Das weiß-lila Taxi von Birgül Demirboga zieht am vergangenen Freitagabend immer wieder Blicke auf sich. Während die 47-Jährige den Toyota ruhig durch die Straßen von Berlin steuert, schauen vor allem Frauen neugierig auf den Schriftzug des Fahrzeugs: „Frauen fahren Frauen“ ist zu lesen.

Als Demirboga das Auto für eine Pause in der Nähe der Siegessäule abstellt, wird eine junge Freundesgruppe darauf aufmerksam. „Ihr fahrt nur Frauen?“, fragt die 21-jährige Asya interessiert. Demirboga antwortet: „Wir fahren nur Frauen und unser Taxi wird auch nur von Frauen gesteuert. Ansonsten sind wir fast wie Uber.“

Asya zeigt sich begeistert: „Ich finde das richtig toll.“ Mit Uber- und Taxifahrern habe sie schon häufig negative Erfahrungen gemacht. „Sie rasen entweder oder führen äußerst unangenehme Gespräche. Bei einer Frau fühle ich mich viel sicherer und bin offener.“ Ihre Freundin Habibe ergänzt: „Männliche Fahrer geben einem oft das Gefühl, als würden sie einem einen Gefallen tun. Dabei ist das ihr Job.“

Seit Anfang April ist das Unternehmen „G-Cars“ in Berlin unterwegs. Das „G“ steht für „Girls“. Männer fährt das Unternehmen nicht – auch nicht als Begleitpersonen. „Neulich wollte ein Mann mit seiner Frau einsteigen. Das tat mir dann schon etwas leid, ihn abweisen zu müssen“, erklärt Fahrerin Demirboga. Aber so seien die Regeln. Die einzige Ausnahme mache das Unternehmen derzeit für Journalisten im Rahmen einer Berichterstattung, um in der Öffentlichkeit bekannter zu werden.

Wie bei anderen Fahrdiensten wird über eine App gebucht. Mit 2,50 Euro pro Kilometer ist die Fahrt etwas teurer als vergleichbare App-Fahrdienste, aber günstiger als herkömmliche Taxis. Während beispielsweise bei Uber die Preise je nach Nachfrage stark variieren, bleibe der Preis bei „G-Cars“ konstant, so das Unternehmen.

Noch steckt „G-Cars“ in den Kinderschuhen. Die derzeitige Auslastung lässt Luft nach oben, gibt Gründerin Nadin Güner zu. Doch sie zeigt sich überzeugt: „Das wird besser, umso bekannter wir werden.“ Das Feedback der bisherigen Kundinnen sei „enorm positiv“.

Immer wieder kommt es zu Übergriffen

Güner komme aus der Immobilienbranche, habe aber schon immer von der Selbstständigkeit geträumt, wie sie erzählt. Vor zwei Jahren sei ihr schließlich die entscheidende Idee gekommen. „Es hat mich gestört, dass ich bei Uber-Fahrten vorab zu 99 Prozent wusste, dass mich ein Mann fahren wird.“ Sie sehe sich nicht als Feministin, halte auch nichts von Frauenquoten. „Ich finde aber, Frauen sollten selbst entscheiden dürfen, ob sie von einem Mann oder einer Frau gefahren werden.“

Immer wieder kommt es in Deutschland durch Fahrer von Fahrdiensten zu sexuellen Übergriffen auf Frauen. Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise ein Bolt-Fahrer in Berlin zu drei Jahren Haft verurteilt, nachdem er eine Studentin aus Schweden in seinem Fahrzeug vergewaltigt haben soll. Konkrete Erhebungen zur Anzahl von Übergriffen von Fahrern gibt es nicht.

Zuletzt wurde heftig über die Sicherheitslage für Frauen im öffentlichen Nahverkehr Berlins diskutiert. Dort wurden 2024 insgesamt 380 Sexualdelikte registriert. 2023 waren es noch 15 Prozent weniger. Rund 90 Prozent aller Opfer sind weiblich.

Nadin Güner sagt, bei ihren Bewerbungsgesprächen habe sie außerdem gemerkt, dass es viele Frauen gebe, die schon lange als Fahrerinnen arbeiten wollten, sich aus Angst vor Übergriffen aber nicht getraut hätten. „Der Aspekt aus Sicherheit und Wohlbefinden geht in beide Richtungen.“ Güners Unternehmen, das betont sie, wolle männliche Fahrer in keinem Fall schlechtreden. „Es gibt ganz viele tolle Fahrer, aber über den Aspekt der Sicherheit hinweg fühlen sich Frauen bei Frauen häufig einfach wohler. Die Wellenlänge ist oft die Gleiche.“

Ein häufig diskutiertes Thema, auch in Gesprächen mit ihren Fahrerinnen, sei der Umgang mit transsexuellen oder binären Menschen. „Das ist ein schmaler Grat“, gibt Güner zu. Es sei Ermessenssache der Fahrerin, zu entscheiden, wen sie mitnehme. „Wenn jemand offenkundig als Frau auftritt, nehmen wir die Person natürlich mit.“ Gerade solche Personengruppen fühlten sich in herkömmlichen Taxis oft unwohl. Ein Problem habe sie nur mit Menschen, die „heute Frau und morgen Mann“ seien.

