB-Vizepräsident Hermann Winkler sendet deshalb eine klare Botschaft an Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD): „Die Erwartungen sind hoch, jedoch auch die Chancen – wenn es der Koalition gelingt, die neue Position im Kanzleramt mit entsprechenden Mitteln und Befugnissen auszustatten.“ Und sich Schenderlein schnell emanzipieren kann.

Eine Umfrage unter Spitzenfunktionären aus neun Sportverbänden zeigt, was von Schenderlein erwartet wird. Eine der meistgenannten Forderungen: viel mehr Geld für Sportstätten. Kalle Zinnkann, Vorstandschef des Deutschen Turner-Bundes (DTB): „Der Sanierungsstau (bis zu 40 Milliarden Euro; d. Red.) ist dramatisch. Ohne moderne Infrastrukturen kann der Sport weder im Breiten- noch im Spitzensport seine gesellschaftliche Funktion erfüllen.“

Bouffier erwartet, dass dafür „die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Summe von einer Milliarde Euro jährlich fließt und sich nicht auf die komplette Legislaturperiode (vier Jahre) bezieht“. Ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur in Höhe von bis zu 500 Milliarden Euro hat die Politik für zwölf Jahre eingerichtet.

Winkler, beim DFB für den Jugendfußball zuständig, geht deutlich weiter als Bouffier: „Dem Investitionsstau auf den ca. 44.000 Fußballplätzen in Deutschland muss durch ein Förderprogramm des Bundes für Kommunen und Vereine in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro jährlich begegnet werden. In Großstädten müssen fast 60 Prozent der Fußballvereine Kinder und Jugendliche auf Wartelisten setzen, weil Kapazitäten fehlen.“

Was Winkler noch fordert: „Gemeinnützige Vereine müssen steuerlich entlastet werden!“ Rund 86.000 Sportklubs gibt es in Deutschland.

Olympia als Vorbild und Motor

Ein weiteres Anliegen der Funktionäre: eine Bewerbung für Olympische und Paralympische Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044. „Die Olympia-Bewerbung sollte als Leuchturmprojekt ganz oben auf der Agenda stehen. Mit Olympischen Spielen im eigenen Land ist vieles, was wir im Sport erreichen wollen, leichter umzusetzen“, sagt Basketball-Präsident Ingo Weiss. Kandidaten: Berlin mit Leipzig, München, Hamburg und die Region Rhein-Ruhr.

Andreas Schlütter, Vorstandssprecher im Deutschen Ski-Verband (DSV), betont: „Deutschland muss wieder ein Sportland werden. Dafür braucht es regelmäßig Großereignisse wie Welt- oder Europameisterschaften. Wir brauchen die Events, wir brauchen den Leistungssport, wir brauchen die Vorbilder. Egal, ob Sommermärchen im Fußball oder ein Wintermärchen wie bei der nordischen WM in Oberstdorf: Sport ist der soziale Kitt für unsere Gesellschaft.“

Generell fordert Peter Merten, Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), „die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit bei internationalen Vergabe-Prozessen von Sport-Großereignissen“. Der DEB richtet nach zehnjähriger Pause die WM 2027 aus.

Auf der Liste von Jan Pommer, Vorsitzender des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), ganz oben: „Bis 2035 verlässt kein Kind die Grundschule, ohne sicher schwimmen zu können – egal, wo es lebt oder in welche Familie es geboren wurde. Zweitens: eine Stunde Sport pro Tag – von der ersten Klasse bis zum Abitur. Kinder und Jugendliche brauchen tägliche Bewegung. Für ihre Gesundheit, ihre Konzentration, ihr Selbstvertrauen und ihre sozialen Fähigkeiten.“

Angesichts immer weniger Medaillen bei Olympischen Spielen – in der Nationenwertung in Paris 2024 reichte es nur zu Platz zehn – hat auch das Thema Spitzensport-Förderung Priorität.

Idriss Gonschinska, Vorstandschef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), erklärt: „Jetzt benötigt der Sport entschlossene Weichenstellungen. Der DLV erwartet eine sportartspezifische, potenzial- und budgetorientierte Spitzensport-Förderung. Eine Stärkung der praxisnahen akademischen Trainerausbildung mit fairer Vergütung. Sowie einen wirksamen Bürokratieabbau, etwa bei PotAS (Potenzialanalyse-System der Sportverbände). Es kommt darauf an, Talente gezielt zu fördern.“

Und das auch in finanzieller und beruflicher Hinsicht. Schlütter: „Nur die wenigsten Athleten können es sich – im wahrsten Sinne des Wortes – leisten, von Anfang an alles auf die Karte Sport zu setzen.“

Handball-Präsident Andreas Michelmann, zugleich Sprecher der 69 Spitzenverbände im DOSB, liegen neben der Olympia-Bewerbung und Sporthallen-Infrastruktur besonders die Trainer am Herzen. Er hofft, dass Schenderlein „die Idee und Forderung des deutschen Sports nach einer akademischen Trainerausbildung aufgreift und unterstützt. Um einerseits die Qualität unserer Trainerinnen und Trainer vor allem im Nachwuchs-Leistungssport zu verbessern. Und andererseits die berufliche Anerkennung und damit die gesellschaftliche Akzeptanz des Trainerberufs zu erhöhen.“

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

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