Sieben Frauen an EM-Seitenlinie – doch Deutschlands Bänke bleiben männlich
Bei der Fußball-EM 2025 stehen sieben Frauen als Cheftrainerinnen an der Seitenlinie – ein Höchstwert. Während sich auf europäischer Bühne vorsichtig Bewegung zeigt, bleibt der Fortschritt im deutschen Vereinsfußball jedoch aus.
Die Arme verschränkt, konzentrierter Blick, klare Ansagen aufs Spielfeld. Die Körpersprache: souverän, präsent, selbstverständlich. Diese Szenen wirken unspektakulär – und genau das ist das eigentlich Bemerkenswerte. Bei der Europameisterschaft 2025 ist es nichts Ungewöhnliches mehr, dass Frauen Fußballteams führen. Gleich sieben Nationalmannschaften werden in diesem Sommer von Cheftrainerinnen betreut – ein Rekord.
Was auf internationaler Bühne zunehmend Normalität wird, bleibt in der Frauen-Bundesliga jedoch die Ausnahme. In Deutschlands höchster Spielklasse sind Cheftrainerinnen weiterhin rar. Und auch im Männerfußball sind ihre Spuren kaum zu finden.
EM verleiht Randfiguren Sichtbarkeit
Noch nie waren bei einer Fußball-Europameisterschaft der Frauen so viele Cheftrainerinnen beschäftigt wie in diesem Sommer. Fast die Hälfte der 16 teilnehmenden Nationalteams werden von Frauen geführt – darunter große Fußballnationen wie England mit Sarina Wiegman, Norwegen mit Gemma Grainger oder das Gastgeberland Schweiz mit Pia Sundhage. Auch Spanien, Polen, Wales und Belgien setzen auf weibliches Know-how.
Damit erreicht das Turnier in der Schweiz einen neuen Höchststand. Zum Vergleich: Bei der EM 2013 waren lediglich drei Frauen in leitender Trainerposition, bei den letzten beiden Endrunden jeweils sechs. Die UEFA bezeichnet die Entwicklung als "Meilenstein" – nicht nur für den Frauenfußball, sondern für den Sport insgesamt. Trainerinnen erhalten durch das Turnier eine Sichtbarkeit, die in vielen nationalen Ligen noch immer fehlt.
Die Besetzung der Trainerbänke ist dabei mehr als eine symbolische Frage. Sie zeigt, wer Verantwortung tragen darf, wer als kompetent gilt – und wer nicht. Dass Frauen diese Rollen auf internationaler Ebene zunehmend einnehmen, gilt als wichtiges Signal für die Nachwuchsförderung und die Wahrnehmung weiblicher Expertise im Spitzensport.
Entwicklung ohne deutsche Handschrift
Auch Deutschland hatte bis in jüngster Vergangenheit eine prominente Vertreterin dieser Entwicklung: Martina Voss-Tecklenburg, die das DFB-Team über vier Jahre hinweg als Cheftrainerin betreute und bis zum Herbst 2023 im Amt war. Mit ihrem Rücktritt endete allerdings auch die bisher sichtbarste weibliche Führungsrolle im deutschen Fußball.
Bei der Europameisterschaft 2025 gehört Deutschland mit Chefcoach Christian Wück nicht mehr zu den Nationen, deren Teams von einer Frau geleitet werden. Und nicht nur auf Verbandsebene zeigt sich dieses Bild: Auch in der Bundesliga bleibt die Repräsentation von Frauen in Führungsposition die Ausnahme.
In beiden Bundesligen unterrepräsentiert
In der Saison 2024/25 war die Verteilung auf den Trainerbänken der Frauen-Bundesliga einseitig: Elf Männer, eine Frau. Nur beim SC Freiburg stand mit Theresa Merk eine Cheftrainerin in der Verantwortung. Zur neuen Spielzeit wird auch dieser Posten männlich besetzt sein. Merk wechselt ins Rheinland, wo sie für die Akademie des 1. FC Köln arbeiten wird.
