„Katar ist eine Chance, kein Karriere-Killer“
Dieser Transfer machte besondere Schlagzeilen. Spielerberater Ayman Dahmani transferierte das deutsche Torwart-Talent Robert Kwasigroch von Hertha BSC in die zweite Liga nach Katar. Kurioser Einzelfall oder der Beginn eines neuen Fußball-Trends?
Frage: Sie haben vielleicht den ungewöhnlichsten Transfer des Sommers abgewickelt, als Sie Herthas Robert Kwasigroch für fünf Jahre in die 2. Liga nach Katar vermittelt haben. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Ayman Dahmani: Robert ist mit dem Wunsch an uns herangetreten, seiner Karriere einen neuen Impuls zu geben. Es ging ihm dabei nie ums Geld – bis einen Tag vor der Unterschrift wusste er nicht einmal, welches Gehalt er in Katar verdienen wird. Vielmehr stand für ihn die sportliche und persönliche Chance im Vordergrund. Katar kreiert Chancen. Die Möglichkeit, dort seine Entwicklung zu gestalten, war für ihn der ausschlaggebende Punkt.
Frage: Zurzeit wechseln vor allem ältere Stars am Karriereende für astronomische Gehälter in die arabischen Ligen. Warum werden jetzt auch jüngere Spieler interessant?
Dahmani: Die Liga in Katar verfolgt ein klares Konzept: Sie kombiniert erfahrene Stars mit hungrigen, jungen Spielern. So entsteht eine Balance, von der beide Seiten profitieren. Für junge Spieler ist es spannend, mit Weltklassespielern wie Julian Draxler, Roberto Firmino oder Joselu auf dem Platz zu stehen. Dazu kommen Top-Infrastrukturen, WM-Stadien, moderne Trainingsplätze – alles auf höchstem Niveau.
Frage: Wie muss man sich Fußball in Katar vorstellen?
Dahmani: Modernste Bedingungen. Die Stadien sind dieselben, in denen die Weltmeisterschaft ausgetragen wurde – klimatisiert, auf höchstem Standard. Die Trainingsplätze haben exakt dieselbe Qualität wie die Spielstätten. Hinzu kommen Trainingslager in Europa, internationale Testspiele, Top-Staffs mit Trainern und Analysten aus Spanien, Portugal oder Nordafrika. Kurz: internationale Professionalität auf internationalem Niveau mit kultureller Vielfalt.
Frage: Verwässern Sie nicht mit ihren Transfers das Prinzip der Nationalmannschaften und der großen Turniere?
Dahmani: Das haben Sie jetzt gesagt. Katar plant, früh junge europäische Top-Talente in die Liga zu holen und weiterzuentwickeln. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Und man darf nicht vergessen: Katar hat sportlich längst eigene Erfolge vorzuweisen – 2019 den Asien-Cup gewonnen und 2023 den Titel sogar verteidigt.
Frage: Ist für jüngere Spieler in Katar nicht die Karriere vorbei, bevor sie begonnen hat?
Dahmani: Ein Wechsel nach Katar ist kein Karriere-Killer, sondern ein Chancen-Kreierer. Wir sollten wegkommen von dem Narrativ, dass Europa das Hauptaugenmerk der Fußballwelt ist. Dieses Denken ist überholt. Karriere ist nicht eindimensional „Europa“. Karriere kann auch Vielfalt, Kultur und internationale Erfahrung bedeuten. Der Lebensstandard in Katar ist extrem hoch, die Bedingungen für Profi-Fußballer sind hervorragend. Wer innovativ bleibt, muss den Blick öffnen für andere Märkte, Chancen und Kulturen. Katar ist ein solcher Markt.
Frage: Ist es nicht ein Armutszeugnis für den deutschen Profifußball, wenn Talente weit weg ins Ausland wechseln müssen, um Spielzeit zu bekommen?
Dahmani: Nein, im Gegenteil. Deutschland hat mit 80 Millionen Einwohnern ein großes Reservoir, aus dem außergewöhnliche Talente hervorgehen. Dass einige Spieler international Chancen wahrnehmen, ist ein Kompliment für die deutsche Ausbildung. Für mich ist das kein Armutszeugnis, sondern ein Beleg für die Qualität des deutschen Fußballs.
Frage: Glauben Sie daran, dass es für europäische Spieler in Katar einen Weg zurück nach Europa gibt?
Dahmani: Ja, absolut. Wir haben bereits gesehen, dass Spieler nach Katar den Sprung nach Europa geschafft haben – und genauso gilt das für Saudi-Arabien. In Zukunft wird das ein gegenseitiger Austausch sein, bei dem Spieler in beide Richtungen wechseln können.
Frage: Wie ist das sportliche Niveau in der 1. und 2. Liga im Vergleich zu Deutschland?
Dahmani: Die 1. Liga ist ein Mix aus internationalen Stars und starken lokalen Spielern. In der Spitze ist das Niveau durchaus vergleichbar mit europäischen Ligen, auch wenn die Breite naturgemäß kleiner ist. Die 2. Liga bietet jungen Spielern die Möglichkeit, sich in einem professionellen Umfeld zu entwickeln – mit sehr guten Bedingungen, aber weniger Druck als in Deutschland.
Frage: Angenommen, ich bin ein 23-jähriger deutscher Oberliga-Fußballer, können Sie mir in Katar einen Profi-Vertrag besorgen?
Dahmani: So einfach ist es nicht. Katar scoutet sehr gezielt und international. Wenn ein Spieler „nur“ Oberliga spielt, in Wahrheit aber ein verborgenes Bundesliga-Talent ist, dann kann es sein, dass die katarischen Scouts ihn entdecken. Es gibt nur sehr wenige Kontingentplätze für internationale Spieler, und die Spieler ringen um diese Plätze. Mich erreichen mittlerweile täglich unzählige Nachrichten von Bundesligaspielern – auch von jungen Spielern – für die Katar eine sehr ernsthafte Option ist.
Frage: Wird Robert Kwasigroch 2030 bei der WM in Saudi Arabien für Katar im Tor stehen?
Dahmani: Fußball schreibt seine eigenen Geschichten. Robert kann in drei Jahren auch von einem katarischen Top-Klub zurück nach Europa wechseln und sich dann für Deutschland entscheiden. Vielleicht ist er 2030 tatsächlich Nationaltorwart von Deutschland.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in BILD veröffentlicht.
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