Diese Schwedin stemmt besonderen EM-Spagat
Mutterschaft und Profikarriere - im Fußball noch immer eine Ausnahmeerscheinung. Amanda Ilestedt, Innenverteidigerin beim FC Arsenal und Nationalspielerin Schwedens, beweist bei der Fußball-EM, dass beides vereinbar ist.
Es ist der 29. Januar 2025, FA-Cup, vierte Runde gegen Bristol City. Arsenals Amanda Ilestedt steht am Seitenrand, bereit zur Einwechslung. Auf der Tribüne ihr kleinster, aber vermutlich wichtigster Fan: ihre Tochter Mila. Dick eingepackt in eine Winterjacke sitzt sie auf dem Schoß ihres Vaters Rainer - und schaut dabei zu, wie ihre Mutter fünf Monate nach der Geburt ihr Comeback im Arsenal-Trikot gibt.
"Einer der stolzesten Momente meiner Karriere", schreibt die schwedische Innenverteidigerin und Mama später auf Instagram. "Etwas, wovon ich immer geträumt habe, ist jetzt Wirklichkeit geworden. Eine eigene kleine Familie zu gründen und trotzdem den Sport auszuüben, den ich am meisten liebe - das ist etwas ganz Besonderes."
Im März 2024 macht Ilestedt ihre Schwangerschaft bei Arsenal öffentlich, zu dem Zeitpunkt ist sie bereits im vierten Monat schwanger - trainieren will sie so lange wie möglich. Mit enger medizinischer Begleitung absolviert sie weiterhin leichtes Lauftraining, Technikübungen und individuell angepasste Programme. "Man hört oft, dass man während der Schwangerschaft nichts tun darf. Ich bin froh, dass ich es konnte", sagt sie rückblickend im Gespräch mit dem britischen "The Telegraph". Als die Beschwerden zunehmen, fährt sie in Absprache mit ihrem Verein und den Ärzten das Training zurück. Ende August bringt sie dann Tochter Mila per Kaiserschnitt zur Welt.
"Ich stille vor dem Training, trainiere, stille danach"
Gerade einmal vier Monate später, im Dezember, beginnt sie schon wieder vorsichtig mit dem Teamtraining. Ihr Körper, über Jahre auf Höchstleistung getrimmt, muss sich jedoch erstmal neu orientieren. "Man merkt, was der Körper durchgemacht hat. Ich musste meine Muskulatur neu aktivieren", erklärt die frischgebackene Mama. In dieser Phase zeigt sich, wie entscheidend die Unterstützung ihres Vereins ist: Arsenal begleitet die Rückkehr nicht nur sportlich, sondern auch organisatorisch - flexibel, individuell und mit Verständnis. Ilestedt weiß das zu schätzen: "Ich bin so dankbar für alles, was Arsenal für mich und meine Familie getan hat - sowohl vor als auch nach der Geburt."
Denn Ilestedts Alltag ist inzwischen ein anderer. Tochter Mila wird gestillt und nimmt keine Flasche - jede Trainingseinheit erfordert sorgfältige Planung. "Ich stille vor dem Training, trainiere, stille danach. Das ist mein Tagesablauf", erklärt sie. Der Klub stellt ihr ein eigenes Stillzimmer zur Verfügung, passt Trainingszeiten und Abläufe an. Ihr Partner Rainer übernimmt die Betreuung der Tochter. "Ohne ihn wäre es nicht möglich", betont Ilestedt.
Einzelfall statt Normalität
Heute, fast ein Jahr nach Milas Geburt am 30. August 2024, steht Ilestedt wieder auf internationalem Rasen. Bei der laufenden Europameisterschaft 2025 kommt sie bisher einmal zum Einsatz - im zweiten Gruppenspiel gegen Polen. Beim 4:1-Sieg gegen Deutschland musste sie zuschauen. Im Viertelfinale treffen die Schwedinnen auf England (Donnerstag, 21 Uhr/ZDF und im ntv.de-Liveticker).
Ihre Rückkehr setzt ein klares Ausrufezeichen. Denn nach dem Vorrundenaus der isländischen Nationalmannschaft ist Amanda Ilestedt die einzige verbliebene Mutter im Teilnehmerfeld der Europameisterschaft 2025. Dagný Brynjarsdóttir, Mittelfeldspielerin bei West Ham United und ebenfalls Mutter, war zwar Teil des isländischen Kaders, schied mit ihrem Team jedoch bereits in der Gruppenphase aus.
Strukturen mit Lücken
Dass Ilestedt bei dieser Europameisterschaft die einzige Spielerin mit Kind auf dem Platz ist, zeigt deutlich, wie selten Mutterschaft und Profifußball bislang zusammengehen. Die geringe Zahl verweist auf strukturelle Hürden, die viele Spielerinnen davon abhalten, nach einer Geburt auf höchstem Niveau zurückzukehren.
