Hertha BSC verliert mit Ibrahim Maza einen der talentiertesten Fußballer, den der Klub lange Zeit in seinen Reihen hatte. Bayer Leverkusen bereitet sich derweil für den Fall vor, dass Florian Wirtz die Werkself verlassen könnte.

Eigentlich lohnt es sich immer, Spiele von Hertha BSC zu schauen. Denn es ist so: Nur wenige Teams aus den ersten beiden Fußball-Bundesligen waren in der ablaufenden Spielzeit so unberechenbar. Auch wenn man in der Hauptstadt nicht damit prahlt, strahlt es durchaus etwas Sympathisches aus. Schließlich gehen Menschen in ein Fußballstadion, weil für 90 Minuten alles möglich ist. Und die Protagonisten bei Hertha BSC lieferten davon reichlich: von dem Drama vom Aufstiegsversuch, bis zur Tragödie vom Beinahe-Absturz aus dem Profifußball.

Und da ist noch eine andere Attraktion, wegen der es sich bislang immer gelohnt hat, ein Fußballspiel von Hertha BSC (am besten im Stadion) zu schauen: Ibrahim, genannt Ibo, Maza. Der Hauptstadtklub hat schon viele talentierte junge Fußballspieler kommen und gehen gesehen, aber selten war jemand dabei, der wie Maza ist. Wer sieht, wie smart sich der 19-Jährige im zentralen Mittelfeld bewegt, wie beiläufig er Steckpässe aus dem Fuß schüttelt, wie locker er Gegenspieler aussteigen lässt, merkt, dass er für Höheres als den Abstiegskampf in der zweiten Liga bestimmt ist.

Mittlerweile ist es ein offenes Geheimnis. Und ein solches Talent zieht auch Interessenten an. Schließlich ist es nicht schwer, das zu erkennen. Glaubt man den Berichten, hat der AC Milan das gesehen. Oder auch Sebastian Hoeneß, der Trainer des VfB Stuttgart. Oder eben Bayer Leverkusen, für das sich Maza schlussendlich entschieden hat. Mittelfristig könnte er, der bis zu zwölf Millionen Euro in die klammen Hertha-Kassen spülen soll, unter dem Bayer-Kreuz den Wunderdribbler Florian Wirtz ersetzen, sollte der FC Bayern in diesem Sommer den großen Traum von Uli Hoeneß erfüllen wollen. Oder Wirtz gemeinsam mit Trainer Xabi Alonso in die Ferne ziehen wollen.

Boateng, Dardai, Maza

Die Personalie Maza erzählt aber viel mehr - vor allem über Hertha BSC. Für den dauerkriselnden Hauptstadtklub ist er der Inbegriff dessen, was sie meinen, wenn sie vom Berliner Weg sprechen. Den hatte der verstorbene Präsident Kay Bernstein ausgerufen und nach seinem plötzlichen Tod wurde er auf verschiedenste Weisen interpretiert und instrumentalisiert - zuletzt bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen November. Seither versuchen sie, den alten Weg neu zu finden.

Und auch, wenn sich die Berliner vorerst vom modernen Fußball verabschiedet haben, im Westend hört das Träumen nie auf. Schuld daran ist auch die Jugendarbeit der Berliner, die immer wieder aufmerksamkeitserregende Talente nach oben spült. Da ist der Weltenbummler Kevin-Prince Boateng, der nach dem AC Milan, Schalke 04, dem FC Barcelona und Eintracht Frankfurt seinen Endspurt wieder in Berlin absolvierte. Oder auch Lazar Samardzic, der es über RB Leipzig und Udinese Calcio leihweise zu Atalanta Bergamo geschafft hat. Oder zuletzt der Trainersohn Bence Dardai, der vielleicht talentierteste Dardai, der jetzt beim VfL Wolfsburg aufläuft.

