Lokale mit Ausblick gibt es viele auf der Welt. Aber bei den wenigsten ist das Panorama so erstaunlich wie jenes, das Gäste im „Berracas de la 13“ in Medellín erwartet. Von der Aussichtsterrasse eröffnet sich ein spektakulärer Blick über das Hochtal in den Anden, in dessen Kessel die Altstadt von Kolumbiens zweitgrößter Stadt liegt.

Wie die Arme eines Kraken sehen die Armensiedlungen aus, die an den steilen Hängen des Valle de Aburrá emporwachsen. Unten breit und oben schmal. Ein Gewirr aus über- und aneinandergebauten Häusern und Wellblechhütten, so weit das Auge reicht. Unzählige silbrig glänzende Gondeln schweben an Drahtseilen lautlos über das Häusermeer, sodass die Szenerie wirkt wie aus einem Science-Fiction-Film.

Allein dieser surreale Anblick lohnt die weite Reise. Zumal „Berracas de la 13“ – wie die Ziffer verrät – in der Comuna 13 liegt. Jahrzehntelang war dieses Viertel Medellíns berüchtigt als einer der gefährlichsten Orte der Welt, Stätte des brutalen Medellín-Kokainkartells. Doch das ist Vergangenheit. Milliardensummen wurden in Bildung und Infrastruktur investiert. Mit positiven Folgen für die Lebensqualität, die Sicherheit der Stadt – und die Besucherzahlen.

Überhaupt lockt Kolumbien immer mehr Reisende ins Land. Seit die Regierung Verhandlungen mit Guerilla-Gruppen führt, um das Land sicherer zu machen, steigt die Zahl der Reisenden. 2024 kamen nach Angaben der staatlichen Grenzbehörde 6,7 Millionen ausländische Besucher ins Land – mehr als je zuvor. Bei einer City-Hopping-Tour durch Kolumbiens coole Städte Medellín, Bogotá und Cartagena wird klar, warum das Land im Trend liegt.

Von der Drogenhölle zur Weltstadt

In Medellín ist der positive Wandel besonders deutlich spürbar. Nicht umsonst eilt der Metropole inzwischen der Ruf voraus, eine der innovativsten und lebenswertesten Städte ganz Lateinamerikas zu sein. „Bürgermeister aus aller Welt kommen zu uns, um urbane Projekte zu bestaunen“, sagt der junge Stadtführer Andrés Pereira.

„Etwa die Metrocables, unsere Seilbahnen, die die Viertel an den Steilhängen an den öffentlichen Nahverkehr unten im Tal anbinden.“ Er führt seine Gäste mitten ins Gewirr der Gassen der Comuna 13, „weil sich an keinem Ort der Stadt die Transformation Medellíns von der Drogenhölle zu einer offenen und innovativen Weltstadt eindrücklicher beobachten lässt als hier“.

Begonnen habe es mit diesen Freiluft-Rolltreppen, berichtet der Guide. Sechs knallorangene, überdachte Rolltreppen führen im Zickzack 400 Meter hoch ins schwer zugängliche ehemalige Armenviertel. „Das entspricht 28 Stockwerken.“ Dadurch habe sich nicht nur die Mobilität der Bewohner erheblich verbessert, sondern auch ihre Motivation, der Armut etwas entgegenzusetzen.

Wo sich in den 1990er-Jahren die Mitglieder von Drogenkartellen und Guerilla-Banden mit rechten Paramilitärs erbitterte Kämpfe lieferten, herrscht heute eine Atmosphäre wie auf dem Rummelplatz. Es duftet nach gegrilltem Fleisch und Popcorn. Die Gassen werden von Bars und Souvenirläden gesäumt. In einem Hinterhof zeigt eine Breakdance-Truppe ihr Können.

Aus Lautsprecherboxen der Terrassenlokale schallen Reggae oder Hip-Hop. Unzählige Graffiti schmücken die Häuser. „Street-Art hilft den jungen Menschen aus dem Viertel, die Gewalterfahrungen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten“, erklärt der 29-jährige Guide, der in der Comuna 13 aufgewachsen und selbst in der Sprayer-Szene aktiv ist.