Zur neuen Saison 2025/26 ist zumindest ein gewisser Wandel zu erkennen. Mit Ailien Poese bei Union Berlin und Liese Brancao beim HSV bringen die beiden Aufsteiger erstmals wieder weibliche Expertise in die Coaching-Zone. Zudem sind mit Britta Carlson beim 1. FC Köln und Friederike Kromp bei Werder Bremen zwei weitere Frauen vertreten. Damit stehen aktuell vier Cheftrainerinnen zehn männlichen Kollegen gegenüber – ein Fortschritt, aber immer noch ein deutliches Ungleichgewicht.
In der Männer-Bundesliga fällt die Bilanz noch drastischer aus. Marie-Louise Eta war 2024 die erste Frau, die als Co-Trainerin bei einem Bundesligisten – Union Berlin – tätig war. Ihr Engagement war jedoch nur von kurzer Dauer. Inzwischen trainiert sie wieder die U19 des Vereins. Und auch in der 3. Liga bleibt weibliche Trainerverantwortung eine absolute Ausnahme: Nur Sabrina Wittmann beim FC Ingolstadt ist derzeit als Cheftrainerin eines Männer-Profiteams aktiv.
"Kreislauf, der schwer zu durchbrechen ist"
Dass Frauen so selten in diesen Positionen auftauchen, hat aus Sicht von Ex-Nationalspielerin und Trainerin von Frankfurts U20-Frauenmannschaft, Julia Simic, weniger mit fehlender Qualifikation als mit strukturellen Hürden zu tun. Gegenüber der "Sports Illustrated" beschreibt sie das System als festgefahren: "Wenn es um die Auswahl von Trainern für höherklassige Männer-Mannschaften geht, wird in der Regel auch auf Männer zurückgegriffen. [...] Auch im Sport gibt es immer noch eine Tendenz, dass Männer die Führung übernehmen."
Hinzu komme, so Simic, das fehlende Vitamin B – und die Tatsache, dass Entscheidungsträger in den Vereinen meist selbst Männer sind: "Sie sind mit ihnen vertraut, teilen dieselben Netzwerke. Frauen sind durch fehlende Kontakte außen vor. Auch das ist ein Kreislauf, der schwer zu durchbrechen ist." So bleiben laut der ehemaligen DAZN-Expertin viele talentierte und gut ausgebildete Trainerinnen nicht an der Seitenlinie – sondern auf der Strecke.
Mentoring als Lösungsansatz
Trotz der weiterhin geringen Zahl von Trainerinnen in den höchsten Ligen gibt es Entwicklungen, die auf strukturelle Veränderungen hinweisen. Programme und Initiativen auf nationaler wie internationaler Ebene setzen zunehmend auf gezielte Förderung und langfristige Sichtbarkeit.
Eines dieser Beispiele ist das UEFA-Trainerinnen-Mentoringprogramm, das talentierte Frauen mit A- oder Pro-Lizenz mit erfahrenen Trainerinnen vernetzt. Absolventin, Gemma Grainger, ist inzwischen Cheftrainerin Norwegens – und selbst Mentorin. Auch Polens Nationaltrainerin Nina Patalon engagiert sich im Mentoring-Netzwerk. Für sie ist der Zusammenhalt zentral: „Trainerinnen müssen sich gegenseitig unterstützen. Irgendwann in der Vergangenheit hat dir jemand geholfen und dich motiviert. Jetzt ist der Moment, in dem man genau das Gleiche für andere tun kann.“
Weiterhin langer Weg
Trotz solcher Förderprogramme bleibt der Weg in den Trainerinnenberuf oft schwierig. Viele schaffen es gar nicht erst bis zur A-Lizenz, weil Ausbildung und Prüfungen mit hohen Kosten verbunden sind. Das UEFA-Trainerinnen-Entwicklungsprogramm versucht mit gezielter finanzieller Unterstützung, diesem Problem entgegenzuwirken. Seit 2016 haben darüber mehr als 2.400 Frauen eine UEFA-Lizenz erworben.
Kim Kulig, Ex-Nationalspielerin und Trainerin des Schweizer Erstligisten FC Basel, erzählt dem NDR, dass sie zuversichtlich ist: "Ich glaube, wir sind in einer sehr spannenden Zeit. Es wächst gerade eine Generation an Frauen heran, die wirklich auch diesen Weg gegangen sind und jetzt auch mutig parat stehen. Das war nicht immer so. Jetzt ist auch die Frage: Nutzen dann die Vereine diesen Mut? Ich hoffe schon."
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