Sie alle verdeutlichen die tragische Seite des Berliner Wegs. Weil es schon seit Jahren sportlich nicht mehr läuft, wachsen die Identifikationsfiguren reihenweise über den Klub hinaus. Denn Titel kann man in Berlin nicht gewinnen, für Vertragsverhandlungen taugt die nun mindestens drei Jahre währende Zweitklassigkeit kaum als Argument. Es fehlt schlicht eine Perspektive. Erst in der vergangenen Woche titelte ein großes Boulevard-Medium: "Akademie-Alarm". Wieder hatten zwei Talente Hertha verlassen.

Auch der 1,80 Meter große Maza ist schon zu groß geworden. Der Deutsch-Algerier wechselte von den Reinickendorfer Füchsen zum großen Hauptstadtklub, durchschritt von der U17 an die letzten Jugendteams der Alten Dame, bis er mit nur 17 Jahren schon zum Einsatz in der vorerst letzten Bundesliga-Saison der Berliner kam - und nun eine Millionenablöse bringt, die fast komplett in die Sanierung fließt. Für den Kader bleibt von dem Geld nicht viel übrig.

Was hätte sein können

Man stellt sich deshalb schon die Frage: Was hätte sein können? Einen Blick in die Glaskugel durften sie in Berlin schon werfen. Am 27. Mai 2023, der letzte Spieltag in der Volkswagen-Arena, da blitzte die Zukunft auf. Es war der tränenreiche Abschied aus der Bundesliga, als die schon abgestiegenen Berliner mit einem 2:1-Erfolg gegen den VfL Wolfsburg noch deren Europa-Qualifikation versauten. Trainer Pal Dardai, vielleicht vorahnend, dass es mit der Rückkehr ins Oberhaus dauern würde, setzte einige vielversprechende Nachwuchsspieler ein. Torwart-Talent Tjark Ernst durfte debütieren, Flügelflitzer Derry Scherhant bekam einige Minuten - und eben Maza kam zur Halbzeit und erzielte zehn Minuten später den Ausgleich zum 1:1.

Trainer Dardai war einer der größten Förderer von Maza - und einer derjenigen, der am meisten von ihm forderte. Er sah den Rohdiamanten, dem er mehr als nur den Feinschliff verlieh. In der vergangenen Saison, Hertha spielte 1:1-Remis gegen Hannover 96, packte sich der Trainer Maza noch auf dem Spielfeld und stauchte ihn vor dem gesamten Olympiastadion zusammen, der damals 18-Jährige trottete daraufhin in die Katakomben.

Er soll später in der Kabine geweint haben. Gut möglich, dass die Methoden Dardais nicht mehr zeitgemäß sind, sie brachten aber Erfolg. Die Erstligaphysis fehlt ihm noch, aber: Der Einsatz gegen den Ball ist mittlerweile eine der Stärken Mazas - ähnlich wie bei Florian Wirtz.

Und so kann sich Leverkusen auf einen Spieler freuen, der schon mit 19 Jahren systemrelevant für das Offensivspiel der Hertha geworden ist. Maza stand in 97 Prozent der Zweitligaspielen diese Saison in der Startelf. Obwohl es ihm noch an Torgefährlichkeit fehlt, war er an jedem fünften Tor direkt beteiligt. Schon jetzt ist Maza ein A-Nationalspieler. Er entschied sich gegen den DFB und für Algerien, weil auf seiner Position eben auch Jamal Musiala und Wirtz spielen.

Den Willen, sich auf der "ganz großen Bühne" zu beweisen, beschwor Maza bei seiner Vorstellung in Leverkusen am Donnerstag. Dort warten möglicherweise die derzeit mit größten Fußstapfen des deutschen Fußballs, die von Wirtz. Dessen Trainer, Xabi Alonso, sagte einmal über ihn im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung": Es geht nicht immer darum, die brillanteste Aktion zu machen, sondern die beste und klügste. Florian kann das." Ab dem Sommer muss Maza auch beweisen, dass er das kann. Es wird sich auf jeden Fall lohnen, das zu verfolgen.

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