Street-Art in Bogotá

Bunte Wandmalereien zieren auch die Fassaden in Kolumbiens Hauptstadt. Glaubt man Ivonne Torres, die bei The Original Bogotá Graffiti Tour als Guide arbeitet, ist Bogotá nach New York die Stadt mit der meisten Street-Art weltweit. In Bogotá ist die Szene aber noch recht jung.

„Bis vor wenigen Jahren ging man hier hart gegen die Sprayer vor“, sagt die Stadtführerin. Zu hart. 2011 erschossen Polizisten den 16-jährigen Street-Art-Künstler Diego Felipe Becerra, alias Tripido, als er ein Bild von Felix the Cat auf die Wand einer Unterführung sprühte.

In der Folge kam es in der ganzen Stadt zu heftigen Protesten. „Das war der Wendepunkt“, sagt Ivonne Torres. Heute gelte Bogotá als eine der Street-Art-freundlichsten Städte der Welt. Die Stadtverwaltung unterstütze die Graffiti-Szene inzwischen sogar finanziell.

Erste Eindrücke bekommen Besucher, wenn sie mit Taxi oder Bus vom Flughafen über die sechsspurige Calle 26 in die Innenstadt fahren. Entlang dieser Route hat die Stadt besonders große Wandmalereien in Auftrag gegeben, darunter „El Beso de Los Invisibles“ („Der Kuss der Unsichtbaren“).

Das Bild ziert eine 32 Meter hohe Hauswand und ist zu einem ikonischen Werk für die Menschen in Bogotá geworden, wie Ivonne Torres erzählt. „Weil es Zärtlichkeit zeigt und damit eine Erfahrung von Menschlichkeit, die uns alle verbindet.“

Die besten Tage, um die Street-Art entlang der Calle 26 zu bewundern, sind übrigens die Sonn- und Feiertage. Dann ist die Straße für den Pkw-Verkehr gesperrt – freie Bahn also für Radfahrer, Skater und Fußgänger.

Aber auch in der Altstadt von Bogotá, der sogenannten Candelaria, sind viele Fassaden bemalt. So entstand ein spannender Kontrast zwischen historischer Kolonialarchitektur und Gegenwartskunst. Nicht nur die Candelaria, die gesamte Stadt lässt sich übrigens gut mit dem Fahrrad entdecken. Bogotá verfügt über Radwege mit einer Länge von knapp 600 Kilometern. Das entspricht in etwa der Strecke von Berlin bis Düsseldorf. Eine mehrspurige Fahrradschnellstraße durchzieht die Stadt von Süden nach Norden.

Viele der Radwege sind zudem räumlich von den Straßen getrennt. Und es gibt autofreie Sonn- und Feiertage bereits seit 1974. Kein Wunder also, dass sich Bogotá mit dem Beinamen „Welthauptstadt des Fahrrads“ schmückt.

Dank eines Leihfahrradsystems können Besucher die Stadt auf eigene Faust unter die Reifen nehmen. Für wenig Geld werden aber auch geführte Touren angeboten. Sie haben den Vorteil, dass Besucher dabei auch Ecken kennenlernen, die abseits ausgetretener Pfade liegen. Und man tut etwas Gutes. Denn die lokalen Guides sind in der Regel Studenten, die auf Lohn und Trinkgeld angewiesen sind und gleichzeitig ihre Englischkenntnisse aufpolieren möchten.

Mit einem offiziellen Guide, mit dem Veranstalter zusammenarbeiten, sind Reisende außerdem sicherer unterwegs. Ortskundige Fremdenführer wissen, welche Viertel besuchbar sind und um welche man besser einen Bogen macht. Denn trotz der verbesserten Situation in vielen Städten ist die Kriminalitätsrate und auch die Gewaltbereitschaft in Kolumbien wie vielerorts in Südamerika hoch.

„Perle der Karibik“

Reisende sollten sich entsprechend verhalten, nur die nötigsten Wertsachen und wenig Bargeld mit sich herumtragen, diese nicht allzu offen zeigen, einsame Straßen meiden. Falls es doch zu einem Überfall kommt, ist es besser, keinen Widerstand zu leisten. Das rät das Auswärtige Amt und stuft die Kriminalität in Bogotá, Medellín und Cartagena als vergleichbar ein mit der in anderen lateinamerikanischen Metropolen.

