Ein dramatischer Derby-Sieg, der dem BVB so richtig lecker schmeckt
Der BVB erzählt eine kurze, aber sehr erfolgreiche Geschichte im Frauenfußball. An diesem Sonntag wurde ausgerechnet im Derby ein riesiger Schritt in Richtung Regionalliga-Aufstieg geschafft. Das soll aber längst nicht das Ende sein.
In der Winterpause verpflichtete Borussia Dortmund Annika Enderle. Die 24-Jährige kam von der SGS Essen, sie hatte bereits Erfahrungen in der Fußball-Bundesliga gesammelt. Enderle sollte dem BVB helfen, den nächsten Aufstieg klarzumachen. An diesem Sonntagnachmittag, in der 88. Minute, landete der Ball vor ihren Füßen. Die Schalker Gegenspielerinnen hatten Enderle alleine gelassen. Mit zwei Kontakten legte sie sich den Ball zurecht und schlenzte ihn an der Torhüterin Julia Matuszek vorbei in die lange Ecke. Traumtor, 2:1, schwarzgelbe Ekstase.
Enderle hatte das Tor zum Aufstieg aufgestoßen. Ganz weit. Im Derby. In den Geschichtsbüchern des Vereins hat sie damit auf ewig ihren Platz. Zum ersten Mal überhaupt hatten die Dortmunderinnen Schalke in einem Spiel empfangen. Und das (noch) in den Niederungen des Frauenfußballs, in der Westfalenliga. In der diese beiden Vereine viel zu groß für den Rest der Konkurrenz sind. Die hatten sie in den vergangenen Monaten in Grund und Boden gespielt. Und sich nun dieses "Do-or-die"-Spiel erarbeitet. Im Revierderby. Was für ein Szenario.
10.000 Karten hatte der BVB für das Spiel im Stadion Rote Erde in Umlauf gebracht. Mehr geht nicht. Weil die nun wirklich altehrwürdige Rote Erde, Schauplatz so vieler Fußball-Schlachten, nicht mehr Zuschauer aufnehmen darf. Nach nicht mal einer Woche waren sie vergriffen. Der Hype um diese Partie war riesig. Denn sie hatte so viele Geschichten zu erzählen. Ja, es ging um den Aufstieg. Der BVB führte die Tabelle mit 61 Punkten an, die Schalker folgten mit 60. Zwar sind nach diesem Derby noch drei Spieltage zu spielen, aber bei der erdrückenden Dominanz war klar: Wer gewinnt, der ist so gut wie durch. So gut wie sicher in der Regionalliga. Das ist nun der BVB.
"Bei einigen Vereinen gab es auch Ängste"
Aber es ging eben nicht nur um den Aufstieg. Es ging vor allem auch um das Derby. Dortmund gegen Schalke, das lieben sie hier, weil sie so eine große Abneigung füreinander haben. Was hatte es, im Männerfußball, nicht schon alles für historische Duelle gegeben, epische. Auch in diesem Stadion Rote Erde, das in den 1960er-Jahren bis zu 42.000 Zuschauer beherbergen konnte und längst ein gemütlicheres Rentnerleben im Schatten des mächtigen Westfalenstadions führt. Hier wurde einst Friedel Rauch in den Po gebissen.
Die ganz große Rivalität gibt es im Frauenfußball (noch) nicht. Dafür ist die Geschichte zu kurz. Die Ultragruppen beider Vereine waren an diesem Sonntag nicht da. Aber viele Menschen mit Trikots der alten Helden. Und sie sangen die alten Schmählieder. Noch sind hier die Namen Piszczek, Sokratis und Bender präsent. Vielleicht sind es schon bald Enderle, Marquardt oder Grothe. "Als wir mit dem BVB in der Kreisliga angefangen haben, wurde ich gefragt: Was ist, wenn eines Tages das Derby kommt? Ich habe gesagt: Das wäre ein absoluter Traum", sagt Svenja Schlenker. Er ging in Erfüllung. Und wie.
An diesem Sonntag erzählte Annika Enderle ihren Heldengeschichte. Es ist eine Geschichte, die viel über den Weg von Borussia Dortmund erzählt. Erst im Oktober 2020 hatte der Verein den Frauenfußball eingeführt. Von ganz unten soll es nach ganz oben gehen. Diesen Weg hat der BVB bewusst gewählt. Man wollte nicht die Lizenz eines höherklassigen Klubs übernehmen, um schnell in der Bundesliga anzukommen. Das aber ist das Ziel und das war es von Beginn an. In Dortmund bekam der Fußball-Riese für seine Pläne viel Zuspruch, wie Schlenker, Abteilungsleiterin Frauen- und Mädchenfußball bei Borussia Dortmund, gegenüber ntv.de erzählt.
Allerdings nicht nur: "Bei einigen Vereinen gab es auch Ängste, die, wie ich finde, aber unberechtigt waren. Sie hatten Angst, dass wir ihnen die halbe Mannschaft wegnehmen. Deswegen hatten wir auch Prämisse, dass wir nicht mehr als zwei Spielerinnen aus einem Team holen, um damit zu gewährleisten, dass keine Mannschaft kaputt geht", sagt Schlenker. Um sich in der Region zu verankern, wurden am Anfang nur Spielerinnen aus dem Umkreis von 35 Kilometern verpflichtet. Mittlerweile aber denkt der BVB groß und größer. Der Transfer von Enderle war ein Statement. Ebenso wie die Verpflichtung von Trainer Markus Högner, der zur neuen Saison, wie die Matchwinnerin, vom Bundesligisten SGS Essen kommt.
