Zwei Stunden hat Donald Trump mit Wladimir Putin telefoniert. Das Ergebnis: In zwei zentralen Punkten konnte Russlands Präsident seinem amerikanischen Amtskollegen wichtige Zugeständnisse abgewinnen. In einer dritten Frage machte Trump eine vage Ankündigung.

Der russische Präsident hatte sich für das Telefonat mit Donald Trump etwas ganz Besonderes überlegt. Er nahm dessen Anruf während eines Besuchs einer Schule in Sotschi entgegen. Die Botschaft dahinter war klar: Um seinen amerikanischen Amtskollegen und dessen Forderung nach einer Waffenruhe kümmert er sich nebenbei.

Locker und entspannt trabte er nach rund zwei Stunden der versammelten Staatspresse entgegen. Das Gespräch sei „inhaltsreich und offen“ gewesen. Die Vereinbarungen, die beide Präsidenten laut den Zusammenfassungen getroffen haben, stellen gleich drei Punktsiege für Moskau dar.

Putin hat Trump offenbar erfolgreich vermittelt, dass er bereit für einen Frieden ist. „Herr Trump stellte fest, dass Russland sich für eine friedliche Lösung der Krise in der Ukraine einsetzt“, fasste die Zeitung „Kommersant“ Putins Lesart des Gesprächs zusammen.

Für den russischen Präsidenten ist diese Feststellung ein wichtiger Erfolg. Schließlich hatte Trump in den vergangenen Wochen Zweifel an Putins Friedensbereitschaft geäußert. Ob Putin ihn hinhalte, weil er gar keinen Frieden wolle, fragte er Ende April in einem Post auf seinem Netzwerk Truth Social. „Vielleicht muss man mit ihm anders umgehen“, schob er hinterher und drohte mit Sanktionen. Am Freitag drohte er Putin konkret mit „sekundären Zölle“ auf russische Öl-Exporte, sollte er keinen Deal machen wollen. Das ist nach dem Gespräch nun vom Tisch. Laut Trump waren „Ton und Geist“ des Gesprächs „exzellent“.

Ebenfalls kein Thema mehr ist Trumps Forderung nach einem sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand. Diesen hatte der US-Präsident noch am Freitag gefordert, als er das Telefonat mit Putin ankündigte. Jetzt heißt es: „Russland und die Ukraine werden sofort Verhandlungen zu einer Waffenruhe und, viel wichtiger, einem ENDE des Krieges beginnen“, schrieb er auf Truth Social. Der zweite Punktsieg für den Kreml-Chef.

Für Putin heißt das, er kann zum einen Weiterkämpfen, bis man irgendwann eine Waffenruhe vereinbart hat – und das mit stillschweigender Billigung Trumps. Zuvor hatten einige Reaktionen Trumps auf russische Angriffe auf Wohnhäuser in Kiew in Moskau für Irritationen gesorgt. Nun muss sich Moskau für nichts rechtfertigen. Eine Kritik Trumps am größten russischen Drohnenangriff auf Ukraine seit Kriegsbeginn in der Nacht auf Sonntag blieb aus.

Zum anderen kann er für die Waffenruhe allein bereits Bedingungen stellen. Bei den Verhandlungen vergangene Woche in Istanbul hat sich gezeigt, dass Russland weiterhin maximale Forderungen vorbringt, wie etwa den ukrainischen Rückzug aus den vier Oblasten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson – also auch aus Gebieten, die die russische Armee nicht vollständig kontrolliert.

Dass Kiew weiter mit diesen Maximalforderungen rechnet, zeigte Selenskyjs Reaktion am Abend. „Es ist unser Land, wir werden unsere Truppen nicht von unserem Territorium abziehen“, sagte er. Eine solche Forderung bedeute, „dass sie keinen Frieden wollen“.

Putin hat Trump auch vermittelt, dass eine Friedenslösung praktisch greifbar ist und es nur noch um wenige technische Fragen gehe. Es gehe „lediglich“ darum, „die effektivsten Pfade der Bewegung zum Frieden“ zu bestimmen, so der Kreml-Chef. Schließlich seien die „Kontakte“ in Istanbul „wiederhergestellt“ worden, also sei man „insgesamt auf dem richtigen Weg“.

Trump dürfte das gerne gehört haben. Russland und die Ukraine würden diese Verhandlungen sofort beginnen, schrieb der US-Präsident. „Die Bedingungen werden von den beiden Parteien ausgehandelt“, so Trump. Das sei nötig, „weil sie die Details kennen, die sonst keiner kennt“. Der Vatikan habe sich bereiterklärt, die Verhandlungen auszurichten.

Das lässt offen, welche Rolle Trump im Friedensprozess einnehmen wird. Vizepräsident J.D. Vance hatte am Morgen bekundet, dass die USA bereit seien, zu sagen, „das ist nicht unser Krieg“.

Die Folgen eines damit im Raum stehenden Rückzugs Trumps aus dem Prozess wären enorm. Muss Putin nicht mehr riskieren, durch seine Blockaden eines Friedens den US-Präsidenten zu brüskieren, muss er auch nicht dessen bereits angedrohten Konsequenzen fürchten.

Für die Europäer bedeutet das alles: Sie müssen liefern - und können dabei auf Trump nicht zählen

Die vorgeblich grenzenlosen Perspektiven bilateralen Handels im Fall eines Friedens, die Donald Trump anpries, bieten Putin auch keinen Anreiz, einzulenken. Selbst weit vor der russisch-amerikanischen Eiszeit nach der Krim-Annexion war der bilaterale Handel für beide Seiten praktisch vernachlässigbar – aus dem einfachen Grund, dass die Volkswirtschaften beider Länder schon damals nicht komplementär waren und es bis heute nicht sind. Anders als die Europäer, die jahrzehntelang russisches Öl und Gas kauften, haben die USA kaum Bedarf an russischen Energieexporten. Amerika ist heute selbst ein großer Energieexporteur.

Für amerikanische Investoren waren Energieprojekte in Russland selbst in den besten Zeiten nicht prioritär und mit immensen Problemen verbunden. Russland pflegte stets eine Hassliebe zu westlichen Investoren in Kernbereichen der Wirtschaft – man nahm ihr Geld und ihre Technologien, hatte aber Angst vor ihnen und setzte sie regelmäßig unter Druck. Von Russland in Aussicht gestellte Projekte zu Seltenen Erden oder „kritischen Mineralien“ dürften in der Realität ähnlich wenig aussichtsreich sein wie in der Ukraine – denn Planungssicherheit über Jahrzehnte für Milliardeninvestitionen kann privaten Investoren auch Putin nicht bieten.

Auf die Europäer erhöht sich jetzt der Druck. Die unlängst signalisierte transatlantische Einigkeit ist schneller vorbei, als sie begonnen hatte. Dennoch steht die europäische Drohung einer Verschärfung der Sanktionen weiter im Raum, die eigentlich vollzogen werden sollte, als Putin das Ultimatum für eine bedingungslose Waffenruhe verstreichen ließ. Am Dienstag treffen sich die Außenminister der EU in Brüssel und müssen liefern. Auf Donald Trump können sie dabei aber nicht zählen.

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