Per Inlandsflug geht es weiter nach Cartagena de Indias an der Küste. Die sogenannte „Perle der Karibik“ zählt zu den schönsten Städten Lateinamerikas und zieht mehr Touristen an als jede andere Stadt Kolumbiens. Bereits beim Landeanflug geraten Besucher ins Staunen. Umgeben vom tintenblauen Wasser der Karibik ragen Wolkenkratzer aus Beton, Stahl und Glas in den Himmel. Es ist der Stadtteil Bocagrande, der Cartagena den Beinamen „Manhattan Südamerikas“ eingebracht hat. Aber auch der Naturhafen ist beim Anflug gut zu sehen.

1533 von den Spaniern gegründet, entwickelte sich Cartagena innerhalb weniger Jahrzehnte zur wichtigsten Hafenstadt Südamerikas. Das Gold, das die Konquistadoren auf ihren Raubzügen in Peru erbeuteten, wurde hier ebenso umgeschlagen wie die aus Westafrika verschleppten Sklaven.

Zum Schutz vor Piraten und Freibeutern errichteten die Kolonialherren Ende des 16. Jahrhunderts eine elf Kilometer lange Stadtmauer sowie weitere monumentale Festungsanlagen. Sie sind bis heute nahezu vollständig erhalten und gelten als Musterbeispiel spanischer Militärbaukunst. Innerhalb der Mauern kommt es einem spanisch vor angesichts imposanter Kirchen, opulenter Herrenhäuser im andalusischen Stil und Straßenzügen mit bunt angepinselten Fassaden.

Seit 1984 gehört die historische Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe. Besonders schön sind auch einige lauschige Parkanlangen. Im Parque del Centenario, nur einen Steinwurf vom historischen Stadttor entfernt, können Spaziergänger mit etwas Glück Faultiere und Kapuzineräffchen in den Bäumen beobachten. Dazu farbenprächtige Leguane, die jede Scheu vor Menschen verloren zu haben scheinen.

Zum Sonnenuntergang trifft man sich im „Café del Mar“ auf der Westseite der Stadtmauer. Oder bucht einen Platz auf einer Sunset-Cruise. Mit Salsa-Musik schippert das Boot vom historischen Hafen aus einmal rund um die Halbinsel, auf der Bocagrande steht. Wieder ein verzücktes Staunen, diesmal nicht aus der Luft, sondern vom Wasser aus. Dazu gibt’s Cocktails oder eisgekühltes Aguila-Bier.

Mehr kolumbianische Lebensfreude geht wohl nicht. Ob sich das Land langfristig als Trendziel auf der Langstrecke etablieren wird, hängt nun maßgeblich davon ab, ob das Land den positiven Wandel fortsetzen kann und wird.

Tipps und Informationen:

Anreise: Ab Frankfurt mit Lufthansa (lufthansa.com) direkt nach Bogotá und weiter nach Medellín. Ab Zürich fliegt auch Edelweiss (flyedelweiss.com) nach Bogotá.

Unterkunft: In Bogotá im „Hotel Regina“ im Herzen der Altstadt, Doppekzimmer ab 60 Euro (hotelesgrace.com/hotel-regina-2). In Medellín im„Seven Inn Hotel“ in einem der sichersten Stadtviertel, umgeben von Restaurants, Doppelzimmer ab 60 Euro (seveninnhotel.com). In Cartagena im Boutique-Hotel „Casa Lorenza“, Doppelzimmer ab 65 Euro (casalorenza.com/en/home).

Veranstalter: G Adventures bietet eine neuntägige Reise „Kolumbien Express“ zu den drei Städten an, ab 1462 Euro pro Person inkl. Führungen, Hotels mit Frühstück, Inlandsflügen; die internationalen Flüge sind nicht inbegriffen (gadventures.com/trips/colombia-express/5184). Eine 18-tägige individuelle Reise „Kolumbiens Vielfalt“ mit Aufenthalt in den drei Städten hat Geoplan im Programm, buchbar zum Wunschdatum, ab 7550 Euro pro Person im Doppelzimmer inklusive aller Flüge (geoplan-reisen.de/kolumbien/kolumbiens-vielfalt).

Auskunft: colombia.travel/de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von G Adventures und Edelweiss. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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