Die deutschen Turnerinnen und Turner übertreffen bei der Heim-EM in Leipzig alle Erwartungen. Doch der Medaillenregen ändert nichts daran, dass der DTB eine komplexe Krise zu lösen hat. Die Zukunft einer Schlüsselpersonalie bleibt offen.

Zum Abschluss der "goldenen" EM-Tage von Leipzig brachten die deutschen Turnerinnen und Turner sogar eine Fußballarena zum Beben. Von rund 40.000 Zuschauern ließen sich Andreas Toba und Co. bei der Gala im Zuge des Internationalen Deutschen Turnfestes im Zentralstadion feiern, zuvor hatten sie bei der Europameisterschaft für einen kaum für möglich gehaltenen Medaillenregen gesorgt. Der Deutsche Turner-Bund (DTB) atmet mitten in der Krise auf - und muss sich dennoch mit alten Problemen und neuen Sorgen befassen.

"Sportlich hat diese EM alle unsere Erwartungen übertroffen", sagte DTB-Sportvorstand Thomas Gutekunst am Samstag mit Blick auf die Medaillenausbeute, nachdem Andreas Toba im letzten Wettkampf seiner Karriere mit Silber am Reck und Nils Dunkel mit Sensationsgold am Barren die deutsche EM-Bilanz gekrönt hatten. Weil auch die Frauen, insbesondere die 19-jährige Karina Schönmaier, die europäische Spitze aufmischten, standen nach sechs Wettkampftagen drei EM-Titel und insgesamt sechsmal Edelmetall zu Buche.

"Natürlich ein großer Wermutstropfen"

"Dass es so funktioniert nach einer holprigen Vorbereitung ist sensationell", resümierte Gutekunst. Männer- wie Frauenteam befinden sich mitten im Generationswechsel - nachdem Toba sein Karriereende bereits vor zwei Wochen angekündigt hatte, erklärte in Leipzig auch die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz, die ihre EM-Teilnahme wegen einer Schulterverletzung hatte absagen müssen, das Ende ihrer Laufbahn.

"Wir blicken positiv in die Zukunft", sagte Gutekunst angesichts etwa des Einzel-Titels am Sprung von Teenager Schönmaier, "wir wissen aber, dass weiter hart gearbeitet werden muss, nicht alles ist super." Schon allein deshalb nicht, weil sich in Leipzig mit Helen Kevric die große Hoffnungsträgerin am Knie verletzte und operiert werden musste - auf die 17-Jährige kommt wohl eine längere Wettkampfpause zu.

"Das ist natürlich ein großer Wermutstropfen", sagte Gutekunst, für eine Prognose zur Ausfallzeit sei es jedoch "noch viel zu früh". Kevric hatte sich mit ihrer neuen Trainerin am Stützpunkt in Stuttgart, der US-Amerikanerin Aimee Boorman, zur EM gekämpft, nachdem ihr Ex-Coach im Zuge des Missbrauchsskandals vom Schwäbischen Turnerbund (STB) freigestellt worden war. Doch so wie Kevrics Rückkehr ist auch die Weiterbeschäftigung von Boorman, die früher US-Weltstar Simone Biles trainiert und im März in Stuttgart angeheuert hatte, völlig offen.

"Wichtig, dass die "Turnerinnen Klarheit haben"

Boorman war mit einem fünfmonatigen Honorarvertrag ausgestattet worden, wie es nun weiter geht "ist ein Thema, das nach der EM besprochen werden muss", sagte Gutekunst. Es sei wichtig, dass die "Turnerinnen langfristig Klarheit haben".

Die Vorwürfe über "mentalen und körperlichen Missbrauch" an den Stützpunkten in Stuttgart und Mannheim, die überwiegend von ehemaligen Spitzenathletinnen vor einigen Monaten erhoben worden waren, haben damit weiter direkte Auswirkungen auf den Trainingsbetrieb. Die Aufarbeitung der Missstände beschäftigen den DTB ohnehin, der gesamte Prozess werde sich bis ins kommende Jahr ziehen, sagte Gutekunst. Es bleiben unruhige Zeiten für den Verband. Trotz der "goldenen" Tage von Leipzig.

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