Bei West Ham United erlebt Nationalstürmer Niclas Füllkrug eine Saison zum Vergessen, die Londoner belegen nur Tabellenplatz 17. Für den TuS Ricklingen, einen Amateurverein in Hannover mit rund 700 Mitgliedern, der in der 1. Kreisklasse spielt, ist Füllkrugs Transfer von Dortmund nach England im vergangenen August für kolportierte 27 Millionen Euro dagegen ein Glücksfall: Weil Füllkrug als Vierjähriger in den TuS eintrat und acht Jahre (bis 2005) hier kickte, steht dem Klub laut Fifa-Bestimmungen ein Solidaritätsbeitrag von West Ham zu.

Bei einem ablösepflichtigen Wechsel zu einem Verein in einem anderen Land werden fünf Prozent der Transfersumme zwischen den Vereinen aufgeteilt, die den Spieler zwischen seinem zwölften und 23. Geburtstag ausgebildet haben. Bei Füllkrug wären das 1,35 Millionen Euro, davon entfallen laut transfermarkt.de 67. 000 Euro auf den TuS Ricklingen. Viel Geld, die Mitgliederbeiträge des Vereins machen im Jahr 103.000 Euro aus.

Aber nach über acht Monaten ist noch kein Cent geflossen. Dabei wird das Geld in Ricklingen dringend gebraucht. „Unsere Energiekosten sind enorm hoch, da wir eine Flutlichtanlage mit Quecksilberdampflampen statt LED-Flutlichtern haben. Von dem Geld wollen wir eine moderne Photovoltaikanlage aufs Dach bauen“, sagt Geschäftsführer Peter Schwichtenberg.

Die Soli-Zahlungen an die Klubs werden seit 2018 vom Fifa Clearing House (FCH) in Paris abgewickelt. Und das dauert. Denn das FCH unterscheidet nicht zwischen Profi- und Amateurklubs. Der von drei Ü70-Senioren ehrenamtlich geführte Kreisklassen-Klub, der stellvertretend für viele kleine Vereine steht, ist mit den zeit- und personalaufwändigen Anforderungen heillos überfordert.

Die Fifa will Jahresabschlüsse sehen, die es nicht gibt

Nachdem die TuS-Verantwortlichen aus lokalen Medien erfahren hatten, dass ihnen der Soli-Beitrag zusteht, wandten sie sich an den Niedersächsischen-Fußballverband (NFV). Der NFV erklärte sich für nicht zuständig. Schwichtenbergs Versuche, den DFB zu kontaktieren, waren zunächst erfolglos. Erst vor wenigen Wochen meldete sich der DFB, der TuS solle einen Ansprechpartner benennen. Endlich schien alles seinen Lauf zu nehmen.

Das FCH forderte beim TuS die für eine Auszahlung des von West Ham hinterlegten Solibeitrags benötigten Unterlagen an – vom Handelsregisterzertifikat/der Gründungsurkunde über die Satzung bis zu Kontoauszügen. Verlangt werden auch die von einem Wirtschaftsprüfer testierten vergangenen Jahresabschlüsse.

Dahinter steckt das Bemühen der Fifa, für mehr Transparenz und Integrität zu sorgen und Transfer-Betrug zu bekämpfen. Aber: Der TuS unterliegt als kleiner e. V. in Deutschland nicht der Bilanzierungspflicht. Immer wieder moniert das FCH unvollständige Unterlagen, fordert neue Angaben, etwa die Namen der Sponsoren, die Höhe deren Zahlungen und die Bankverbindungen. Die will Schwichtenberg aus Datenschutzgründen aber nicht preisgeben.

Der TuS schaltete nun Sportrechtler Gregor Reiter ein, der den Head of Regulations der Fifa kontaktierte. Dessen Rat: Ricklingen solle den DFB einschalten und dieser die Formalitäten abwickeln. Aber der Verband, eigentlich Dienstleister der 24 000 Amateurvereine, leitet Mails der Fifa an den niedersächsischen Verband weiter. Und der dann wieder an den TuS. Derweil läuft der Stromzähler in Ricklingen ...

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke