Es gibt Statements, die sind auf unfreiwillige Art verräterisch. Am Freitag wurde Niko Kovac zu Julian Brandt befragt – zu dem Spieler von Borussia Dortmund, der in dieser Saison viele Rätsel aufgab und um den sich eine Vielzahl von Gerüchten ranken. Ob dem Mittelfeldspieler, der beim 3:2-Sieg am vergangenen Samstag in Hoffenheim mit seiner stärksten Saisonleistung aufwartete, die Pause, die ihm der BVB-Trainer zuvor verordnet hatte, gutgetan habe, wollte ein Journalist wissen.

Es stimme, antwortete Kovac, er hätte das Gefühl gehabt, dass Brandt „mal eine Pause“ benötige. Nicht, weil er ihn besonders schlecht gesehen habe. Es sei vielmehr so gewesen, dass der Ex-Nationalspieler überspielt gewesen sei. Deshalb, so Kovac, habe er ihn zwischenzeitlich aus der Mannschaft genommen. „Dass er nun derjenige war, der das Spiel entschieden hat, der viele entscheidende Momente hatte, zeigt, wofür wir ihn noch brauchen“, erklärte der Trainer. Dann, als er gemerkt hatte, dass ihm das Wörtchen „noch“ herausgerutscht war, fügte Kovac an: „Ich hoffe, dass er in den kommenden drei Spielen genauso gut performt wie in der ganzen Zeit, in der ich noch hier bin.“

Nun ist allerdings so, dass die Zeit, in der Kovac noch beim BVB sein wird, sehr wahrscheinlich die Verweildauer von Brandt überdauern wird. Kovac hat noch einen Vertrag für eine weitere Saison. An einen Trainerwechsel denkt derzeit niemand – selbst wenn es die Möglichkeit dazu geben würde. Eine Klausel würde es dem Klub erlauben. Davon allerdings wird nicht Gebrauch gemacht werden. Warum auch? 13 Punkte holten die Dortmund aus den letzten fünf Bundesligaspielen. Vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg am Samstag (18:30 Uhr/live Sky) trennen den Tabellensechsten nur noch drei Zähler von einem Champions League-Platz. Anfang Februar, als Kovac kam, waren die Dortmunder Elfter. Nur wenige hatten damals daran geglaubt, dass es dem BVB gelingen kann, sich doch noch für die Königsklasse zu qualifizieren.

Es wird dem Trainer hoch angerechnet, dass er die verunsicherte Mannschaft, die er vorgefunden hatte, wieder in die Spur gebracht hat. Bemerkenswert ist auch die Art und Weise, wie ihm das gelang. Er redete die Spieler stark – unter anderem auch Brandt, der so etwas wie das Sorgenkind der Dortmunder war. Der Spielmacher hatte verzagt gewirkt. Ihm gelang kaum etwas. Für die Fans, die ihn schon länger kritisch sahen, war er so etwas wie das Gesicht der Krise.

Brandt ist ein reflektierender Profi

Kovac stellte sich dennoch vor ihn. Vom Potenzial her, sagte er sogar, gehöre Brandt auf eine Stufe mit Florian Wirtz und Jamal Musiala. Das war sicher mehr als gewagt. Doch darum ging es dem erfahrenen Coach nicht. Es war der Versuch, das angeknackste Selbstvertrauen des sensiblen Spielers wieder aufzubauen.

Doch so einfach war das nicht – was sicher auch mit der Intelligenz von Brandt zusammenhängt. Der geborene Bremer, der von der U15 an alle DFB-Auswahlmannschaften durchlief und 47 A-Länderspiele absolviert hat, ist einer der eher seltenen Profis, die ihre eigenen Leistungen reflektieren – die ziemlich genau einschätzen können, wo sie stehen. Und Brandt hatte sich in der laufenden Saison auf einem niedrigen Niveau festgespielt. Das nagte an ihm.

Also gab ihm Kovac eine Denkpause – allerdings erst dann, als Carney Chukwuemeka, sein Vertreter, der in der Winterpause vom FC Chelsea ausgeliehen worden war, körperlich in der Lage war, über einen längeren Zeitraum zu spielen. Beim Champions League-Spiel gegen Barcelona (3:1) und beim Bundesligaspiel in Mönchengladbach (3:2) setzte Kovac Brandt auf die Bank. Erst in Hoffenheim beorderte Kovac ihn wieder in die Startelf. Brandt revanchierte sich seinem vierten Saisontor, einem sehenswerten Volleyschuss. An diesem Tag war all das zu sehen, was sie in Dortmund von ihm sehen wollen – allerdings in den mittlerweile knapp sechs Jahren, in den Brandt das gelbe Trikot trägt, immer nur sporadisch zu sehen bekamen.

Denn die Tatsache, dass nicht nur die Fans, sondern auch die BVB-Offiziellen an Brandt zweifeln, ist neues Phänomen. Es ist die Gesamtentwicklung, die zur Überlegung führe, ob es nicht besser sei, ab der kommenden Saison auf einen anderen „Zehner“ zu setzen. 34 Tore in 185 Bundesligaspielen stehen für den früheren Leverkusener zu Buche – deutlich weniger als es der Erwartung diverser Trainer, die in dieser Zeit in Dortmund arbeiteten, entsprach. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Verletzungen spielten eine Rolle, zudem stand Brandt bis zum vergangenen Sommer immer auch ein wenig im Schatten von Marco Reus, musste deshalb oft auf den Flügel ausweichen. Auch die Trainerfluktuation trug sicher dazu bei.

BVB will mindestens 15 Millionen Euro für Brandt

Bereits in der Winterpause gab es erste Überlegungen, sich von Brandt zu trennen. Deshalb wurde Chukwuemeka ja geholt – den der BVB im kommenden Sommer fest verpflichten könnte. Das würde allerdings nicht billig. Chelsea möchte, so ist es fixiert, eine Ablöse von 35 Millionen Euro sehen. Einen Teil der Summe, so heißt es, wollen die Dortmunder durch einen Verkauf von Brandt aufbringen. Etwa 15 bis 20 Millionen Euro Ablöse schweben ihnen vor. Der Bieterwettbewerb ist eröffnet.

Was helfen würde, wäre ein erneuter Einzug in die Champions League. Dazu könnte Brandt, der am Freitag 29 Jahre alt geworden ist, könnte in den drei noch ausstehenden Bundesligaspielen seinen Teil dazu beitragen. Er selbst hat sich noch nicht zu seiner Zukunft geäußert.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke