Agit Kabayel ist Deutschlands bester Boxer. Der Interim-Weltmeister des WBC-Verbands wartet nun auf seine große Chance. Der 32-Jährige könnte Oleksandr Usyk in Rente schicken. Am liebsten würde Kabayel ihn in Deutschland entthronen - die Chancen dafür stehen nicht schlecht, sagt der Profiboxer im Interview.

ntv.de: Herr Kabayel, Sie sind fast an der Spitze des Boxsports angekommen. Sind Sie ein bisschen verärgert, dass Sie noch nicht den ganz großen WM-Kampf bekommen haben?

Agit Kabayel: Verärgert bin ich nicht. Aber natürlich musst du viel Geduld mitbringen. Das ist ein Punkt, wo du auch professionell sein musst. Ich denke einfach, die Kämpfe kommen zur richtigen Zeit. Ich bin in der Hinsicht sehr gläubig. Wenn der liebe Gott das so geschrieben hat, dass der Kampf dann kommen soll, dann kommt er. Daher warte ich auf den Kampf zwischen Oleksandr Usyk und Daniel Dubois. Was dann kommt, steht in den Sternen. Aber warum nicht mal wieder ein Event in Deutschland machen?

Ein Boxevent auf Weltklasseniveau gab es bereits seit Jahrzehnten nicht mehr.

Das ist geplant, das kann ich hier auch ankündigen. Mein Promoter will gerne nach Deutschland kommen und da sind wir in intensiven Gesprächen, weil wir sehen, welchen Zuspruch ich aus Deutschland bekomme. Wir haben hier eine sehr starke Community aufgebaut im Kampfsportbereich. Wir können uns bei MMA bedanken, das sehr groß geworden ist. Dadurch schaut man auch wieder aufs Boxen. Ich glaube, das geht Hand in Hand.

Sollte das zustande kommen, hätten Sie eine Präferenz, wo Sie um den Titel kämpfen?

Ich würde gerne bei mir kämpfen, in NRW. Ich bin heimatverbunden. Ich bin aber nicht abgeneigt, auch irgendwann große Kämpfe in ganz Deutschland zu machen. Ich will die Community beleben, damit die Leute sagen: Guck mal, der Boxsport kann in Deutschland noch groß werden. Wir haben da jemanden in der Weltelite. Dafür müssen wir alle an einem Strang ziehen.

Sehen Sie sich in der Pole Position für einen Titelkampf?

Ich bin in der Pipeline, weil ich Interim-Weltmeister bei der WBC bin. Aber malen wir uns das Bild einmal schön und Usyk gewinnt gegen Dubois. Da steht Joseph Parker im Raum und da steht der Name Agit Kabayel im Raum. Entscheidend ist, was Usyk macht. Kämpft er gegen Parker in der Ukraine? Das findet nicht statt, weil dort die Bedingungen nicht gegeben sind. Parker in dessen Heimat Neuseeland boxen? Aber wer fliegt nach Neuseeland, um einen Boxkampf anzugucken? Ich denke, interessanter wäre Usyk gegen mich in Deutschland, denn wir haben hier sehr viele Ukrainer und ich glaube, den Kampf wollen sehr viele Leute sehen. Und es gibt auch noch die Möglichkeit, dass Usyk gewinnt und anschließend seine Karriere beendet. Dann bin ich so gesehen von der Couch aus Weltmeister. Das kann alles passieren.

Entscheiden tun bei den großen Fights dann aber meistens andere.

Alle wollen immer die großen Namen. Es müssen aber Gegner sein, die ins Budget passen, damit man sie nach Deutschland holen kann. Man darf nicht vergessen: Es kostet alles sehr viel Geld und es liegt nicht in meiner Hand. Ich bin bereit für alle. Ich will mich immer sportlich messen, sehe da auch keine persönliche Sache.

Jetzt hat der Faktor Geld dazu geführt, dass viele der großen Kämpfe in Saudi-Arabien stattgefunden haben, was natürlich am Ende auch für Sie ein Vorteil war. Da war die Gage entsprechend hoch. Würden Sie auf eine hohe Gage verzichten, um eine Legende wie Usyk oder in Deutschland zu boxen?

Bei mir gibt es diese gigantischen Börsen gar nicht, wo man hier über achtstellige Summen redet. Es sind hohe Börsen, aber am Ende des Tages kann ich meinen Traum verwirklichen. Ich bin bereit, auf Geld zu verzichten, denn ich liefere einfach unterhaltsame Kämpfe. Natürlich, durch die Saudis sind es die Sportler jetzt gewöhnt, diese ganzen hohen Börsen mitzunehmen. Da fällt es vielen dann schwer, zu verzichten. Aber mir wäre das egal. Ich will Weltmeister werden. Das war schon immer mein Traum.

Usyk ist einer der letzten verbliebenen großen Namen des Sports. Was macht einen Kampf gegen ihn so reizvoll?

Da juckt es schon in den Händen, weil Usyk und ich die einzigen in der Top-10 der Welt sind, die ungeschlagen sind, wo die Null noch steht. Uysk müsste sich bei einem Rücktritt nach dem Dubois-Kampf schon fragen lassen: Oh, da war einer, der die Null noch und war genau hinter mir in der Rangliste und eigentlich der Pflichtherausforderer, und ich habe die Herausforderung nicht angenommen und bin in die Rente gegangen. Vielleicht juckt es ihm auch in den Händen. Aber dieser Mann hat schon alles erreicht. Das muss man ihm wirklich lassen. Dieser Mann ist Cruisergewicht-Weltmeister, Olympiasieger und Schwergewichtsweltmeister gewesen.

Sie haben letztlich noch mehr Jahre in Ihrer Karriere vor sich. Ist Geduld eine Sache, die Sie über die Jahre dazugelernt haben?

Ja, das ist so. Ich will im Flow bleiben. Es läuft aktuell sehr gut für mich und ich fühle mich körperlich in einer super Verfassung. Ich bin aktuell 32 Jahre alt. Man sagt, jetzt ist die Prime Time im Schwergewicht. Wir warten wie gesagt den Kampf am 19. Juli ab. Ich werde auch vor Ort sein. Ich bin zwar der zurückhaltende Typ, aber vielleicht gehe ich doch in den Ring und fordere den Gewinner heraus. Auf sportlicher Ebene, niemals persönlich.

Um ein bisschen die Brücke zu MMA zu schlagen, was ist denn dann so das Faszinierende für Sie an dem Sport? Schauen Sie mit dem boxerischen Auge auf die Fights?

Mit dem boxerischen Auge gucke ich nicht drauf, weil dann müsste ich jedes Mal meine Augen zumachen. Es ist ein anderes Boxen im Käfig. Ich achte eher darauf: Wie sind die Fans drauf? Wie ist die Stimmung in der Halle? Und wie gesagt, sportlich hat man die Erfahrung, wenn man mit Abus Magomedov im Training ist und ihm beim Sparring zuschaut, ihn unterstützt. Da weiß man schon, was die Jungs draufhaben.

In MMA und Boxen sind Showelemente ein wichtiger Faktor geworden. Tyson Fury hat sich auf einem Thron in die Halle tragen lassen. Passt das zum Kampfsport? Muss es einen Rahmen haben?

Ich denke, das muss immer einen Rahmen haben. Man darf. Am Ende des Tages ist es keine Clownsveranstaltung. Die Leute haben Bock auf eine Show, die haben Bock auf ein Spektakel. Und dazu gehört der Trash Talk im Vorlauf, das zeremonielle Wiegen, ein bisschen dieses Rumgeschubse. Du musst danach nur Charakter beweisen, damit umzugehen und das nicht auf die persönliche Ebene zu ziehen, denn dann verlierst du. Nach dem Kampf muss alles vergessen sein. Es ist Sport und wir versuchten, die Leute zu unterhalten.

Ihr Spitzname ist "Leberkönig". Wie kann man das bei einem Einmarsch in die Halle kreativ umsetzen?

Ich habe mir den Namen erarbeitet und Geschichte im Schwergewichtsboxen geschrieben. Ich habe drei Top-5-Kämpfer mit Körpertreffern zu Boden geschickt. Ich sorge also irgendwo für Spektakel. Am Ende nicht beim Drumherum. Und ich denke, jeder hat da seine Bestimmung. Und ich glaube, meine liegt im Ring.

Mit Agit Kabayel sprach Michael Bauer

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