Friedhelm Funkel ist einer der erfahrensten Trainer im deutschen Fußball. Zuletzt trainierte er den 1. FC Köln und stieg mit dem Klub in die Bundesliga auf. Nach diesem Erfolg kam es dennoch zu keiner weiteren Zusammenarbeit, beide Seiten trennten sich. Im großen Interview spricht der 71-Jährige über seine Favoriten in der neuen Saison der Zweiten Bundesliga und die Wechsel auf der Trainerposition. Miroslav Klose vom 1. FC Nürnberg traut Funkel Großes zu.

Frage: Herr Funkel, am 1. August startet die Zweite Liga mit dem Kracher FC Schalke 04 gegen Hertha BSC in die neue Saison. Wer sind Ihre Aufstiegsfavoriten?

Friedhelm Funkel: Ich sehe nicht den einen oder die zwei Favoriten. Was für mich feststeht: Elversberg, Paderborn und Magdeburg, die im Mai hinter den Aufsteigern Köln und HSV die Plätze drei bis fünf belegt und jeweils eine hervorragende Saison gespielt hatten, haben keine Chance.

Frage: Warum nicht?

Funkel: Weil sie mit Horst Steffen, Lukas Kwasniok und Christian Titz ihre erstklassigen Trainer verloren haben, dazu wichtige Spieler. Vergangenes Jahr hatte ich mich auf Köln und den HSV festgelegt …

Frage: … und lagen richtig.

Funkel: Diesmal sehe ich keine Mannschaft, die so herausragend gut besetzt ist, dass sie sicher aufsteigen wird. Aus meiner Sicht haben fünf, sechs Mannschaften das gleiche Niveau: Düsseldorf, Kaiserslautern, Hannover, Karlsruhe, Bochum und Hertha BSC. Ich glaube, diese sechs Klubs werden das erste Drittel unter sich ausmachen, weil sie nicht nur gute Mannschaften, sondern vor allem sehr gute und erfahrene Trainer haben.

Frage: Hertha wird von Stefan Leitl trainiert. Sind Sie überrascht, dass die Berliner Ihren Topspieler Fabian Reese bis 2030 binden konnten?

Funkel: Fabian Reese hat zu 100 Prozent Bundesliga-Potenzial, aber so wie ich ihn einschätze, ist er total zufrieden bei Hertha BSC, mit der Stadt Berlin. Dass er einen so langfristigen Vertrag unterschrieb, unterstreicht das.

Frage: Was spricht im Aufstiegskampf für Hertha?

Funkel: Sie haben erfahrene Spieler mit Toni Leistner, mit John Anthony Brooks. Er ist außergewöhnlich für die Zweite Liga. Doch er muss gesund bleiben. Dazu haben die Berliner mit der Verpflichtung von Paul Seguin einen guten Transfer getätigt, auch wenn er zuvor bei Schalke keine einfache Zeit hatte. Für ihn ist es jetzt ein Vorteil, dass er in Berlin mit Stefan Leitl einen Trainer hat, der ihn kennt und den er kennt.

Frage: Seguin war 2020/21 ein Schlüsselspieler von Leitl, als beide mit Fürth in die Bundesliga aufgestiegen sind.

Funkel: Deshalb besteht zwischen ihnen ein großes Vertrauensverhältnis. Dazu kommt, dass Stefan Leitl ein großartiger Mensch ist und weiß, wie er Spieler anzupacken hat. Das kommt Hertha zugute. Dass er Ende des vergangenen Jahres in Hannover bei nur zwei Punkten Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz entlassen worden ist, konnte ich nicht verstehen.

Frage: An Weltmeister Miroslav Klose gab es in seinem ersten Jahr beim 1. FC Nürnberg nie Zweifel, obwohl „der Club“ Durchhänger hatte. Wie bewerten Sie seine Arbeit?

Funkel: Miro Klose hat mich total positiv überrascht. Anfangs gab es Stimmen, die gesagt haben: Er schafft es nicht als Trainer in der Zweiten Liga, als es beim Club von den Ergebnissen her nicht sofort rundlief. Doch die Verantwortlichen hielten an ihm fest, und Miro zahlte zurück, hat sich durchgesetzt. Er hat es mit einer jungen Mannschaft herausragend gemacht, zeitweise um die Aufstiegsplätze mitgespielt. Außerdem hat Miro viele junge Spieler deutlich besser gemacht.

Frage: Teilweise so viel besser, dass sie für Millionen-Summen verkauft wurden.

Funkel: Ja, viele Spieler haben den Club verlassen (u. a. Tzimas für 26,5 Millionen Euro Ablöse zu Brighton, Castrop für 4,5 Millionen Euro zu Mönchengladbach; d. Red.), die Mannschaft ist deshalb schwächer als vergangene Saison. Mit dem Aufstieg wird Nürnberg nichts zu tun haben, aber auch nichts mit dem Abstieg.

Frage: Sieht man Klose bald als Trainer in der Bundesliga?

Funkel: Ich glaube fest daran, dass er über kurz oder lang in der Bundesliga zu sehen sein wird. Die Arbeit von ihm in Nürnberg ist so gut, dass andere Klubs bestimmt auf ihn aufmerksam geworden sind.

Frage: In Düsseldorf soll Trainer Daniel Thioune den Klub in die Bundesliga zurückführen.

Funkel: Die Fortuna muss aufsteigen, und die Vorzeichen stehen gut. Die Euphorie in Düsseldorf ist da. Daniel Thioune passt sehr gut zum Verein und hatte noch nie so früh fast den kompletten Kader zur Verfügung wie jetzt. Er lässt guten Fußball spielen, aber irgendwann muss das zum Erfolg führen. Darum werden in der kommenden Spielzeit alle bei Fortuna am Aufstieg gemessen. So offen habe ich das noch nie gesagt.

Frage: Neben Thioune auch Manager und Klub-Ikone Klaus Allofs?

Funkel: Natürlich gilt das genauso für Klaus Allofs. Er spricht ja immer wieder vom Aufstieg.

Frage: Hannovers Klub-Patron Martin Kind wünscht sich nach sieben Jahren Zweitklassigkeit in Folge ebenfalls den Aufstieg. Um das zu schaffen, wurden 14 neue Spieler geholt, dazu mit Christian Titz ein neuer Trainer. Ist der Umbruch nicht zu groß?

Funkel: Ich glaube, das ist keine Gefahr. Wichtig ist, in dieser Situation einen erfahrenen Trainer zu haben, der eine klare Spielphilosophie hat, der genau weiß, wie er eine Mannschaft führen muss. Mit Christian Titz hat Hannover den Richtigen gefunden, das hat er zuletzt in Magdeburg eindrucksvoll bewiesen. Ein so großer Umbruch ist eine Chance für die Spieler und den Trainer.

Frage: Weltmeister und Identifikations-Figur Ron-Robert Zieler verließ 96 in Richtung Köln. Kann das zum Bumerang werden?

Funkel: Ich kenne Ron-Robert Zieler aus unserer gemeinsamen Zeit beim 1. FC Köln in der Saison 2020/21. Er ist nicht nur ein hervorragender Torhüter, sondern ein ganz toller Mensch. Sonst wäre er bei 96 nicht Kapitän gewesen. Für Hannover ist es sportlich und menschlich ein großer Verlust.

Frage: Wie schätzen Sie die Situation bei Absteiger Bochum ein – vor allem mit Trainer Dieter Hecking?

Funkel: Er ist eine Persönlichkeit, das tut dem VfL gut – auch wenn es ihm vergangene Saison nicht gelang, mit Bochum die Klasse zu halten. Das wäre aufgrund der Voraussetzungen ohnehin einem Wunder gleichgekommen. Dieter Hecking hat aber Ruhe in den Verein gebracht. Die Fans stehen trotz des Abstiegs hinter ihrem VfL, der eine starke Mannschaft hat. Der Königstransfer ist mit Sicherheit Kevin Vogt.

Frage: Der Abwehrspieler kehrte von Union Berlin nach Bochum zurück. Was macht ihn so wertvoll?

Funkel: Ich kenne ihn noch aus meiner Zeit in Bochum (2010 bis 2011). Damals hat er als junger Spieler den Sprung in den Profi-Fußball geschafft. Er wird der Mannschaft guttun, weil er in den vergangenen Jahren zu einer Persönlichkeit gereift ist – vor allen Dingen in Hoffenheim, dort war er jahrelang Stammspieler und Leistungsträger. Und mit Timo Horn haben die Bochumer einen sehr erfahrenen Torhüter. Das ist sehr wichtig nach einem Abstieg.

Frage: Ist Kaiserslauterns Trumpf ebenfalls der Trainer Torsten Lieberknecht?

Funkel: Er ist 2013 mit Braunschweig und 2023 mit Darmstadt aufgestiegen, das ist sensationell. Das zeigt, dass Torsten Lieberknecht Mannschaften aufbauen kann. Und er verkörpert das, was die Menschen in Kaiserslautern sehen wollen: Er ist offen, sympathisch, geht auf die Leute zu. Das ist wichtig in so einer kleinen Stadt. Hinzu kommt, dass Torsten nun bei seinem Herzensverein arbeitet, für den er als Profi spielte.

Frage: Das heißt?

Funkel: Er wird dafür sorgen, dass typischer Betzenberg-Fußball gespielt wird. Ärmel hochkrempeln, zweikampfstark und emotional sein, nach vorne spielen – um das fantastische Publikum hinter sich zu haben. Die Euphorie ist jetzt schon riesig bei knapp 33 000 verkauften Dauerkarten, was einen neuen Rekord für den Verein in der 2. Liga bedeutet. Natürlich hat der FCK mit Ragnar Ache (wechselte nach Köln, d.Red.) seinen Topspieler verloren. Doch die Mannschaft wird nicht schlechter sein als vergangene Saison, als Kaiserslautern lange oben mitspielte.

Frage: Sie zählen den KSC ebenfalls zum Favoritenkreis.

Funkel: Die Karlsruher dürfen sich Hoffnung machen, weil sie mit Marvin Wanitzek einen Unterschiedsspieler im Kader haben. Dazu nimmt Trainer Christian Eichner eine ganz wichtige Rolle ein: Er kommt bei der Mannschaft gut an, kann Spieler begeistern und entwickelt sie weiter.

Frage: Wie schätzen Sie Schalke 04 ein?

Funkel: Schalke ist eine große Wundertüte. Ich kenne den neuen Trainer Miron Muslic noch nicht, ich kenne viele der Spieler nicht. Dazu fällt mit Kenan Karaman ein ganz wichtiger Führungsspieler verletzungsbedingt lange aus. Darum wäre es für die Schalker ganz wichtig, eine sorgenfreie Saison zu spielen, nachdem sie in den vergangenen beiden Jahren lange zittern mussten.

Frage: Weil die Kontinuität in der Führung fehlte?

Funkel: Ja – und auf der Trainerposition. Darum versucht man es jetzt mit Frank Baumann (offiziell seit 1. Juni 2025 S04-Sportvorstand, d.Red.). Er steht für Kontinuität und für fußballerische Fachkenntnis. Das hat er in Bremen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nur: Schalke ist nicht Werder. In Bremen geht es ruhiger zu. Frank wird sicher einiges verändern. Aber er braucht Zeit, die sollte man ihm geben. Man muss in den Spiegel schauen und die Wahrheit aussprechen: Mehr als Schalke sportlich zu stabilisieren, ist in dieser Saison nicht drin. Es wird zwei, drei, vier Jahre dauern, um Schalke wieder nach oben zu führen.

Frage: Sie sprechen von einer „sorgenfreien Saison“ in der Zweiten Liga. Ist das für einen Klub wie Schalke nicht unwürdig?

Funkel: Für die Vergangenheit kann man sich nichts kaufen. Der Verein wurde früher geprägt von Trainer-Persönlichkeiten wie Huub Stevens – oder in der Führung vom ehemaligen Aufsichtsrats-Vorsitzenden Clemens Tönnies. Während seiner Zeit war Schalke in der Spitzengruppe der Bundesliga und spielte mehrmals in der Champions League. Nach den Zerwürfnissen wurde es nicht mehr geschafft, den Klub auf dem Niveau zu halten, es ging Jahr für Jahr bergab.

Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Sport Bild“ veröffentlicht.

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