Im Januar 2021 führt die FIFA erstmals einheitliche Mutterschutzregelungen für den Profifußball ein. Spielerinnen haben seither Anspruch auf mindestens 14 Wochen Mutterschaftsurlaub bei Fortzahlung von zwei Dritteln ihres Gehalts, sind während der Schwangerschaft vor Kündigung geschützt und müssen die Möglichkeit erhalten, ins Team zurückzukehren. Dass diese Regelungen jedoch überhaupt auf internationaler Ebene verankert wurden, fiel in eine Zeit wachsender öffentlicher Aufmerksamkeit für die Rechte von Spielerinnen - ausgelöst auch durch Einzelfälle wie den der isländischen Nationalspielerin Sara Björk Gunnarsdóttir.
Nachdem ihr damaliger Klub Olympique Lyon während ihrer Schwangerschaft Teile ihres Gehalts einbehält, klagt sie erfolgreich vor der FIFA. Die Entscheidung verpflichtet den Verein zur Nachzahlung. Ihr Vertrag wurde nach der Geburt dennoch nicht verlängert. Der Fall verdeutlicht, welchen Unsicherheiten Spielerinnen im Schwangerschaftsfall ausgesetzt sein können - selbst auf höchstem sportlichen Niveau.
Viele Vereine handhaben Schwangerschaften weiterhin individuell. Verträge laufen aus, ohne dass eine Weiterbeschäftigung geregelt ist, Wiedereinstiegsmodelle sind selten verbindlich verankert, und organisatorische Lösungen - etwa zur Kinderbetreuung - müssen häufig privat geschaffen werden. Ilestedt hebt hervor, wie wichtig in ihrem Fall die Unterstützung durch Verein, medizinisches Personal und ihr privates Umfeld war. "Ich wusste nicht, was mich erwartet - aber ich habe mich sicher gefühlt." Ohne die Bedingungen, die ihr geschaffen wurden, sei ihre Rückkehr in den Spielbetrieb nicht möglich gewesen.
Deutsche Vorbilder: Schult und Leupolz
Auch im deutschen Profifußball gibt es Spielerinnen, die nach der Geburt eines Kindes ihren Weg im Leistungssport fortgesetzt haben. Zwei von ihnen: Almuth Schult und Melanie Leupolz.
Schult war die erste Spielerin im DFB-Team, die als Mutter an einem großen Turnier teilnahm. Nach der Geburt ihrer Zwillinge im Jahr 2020 wurde sie 2022 wieder in die Nationalmannschaft berufen und stand im Kader für die Europameisterschaft in England. Zum Einsatz kam sie dort nicht – und auch danach spielte sie im Nationalteam keine größere Rolle mehr. Die Torhüterin kämpfte um ein Comeback, fand jedoch sportlich kaum noch Anschluss. Inzwischen hat sie ihre Karriere beendet, nachdem sich keine neue Perspektive ergeben hatte und sie inzwischen mit ihrem vierten Kind schwanger ist.
Schult sprach offen über strukturelle Hürden, etwa bei der Trainingsorganisation oder der fehlenden Unterstützung für Spielerinnen mit Kind. Viele Standards musste sie sich im Austausch mit Verband und Umfeld erst erarbeiten - darunter auch die Frage, wer für die Kinderbetreuung während Lehrgängen aufkommt. Ihre Erfahrungen machten erstmals öffentlich sichtbar, mit welchen praktischen Fragen Mütter im Profifußball konfrontiert sind.
Auch Melanie Leupolz kehrte nach einer Geburt in den internationalen Spitzensport zurück. 2022 wurde sie Mutter, neun Monate später stand sie im Kader der deutschen Nationalmannschaft für die WM in Australien. Ihr Sohn reiste mit - inklusive Babysitter -, die Organisation unterstützte der DFB. Leupolz machte deutlich, dass dieser Weg ohne ein unterstützendes Umfeld kaum möglich gewesen wäre. "Viele Spielerinnen mussten sich bisher zwischen Kind oder Karriere entscheiden", sagte sie "Sports Illustrated". Nicht selten seien Karriereunterbrechungen nicht sportlich begründet, sondern durch fehlende strukturelle Bedingungen entstanden.
Bei ihrem Verein FC Chelsea fand Leupolz die nötige Unterstützung. Trainerin Emma Hayes, selbst Mutter, hat ihr frühzeitig Rückhalt zugesichert. "Ich habe das Glück, dass hier gute Menschen an den wichtigen Positionen sitzen", zeigte sich Leupolz dankbar. Hayes betonte öffentlich: Wer nach einer Verletzung alles dafür tue, dass Spielerinnen schnell zurückkehren, müsse das bei Schwangerschaften ebenso tun.
Mutterschaft im Profifußball - ein Privileg
Ilestedts Präsenz bei der Europameisterschaft zeigt, dass ein Weg zurück möglich ist - mit einem unterstützenden Verein, einem starken privaten Netzwerk und viel Eigeninitiative. "Beides ist möglich, eine Familie zu gründen und weiter auf höchstem Niveau zu spielen. Ich hoffe, ich kann Frauen zeigen, dass beides geht", wünscht sich die schwedische Profispielerin.
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