Gerhard Struber hatte seine Schirmmütze mit der Buchstaben-Kombination „FC“ ein weniger tiefer ins Gesicht gezogen, als er entschlossenen Schrittes auf die TV-Reporter zuging. Der Trainer des 1.FC Köln wollte nach dem 1:1 (0:0) gegen Jahn Regensburg die Pflichttermine bei den beiden übertragenden Fernsehsendern schnell hinter sich bringen. Auf dem Weg dahin wurde er von einigen Fans, die auch zwanzig Minuten nach dem Ende des Spiels noch am unteren Rand der Haupttribüne ausgeharrt hatten, angepöbelt. „Struber raus“ schallte es ihm entgegen.

Der Österreicher würdigte sie keines Blickes.

Das sei „nicht fein“ gewesen, sagte Struber, versuchte aber Verständnis für die teils heftigen Publikumsreaktionen gegen seine Person aufzubringen. Bereits kurz vor der Halbzeit hatte es deutlich vernehmbare Forderungen nach seiner Ablösung gegeben. Zur Pause war seine Mannschaft mit lauten Pfiffen verabschiedet worden. Und nach dem Schlusspfiff wiederholte sich das Szenario noch einmal – und dann noch lauter. Das traf den Coach. „Aber dass ich hin und wieder der Blitzableiter bin, ist doch klar. In dieser Verantwortung bin ich als Cheftrainer des FC“ , erklärte er.

„Es ist kein Motivations-Thema“, sagt Kapitän Hübers

Das mag wohl sein. Dennoch war das, was sich am Samstagabend im Rhein-Energie-Stadion ereignete, außergewöhnlich. Dass die hoch favorisierte Mannschaft eines Traditionsvereins, bei dem man sich schon öfter für ein bisschen besser gehalten hat, als man es meistens war, einen Matchball im Kampf um die Rückkehr in die erste Liga gegen den Tabellenletzten verspielt, löst naturgemäß Frust aus. Wenn aber größere Teile des Anhangs dies gleich zum Anlass nehmen, um bei nur noch zwei Spielen bis Saisonende alles infrage zu stellen, wirkt das fast schon selbstzerstörerisch.

Ja, die Kölner hatten gegen die Regensburger schlecht gespielt, die bereits am Tag zuvor, als Preußen Münster sensationell mit 5:0 in Magdeburg gewonnen hatte, ihre Resthoffnung auf den Klassenerhalt begraben mussten. Aber das Team von Struber blieb Tabellenzweiter – mit besten Chancen, den Aufstieg an den kommenden zwei Wochen klarzumachen.

Doch darüber sprach kaum jemand. Es fiel auch den Spielern schwer, nach dem Rückschlag positiv zu denken. „Das Pfeifkonzert deckt sich in etwa mit der Stimmungslage, die wir nach dem Abpfiff hatten“, sagte Mannschaftskapitän Timo Hübers. Die Mannschaft sei dem Anspruch, „gegen den Tabellenletzten einen Sieg einzufahren“ nicht gerecht geworden. Der erfahrene Innenverteidiger wollte nicht ausschließen, dass es auch psychische Ursachen gehabt hatte. Die Mannschaft hatte schließlich auffällig fahrig gewirkt. „Ob es Angst oder zu viel Respekt vor dem großen Ziel ist, weiß ich nicht. Es ist aber kein Motivationsthema, hier schlurft niemand über den Platz“, so Hübers.

Es wirkte tatsächlich eher so, als ob der Mannschaft das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten gefehlt habe: Der letzte Pass kam einfach nicht präzise genug, vielversprechende Angriff wurden unsauber zu Ende gespielt. Selbst das 1:0 durch Tim Lemperle (59. Minute) gab keine Sicherheit. Im Gegenteil. In der 75. Minute fingen sich die Kölner den Ausgleich durch Noah Ganaus. Da kippte die Stimmung auf den Rängen vollends – und auf dem Rasen stieg der Druck wie in einem Kessel.

„Wir haben nach wie vor alles in der eigenen Hand“, sagt der Sportchef

„Die Stimmung ist, als ob wir etwas total versaut hätten“, sagte Sportchef Christian Keller zu der atmosphärisch nicht ungefährlichen Lage. Gleichzeitig versuchte er, die Lage zu relativieren. „Wir haben eine große Chance vergeben, aber wir haben nach wie vor alles in der eigenen Hand“, erklärte er. Die Mannschaft, die eine Woche zuvor bereits 0:1 in Hannover verloren hatte, hätte „alles investiert“. Sie hätte sich genug Chancen erspielt, um das Spiel zu gewinnen. Dass es nicht geklappt habe, „nervt“. Doch es sei aber noch lange kein Grund, auf den Trainer loszugehen. Diese Forderungen seien „vollkommen zu Unrecht“, so Keller. Struber habe „zu 100 Prozent“ das Vertrauen. Einen Trainerwechsel vor Saisonende schloss er aus.

Das wäre anderenfalls auch fast schon Harakiri. Ein derartiger Aktionismus würde deutlich mehr Risiko als Chance bedeuten – gerade weil die Mannschaft Zeichen von Verunsicherung zeigt. Keller wirkte bei seinen Einlassungen analytisch und klar. Unter normalen Umständen müssten seine nachvollziehbaren Worte zur Beruhigung beitragen.

Doch Köln ist ein besonderes Pflaster und Keller hat mit dem Trainer, den er schützt, eines gemein: Auch er steht in der Kritik. Der 46-Jährige, der seit April 2022 in der Verantwortung ist, wird mit einer Reihe von Fehlentwicklungen in Verbindung gebracht. Da war die Transfersperre, mit der der Klub belegt worden war. Bereits nach dem Bundesliga-Abstieg im vergangenen Sommer hatten viele Kritiker seine Ablösung gefordert. Auch die Wintertransfers, die der FC zuletzt dann wieder tätigen durfte, sind größtenteils nicht eingeschlagen.

Struber dagegen stand schon vor der gefühlten Niederlage gegen Regensburg wegen der Art und Weise, wie die Mannschaft spielt, im Visier der Anhänger. Nachdem er anfänglich einen offensiven Stil bevorzugt hatte, die Ergebnisse aber ausblieben, verordnete er dem Team ab Herbst eine kompaktere Ausrichtung. Die Folge: Die Kölner setzten sich aufgrund einer Vielzahl meist knapper Siege in der Spitzengruppe fest, überzeugten aber selten fußballerisch. Die Unmutsbekundungen, die auch in Richtung von Keller gingen, sind also nicht nur der nervlichen Anspannung im Aufstiegsrennen geschuldet, sie sind eine grundsätzliche Abrechnung mit zwei bei vielen Fans eher unliebsamen Personen.

Das macht die Mission Aufstieg nicht leichter. Auch wenn sich die Mannschaft, wie Struber betonte, unverändert „in einer komfortablen Situation“ befinde. Dem ist kaum zu widersprechen: Der FC ist Tabellenzweiter mit drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz.

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