Neues Trainingszentrum für den Frauenfußball
Parallel werden die Strukturen immer professioneller. Mit dem Bau eines eigenen Trainingszentrums versucht der BVB "beste Bedingungen zu schaffen", wie Schlenker sagt. Für die Frauenmannschaft und auch die Nachwuchsteams, die sukzessive aufgebaut werden sollen. "Es ist ja der Traum eines jeden Vereins, seine Talente selbst zu entwickeln. Das gilt natürlich auch für uns. Dafür erarbeiten wir gerade die Strategie."
Der Frauenfußball beim BVB hat Anspruch und Auftrag, sich selbst zu tragen. Dass er ein Subventionsgeschäft wird, hatte der langjährige Chef Hans-Joachim Watzke schon früh abgesagt. "Dass wir uns als Abteilung innerhalb des Vereins selbst tragen, ist eine große Herausforderung. Das haben wir aber von Anfang an mitgedacht", sagt Schlenker. "Wir stehen da auf sehr gesunden Füßen und haben natürlich den Vorteil, dass wir ein großer Verein, ein großes Unternehmen sind. Wir haben unfassbar gut gewachsene Strukturen und werden von unserem Vermarkter Sportfive unterstützt. Die haben das von Beginn vorangetrieben, wie beim Männerfußball auch. Wir wissen natürlich, dass es verdammt ambitioniert ist, sich auf Dauer selbst zu tragen."
Bevor die nächsten Schritte zur Professionalisierung gegangen werden, muss die Gegenwart gestaltet werden. Von Thomas Sulewski. Er ist der Mann, der die BVB-Frauen in die Regionalliga hieven soll. Dort, wo alles schon ein bisschen mehr nach großem Fußball klingt. Wo die Gegnerinnen nicht mehr aus Iserlohn, Hauenhorst oder Freudenberg kommen. In der Regionalliga West spielen Fortuna Köln, Arminia Bielefeld und Zweitvertretungen von Borussia Mönchengladbach, dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen. Die Traditionsklubs des Männerfußballs greifen immer größere Stücke des Kuchens ab. Auch in den unteren Ligen. Für kleine Vereine, die historisch den Frauenfußball vorangetrieben haben, wie Turbine Potsdam oder auch die SGS Essen, wird es immer schwieriger sich in diesem Großklub-Umfeld zu behaupten. Einige wurde schon von den Riesen einverleibt, Frankfurt etwa.
Sulewski hatte seiner Mannschaft volle Attacke im Derby mit auf den Weg gegeben. Schon nach drei Minuten schoss die überragende Kapitänin Marie Grothe gefährlich aufs Tor, aber Keeperin Matuszek konnte den Freistoß noch entschärfen. Der BVB war wach, war präsent und hatte diese gigantische Westfalenliga-Kulisse im Rücken. Die Gäste waren beeindruckt. In der 19. Minute rauscht ein Kopfball knapp vorbei. So knapp, dass einige Fans auf der Haupttribüne schon den Torschrei losgelassen hatten.
"Unentschieden ist keine Option"
Schalke brauchte mindestens 20 Minuten, um sich aus dem Schwitzkasten zu mühen und zu zeigen, dass sie in dieser Saison sportlich auf Augenhöhe gespielt hatten. Und sie gingen in Führung nach 39 Minuten hob Edina Habibovic den Ball aus der Distanz über BVB-Keeperin Sandra Schröer. Sie stand ein bisschen zu weit draußen. Die Rote Erde verstummte für Momente. So hatte es nicht laufen sollen. Doch ehe sich das Gefühl breit machen konnte, ausgerechnet im Derby den so nahen Aufstieg aus der Hand zu geben, stand es 1:1 (41.). Gegen die schlafmützig verteidigenden Schalkerinnen traf Dana Marquardt per Kopf. Alles war wieder gut, für den BVB. Es wurde laut. Sehr laut. Die Rote Erde bebte mal wieder.
"Das Gegentor ist einfach zu früh gefallen", haderte Schalkes Trainer Stefan Colmsee. In der zweiten Halbzeit ließ er sein Team immer offensiver agieren. Spielfluss kam aber immer weniger auf, das Duell wurde robuster, aber nicht unfair. Viele Zweikämpfe, viele Pfiffe. Und dann die 88. Minute, dann der große Moment von Enderle. Pass, Annahme, Schlenzer, Ekstase. Und Minuten später der "Derbysieger"-Tanz. "Dramaturgisch war das nicht mehr zu überbieten", jubelte Svenja Schlenker. "Die Stimmung in der Kabine war fantastisch." Wegen des Derbysieges, wegen des greifbaren Aufstiegs. Aber, es sei eben so: "Wir müssen noch drei Spiele bestreiten." Vier Punkte beträgt jetzt der Vorsprung, dazu ist das Torverhältnis (ein Plus von 23) deutlich besser.
An die Sensation, an einen Zusammenbruch des BVB auf den letzten Metern, glauben sie derweil bei Schalke nicht mehr: "Insbesondere bei den Spielerinnen ist die Enttäuschung natürlich groß", sagte Coach Colmsee laut "Reviersport" und befand: "Wir haben von vornherein gesagt: Unentschieden ist keine Option. Das Schlimmste wäre gewesen, wenn wir hier mit einem Unentschieden raus- und ungeschlagen durch die Saison gegangen wären und steigen trotzdem nicht auf." So kommt es nun nicht. Wahrscheinlich nicht. Wegen Annika Enderle.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke