VW und Bayer drohen mit Klage
Zwei Weltkonzerne lassen ihre Muskeln spielen. Im Streit mit dem Bundeskartellamt um die 50+1-Regel drohen die VW AG und Bayer AG mit Klage. Mit Bayer Leverkusen und dem VfL Wolfsburg gibt es zwei Vereine, die in der Bundesliga einen Sonderstatus genießen. Hier haben nicht die Mitglieder des Muttervereins (e.V.), sondern die Konzerne das Sagen. Möglich macht das die sogenannte „Förderausnahme“ für Investoren nach 20 Jahren kontinuierlicher Beteiligung. Doch das Sonderrecht steht auf der Kippe.
Das Kartellamt hatte in einer rechtsunverbindlichen Empfehlung im Juni 50+1 grundsätzlich akzeptiert. Die Regel schreibt vor, dass der Mutterverein mit einer Mehrheit der Stimmrechte das letzte Wort in der ausgegliederten Profifußball-Kapitalgesellschaft haben muss. Um zu verhindern, dass ein externer Investor die Kontrolle übernimmt.
Zugleich fordert das Kartellamt aber, dass die DFL nachbessern muss, was den unbefristeten Bestandsschutz der beiden Ausnahmeklubs betrifft, um Kohärenz zu schaffen. Leverkusen und Wolfsburg gaben jetzt eine gemeinsame, 70 Seiten umfassende Stellungnahme bei der Bonner Behörde ab. Weitere 30 Seiten steuerte die Bayer AG bei. Und elf Seiten die VW AG. Zudem gab der Autohersteller bei Kartellrechts-Professor Stefan Thomas von der Universität Tübingen ein Gutachten für das Kartellamt in Auftrag.
Weder Leverkusen mit Bayer noch Wolfsburg mit VW wollen die 50+1-Regel kippen, sie wollen aber ihren Bestandsschutz sichern. Das sind die Kernpunkte der Konzern- und Klub-Stellungnahmen.
Die VW AG stellt fest, dass die Förderausnahme ihrer 100-prozentigen Tochtergesellschaft VfL Wolfsburg GmbH zulässig sei. Und dass es nicht Aufgabe des Kartellamts sei, Wettbewerbsbeschränkungen zu schaffen. Sondern möglichst viel Wettbewerb durch unterschiedliche Teilnehmer in einem geordneten Rahmen zu ermöglichen. VW kündigt an, nötigenfalls durch alle Rechtsinstanzen zu gehen, droht also mit einem Klage-Kurs. Und stützt sich dabei u. a. auf das Aktienrecht, das den Vorstand einer AG verpflichtet, das Eigentum seiner Aktionäre vor Fremdzugriff (hier der e.V.) zu schützen.
Scharfe Kritik von der Bayer AG
Auch die Bayer AG würde sich mit einer Klage wehren. Ihr Angriffspunkt: Das Kartellamt bewertet 50+1 als eine „bewirkte Wettbewerbsbeschränkung“. Die Regel, die es in Europa nur in Deutschland und Österreich gibt, sei zulässig, weil legitime Ziele wie die Mitgliederpartizipation an der Profifußball-Gesellschaft und die Ausgeglichenheit des sportlichen Wettbewerbs verfolgt würden. Die Bayer-Anwälte sind indes überzeugt, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in 50+1 eine „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ sehen würde – und damit einen Kartellrechtsverstoß. Weil Mehrheitsinvestoren unter der Grundregel (50 Prozent plus eine Stimme beim e.V.) zwingend ausgeschlossen würden. Folge wäre die Pulverisierung von 50+1.
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Das Kartellamt ließ gegenüber betroffenen Parteien schon vor Auswertung der Stellungnahmen durchblicken, keine Anordnung zum Umgang mit den 50+1-Ausnahmen erlassen zu wollen. Sondern erneut Hinweise und Einschätzungen zu geben. Auf Anfrage ließ die Behörde offen, „wie und in welcher Form der Verfahrensabschluss erfolgen wird“.
Auch das wird von der Bayer AG scharf kritisiert, die auf einen rechtsverbindlichen Beschluss des Kartellamts drängt. Der könnte vor Gericht überprüft werden, eine bloße Empfehlung würde nicht für Rechtssicherheit sorgen. Gerade um diese zu erreichen, schaltete die DFL vor sieben Jahren überhaupt das Kartellamt ein. Ohne ein juristisches Urteil liegt die Entscheidung am Ende bei der Mitgliederversammlung der 36 Klubs. Eine Klage würde sich also gegen den Ligaverband (DFL e.V.) richten, nicht gegen das Kartellamt.
Wie geht es nun weiter?
Variante 1: Das Kartellamt könnte die Förderausnahmen akzeptieren, wenn die DFL für 50+1-nahe Verhältnisse in Leverkusen und Wolfsburg sorgt. Indem die GmbH dem Mutterverein vertraglich ein größeres Mitspracherecht einräumen muss, etwa bei der Bestellung der Geschäftsführung. Oder Vetorechte bei Themen, die die Mitglieder direkt betreffen (Vereinsfarben, Ticketpreise etc.).
Variante 2: Akzeptiert das Kartellamt die Ausnahmen trotz erweiterter Zusagen an den e. V. nicht, würden Leverkusen und Wolfsburg ihren Sonderstatus nach einer Übergangsfrist von zwei oder drei Jahren verlieren.
Für die DFL wäre es wichtig, dass die finale Stellungnahme des Kartellamts nach dem am 15. März beginnenden Lizenzierungsverfahren für die neue Saison eingeht. Damit kein öffentlicher Druck entsteht, warum die beiden Ausnahmeklubs nicht sofort (mehr) 50+1-Konformität herstellen müssen.
Um für alle Fälle gerüstet zu sein, führt eine DFL-AG, bestehend aus Geschäftsführer Marc Lenz sowie den Präsidiumsmitgliedern Axel Hellmann, Oliver Leki und Oke Göttlich, erste Gespräche mit den Klub-Bossen Fernando Carro (Leverkusen) und Tim Schumacher (Wolfsburg), um Szenarien zu diskutieren und die Klage-Gefahr zu bannen.
Eine Befürchtung: Jeder Lösung, die zu einer DFL-Satzungsänderung führen würde, müssten die Vereine mit einer Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Mancher Klub-Boss, der in den Millionen-Spritzen für die Werksklubs einen jahrelangen Wettbewerbsvorteil gesehen hat, könnte die Chance sehen, eine Rechnung zu begleichen. Selbst auf die Gefahr hin, eine Klage zu provozieren, die 50+1 kippt.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.
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