Die wahnwitzige Aufregung um Social-Media-Star Alisha Lehmann
Alisha Lehmann ist ein Phänomen. Die 26-Jährige schart viele Millionen Follower in den Sozialen Medien um sich. Berühmt ist sie für ihr Aussehen, weniger dafür, dass sie Fußball-Nationalspielerin ist. Vor der Europameisterschaft in ihrer Heimat Schweiz nimmt das noch einmal zu.
"Das kosten die Luxus-Accessoires unserer Nati-Stars" und "Alisha Lehmann rückt im 6000-Franken-Outfit ein": Die Schweizer Schlagzeilen zeigen die Prioritäten bei der Berichterstattung zur Fußball-EM der Frauen (2. bis 27. Juli) im eigenen Land. Es geht häufig um das Aussehen der Spielerinnen, um deren Mode.
Und vor allem geht es um Alisha Lehmann - obwohl natürlich auch der Schweizer Kader aus 23 Spielerinnen besteht. Welche Kleidung sie trägt, was diese wert ist. Wie lang ihre Fingernägel sind, wie ihre Augenbrauen geformt sind - aber eher selten geht es um den Fußball. Es geht um ihre Inszenierung in den sozialen Medien. Denn da ist sie erfolgreich wie keine andere. Die 26-Jährige hat 16,7 Millionen Follower auf Instagram, dazu kommen 12 Millionen auf Tiktok. Zum Vergleich: Deutschlands beliebte Kapitänin Giulia Gwinn hat 643.000 Follower bei Instagram.
Schlagzeilen wie "Alisha Lehmann kommt im Gucci-Kleid und mit handbemalten Schuhen" kann man tatsächlich in die Welt des Männerfußballs transferieren. Auch in Deutschland. Denn auch im deutschen Kader gibt es die, die herausstechen. Leroy Sané etwa steht auf ausgefallene Mode, kommt schon mal im Teddyplüschmantel. Und wird dafür in der Öffentlichkeit wahlweise gefeiert oder verlacht. Und die Kritiker prangern an, dass er sich doch lieber auf den Fußball konzentrieren solle.
Deniz Undav dagegen fällt auf, weil er das komplette Gegenteil ist und sein Zeug in der Plastiktüte transportiert. "Mich juckt es wirklich nicht", sagte der Stürmer kürzlich bei der Nationalmannschaft. Und nahm zugleich Sané in Schutz: "Und wenn er nur in Boxershorts hier ankommen möchte, dann soll er das machen. Man sollte nicht darüber diskutieren, ob das cool ist oder nicht. Das ist seine Entscheidung."
Kapitänin nimmt Lehmann in Schutz
Auffällig ist die Konzentration auf Lehmann bei den Schweizer Frauen, weil die 26-Jährige keine Entscheidungsspielerin im Schweizer Team ist. Ihre Nominierung für die EM war gar lange fraglich. Bei ihrem Klub Juventus Turin, mit dem sie jüngst italienische Meisterin wurde, ist die Offensivkraft nur Ergänzungsspielerin. In 14 Spielen der Serie A schoss sie lediglich zwei Tore und bereitete eines vor. Eingewechselt wurde sie zumeist erst in den Schlussphasen. Auch im Nationalteam ging es Lehmann, die auf 59 Einsätze für die Nati kommt, zuletzt nicht anders. Kritiker stellten daher infrage, ob sie für das Team nötig ist und äußerten gleichzeitig das Vorurteil, Lehmann würde nur nominiert, weil sie dem Team Aufmerksamkeit bringt. Weil auf sie verzichten bedeuten würde, ihre Präsenz im Internet zu verlieren.
Nun ist Nationaltrainerin Pia Sundhage aber ein ganz alter Hase im Geschäft und nicht bekannt dafür, sich um öffentliche Meinungen zu scheren. Im Gegenteil, sie ist als beharrlich und meinungsstark bekannt. Vor der EM rumort es, weil sich Spielerinnen angeblich beklagen, ihr Training sei zu hart, sie nehme zu wenig Rücksicht auf jede Einzelne. Der Erfolg gab der 65-Jährigen bislang recht; sie coachte die USA zu dreimaligen Olympiasiegern, sie wurde mit ihnen Vizeweltmeister und war auch schon für Brasilien und ihr Heimatland verantwortlich.
Die Schwedin entschied sich bei all dem Trara dafür, Lehmann für den 23er-Kader zu nominieren. Allerdings in ganz neuer Rolle: als Außenverteidigerin. Im Sturm hat ihr unter anderem das 18-jährige Toptalent Sydney Schertenleib vom FC Barcelona den Rang abgelaufen. "Alisha hat die Herausforderung der neuen Position auf der rechten Seite angenommen und die richtigen Fragen gestellt. Sie hat gezeigt, dass sie unbedingt Fußball spielen und dabei sein will", sagte Sundhage. Bei den Frauen wird es aufgrund der zunehmenden Professionalisierung zwar seltener, dennoch ist es nicht unüblich, dass Spielerinnen auf verschiedenen Positionen einsetzbar sind. Sogar eine Alexandra Popp spielte in jungen Jahren im Nationalteam im Sturm und im Verein in der Verteidigung.
"Man urteilt extrem schnell"
Die Schweizerinnen sind als Gastgeberinnen gesetzt, dürften im Kampf um den Titel aber keine Rolle spielen. Ihr größter Erfolg ist das Erreichen des WM-Achtelfinals 2015 und 2023, bei den einzigen beiden EM-Teilnahmen bisher schieden sie 2017 und 2022 jeweils in der Vorrunde aus. Diesmal bekommen sie es in der Gruppe A mit Norwegen, Finnland und Island zu tun. Was Sundhage erwartet? Dass ihr Team sein Bestes gibt: "Und wir müssen zunächst einmal herausfinden, was unser Bestes ist. Erfolg ist, wenn alle über diese Europameisterschaft sprechen, wenn sie vorher und währenddessen darüber sprechen."
Lehmanns öffentliche Präsenz spielt innerhalb des Teams keine Rolle. Kapitänin Lia Wälti sagte im SRF: "Wir sehen, dass Alisha genau so viel investiert wie alle anderen." Weder lenke es das Team ab, noch beeinflusse es jemanden, wie Lehmann ihre Freizeit gestaltet. Im Gegenteil könne sie die unterschiedliche Kategorisierung in eine anständige und unanständige Art Geld zu verdienen, nicht verstehen: "Bei mir sagt niemand etwas, weil ich neben dem Fußball Dinge tue, die vielleicht mehr angesehen sind." Wälti studiert im Fernstudium, macht eine Trainerausbildung und hat mit ihrer Schwester ein Kinderbuch herausgegeben. "Man urteilt einfach extrem schnell, ich glaube, da muss man aufpassen."
Freund "verdient hunderttausendmal mehr als ich"
Lehmann verdient eben mit Social Media ihr Geld. Die Gehälter im Fußball der Frauen sind bekanntlich längst noch nicht so horrend wie bei den Männern, es ist also nötig, dass sich die Spielerinnen anderweitig Gedanken machen. Das prangerte Lehmann übrigens selbst schon an: Zu Juventus Turin war sie gemeinsam mit ihrem Freund Douglas Luiz gewechselt. Während der Brasilianer schätzungsweise fünf Millionen Euro pro Jahr verdient, kam sie bei Aston Villa wohl auf ein Gehalt von 200.000 Euro pro Jahr - für Frauen schon ein sehr ordentliches Gehalt.
"Nach dem Training sage ich oft zu Douglas, dass das unfair ist", sagte sie "La Repubblica". "Wir machen die gleiche Arbeit, aber er verdient hunderttausendmal mehr als ich." Auch für dieses Thema wolle sie ihre Reichweite nutzen: "Ich habe Social Media genutzt, um den englischen Frauenfußball zu promoten, nun will ich das Gleiche in Italien tun."
Die langjährige deutsche Nationaltorhüterin und jetzige ARD-Expertin Almuth Schult sagte neulich, dass auch deutsche Nationalspielerinnen mit Social-Media-Aktivitäten mehr Geld verdienen als im Verein. Brancheninsider schätzen, dass jeder Werbepost Lehmanns rund 300.000 Euro wert sein könnte, meldete die "Frankfurter Rundschau".
"Nehme ich halt extra den dunklen Lippenstift"
Und was sagt Lehmann selbst? Sie sei gar nicht so oft an ihrem Handy, sagte sie in einem Podcast von Juve. Ihre Social-Media-Managerin sage ihr, wann sie etwas posten solle. Ihr Leben sei tatsächlich gar nicht besonders. "Wenn Leute dich auf Social Media sehen, denken sie, dass du anders lebst, aber das stimmt nicht", sagte sie Watson. "Mein Leben ist ganz gewöhnlich: Ich gehe nach Hause und koche, genau wie alle anderen."
Über die Jahre hat sie eine gewisse Distanz zur Häme und dem Spott, der ihr begegnet, eingenommen. "Ich bin mittlerweile älter geworden und es ist mir egal. Ich finde die ganze Kritik sogar lustig. Wenn mich jemand für mein Make-up kritisiert, nehme ich halt extra den dunklen Lippenstift, dass sie noch mehr zu reden haben", sagte sie der Zeitung "20 Minuten". Denn klar ist auch: Leiser wird es während der Heim-EM bestimmt nicht um sie.
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