Derzeit sind drei Autos für „G-Cars“ unterwegs – in wenigen Tagen sollen es bereits acht sein. 30 Fahrerinnen fahren im Schichtbetrieb rund um die Uhr. Birgül Demirboga war eine der ersten von ihnen. Die in Deutschland geborene Türkin sagt, Autofahren mache ihr viel Spaß. Als Taxi- oder Uberfahrerin wollte sie dennoch nie arbeiten. Zu oft habe sie sich in ihren bisherigen Jobs von Männern belästigt gefühlt. „Ich bin froh, jetzt ausschließlich mit Frauen arbeiten zu können.“

Zwei Anrufe zur Sicherheit

Auf ihrem Handy ploppt eine Nachricht auf. Eine Kundin hat eine Fahrt angefordert, Demirboga ruft sie direkt an. „Das machen wir, um sicherzugehen, dass uns wirklich eine Frau bestellt hat“, erklärt sie. 20 Minuten später – wegen der vergleichsweisen kleinen Fahrzeugflotte dauert es länger, bis das Auto bei Kundinnen eintrifft als bei anderen Anbietern – kommt Demirboga am vereinbarten Abholort in Friedrichshain an.

Sie ruft die Kundin ein zweites Mal an. „Damit sich unsere Gäste an einem sicheren Ort aufhalten können und nicht auf der Straße warten müssen.“ Die Wartezeit vom zweiten Anruf bis zum Einstieg ins Auto werde den Kundinnen nicht berechnet. Uber wartet beispielsweise drei Minuten auf seine Fahrgäste, danach kostet es für jede Minute eine Gebühr.

Es ist 22:30 Uhr. Die Hintertür des Autos öffnet sich. Sophie, 27 Jahre alt, steigt ein. Sie sei gerade mit ihrer Familie essen gewesen, erzählt sie, nutze „G-Cars“ nun zum ersten Mal. „Ich habe bei Uber schon häufiger unangenehme Erfahrungen gemacht“, erzählt sie. Immer wieder hätten Fahrer dort einen flirtenden oder sexuellen Ton im Gespräch angeschlagen. Teilweise habe sie auch einen gefährlichen Fahrstil erlebt – dies sei einmal sogar so weit gegangen, dass sie die Fahrt vorzeitig beenden wollte. Der Fahrer habe trotz ihrer Bitte jedoch nicht angehalten.

Über Instagram sei sie nun auf „G-Cars“ aufmerksam geworden. Die längere Wartezeit störe sie nicht. Etwas irritiert habe sie lediglich, dass sie in der App nicht in Echtzeit verfolgen konnte, wie weit ihr Taxi noch entfernt ist. Knapp 15 Minuten später hält das Frauentaxi bei Sophie zu Hause in Prenzlauer Berg. Ihr Fazit: „Ich würde das auf jeden Fall nochmal machen – und gegenüber Uber und Bolt vorziehen.“

Das Berliner Modell „Frauen fahren Frauen“ dürfte in Deutschland bisher einzigartig sein. Zwar gibt es in einigen Städten Gutscheinsysteme, mit denen Frauen finanziell bei nächtlichen Nachtfahrten unterstützt werden. Diese Projekte werden allerdings aus öffentlicher Hand finanziert – und zumeist sitzt dann auch ein Mann am Steuer. In Köln gibt es ein Unternehmen, welches ebenfalls das Konzept „Frauen fahren Frauen“ anbietet. Der Nachteil allerdings dort: Das Taxi muss 24 Stunden im Voraus gebucht werden.

Bei Birgül Demirboga kommt der nächste Auftrag herein. Als die Kundin jedoch erfährt, dass sie rund 20 Minuten warten muss, storniert sie die Fahrt. „Das kommt leider hin und wieder vor. Wir empfehlen, 30 Minuten im Voraus anzurufen“, sagt Demirboga.

Für Birgül Demirboga bleibt es ansonsten ruhig an diesem Abend. Vier Fahrten sei sie in den vergangenen neun Stunden gefahren. Sie sagt, auch sie hoffe, dass es in den kommenden Wochen mehr werden.

Um kurz nach Mitternacht ist ihre Schicht schließlich beendet. Ihre Tochter, die gerade frisch ihren Führerschein gemacht hat, holt sie mit dem Auto ab. Sie finde es cool, dass ihre Mutter den Job ausübe und Frauen so ein sicheres Gefühl vermittele. Auch sie könne sich vorstellen, für das Unternehmen zu arbeiten. Für den Personenbeförderungsschein wird allerdings der Besitz des Führerscheins seit mindestens zwei Jahren vorausgesetzt. „Hoffentlich gibt es bis dahin G-Cars noch“, sagt die Tochter.

Politikredakteur Nicolas Walter berichtet für WELT über gesellschaftspolitische Entwicklungen im In- und Ausland.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke