Erbschaftsteuer hoch, um Wohneigentum zu ermöglichen? So kommt die Idee der Bauministerin an
Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hat in einem Interview mit der „Zeit“ vorgeschlagen, die Erbschaftsteuer auf große Vermögen anzuheben. Mit den Mehreinnahmen könnten Kosten beim Erwerb von Wohneigentum gesenkt werden – und zum Beispiel das erste Haus grunderwerbsteuerfrei gestellt werden.
Die Grunderwerbsteuer beträgt laut dem Fachportal „Haufe“ je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent. Das entspricht zum Beispiel bei einem Grundstückskauf mit Kosten in Höhe von 400.000 Euro zwischen 14.000 und 26.000 Euro.
Laut Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, belastet die Grunderwerbsteuer „Bauwillige finanziell erheblich“ und „verteuert den Bau oder Erwerb einer Immobilie weiter“. Er sagt WELT: „Wir schlagen schon seit Jahren vor, die Grunderwerbsteuer zumindest für die erste selbst genutzt Immobilie erheblich abzusenken. Insbesondere für junge Familien könnte man sie aussetzen.“ Die von Bauministerin Hubertz vorgeschlagene Kopplung nennt er jedoch „ungewöhnlich“: Freibeträge sollten nicht mit steuerpolitischen Fragestellungen verknüpft werden.
Tobias Hentze, Steuerexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft, erklärt auf Anfrage, Steuereinnahmen seien nicht zweckgebunden, weswegen es keine unmittelbare Verknüpfung zwischen Erbschafts- und Grunderwerbsteuer gebe. Er gibt des Weiteren zu bedenken: „Bei großen Erbschaften handelt es sich mehrheitlich um Betriebsvermögen. Die Idee zur Erhöhung der Erbschaftsteuer zielt daher in erster Linie auf Familienunternehmen ab, die ohnehin eine höhere Steuerlast tragen als die Konkurrenz im Ausland.“ Damit würde ihnen Spielraum genommen, Investitionen zu tätigen oder Arbeitsplätze zu schaffen, da ein noch größerer Teil der Gewinne an den Staat flösse.
Der Präsident des Eigentümerverbands „Haus und Grund“, Kai Warnecke, sagt WELT, eine Senkung der Grunderwerbsteuer könnte sich sogar selbst finanzieren – die Einnahmen würden in dem Fall durch erhöhte Bautätigkeiten überkompensiert werden. Zu einer Erhöhung der Erbschaftsteuer äußert er sich kritisch: „Die Erben, die morgen die Energiewende stemmen sollen, werden mit diesen Vorschlägen heute schon zur Kasse gebeten.“ Statt Dinge zu vereinfachen, lege man ihnen so Steine in den Weg.
Immer wieder sprechen sich politische Akteure für eine stärkere Besteuerung großer Erbschaften aus – vor allem mit Verweis auf die ungleiche Vermögensverteilung: Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hielt 2023 die untere Hälfte der Vermögensverteilung zwei Prozent des Gesamtvermögens – wohingegen es beim reichsten Prozent rund 30 Prozent waren. Argumentiert wird vielfach: Eine höhere Erbschaftsteuer sorge für mehr Gerechtigkeit.
Der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Christian Görke, sagt WELT: „Oma Kleinhäuschen zahlt hohe Erbschaftsteuer, und wer 300 Wohnungen erbt, kommt für lau raus. Das ist nicht nur ungerecht, das ist ein Skandal!“ Die Verantwortung hierfür trügen die Sozialdemokraten. Die Forderung, dass auch junge Familien sich den ersten Hauskauf leisten können, unterstütze die Linke aber natürlich.
Auch BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht nennt die aktuelle Verteilung der Erbschaftsteuersätze „weder gerecht noch vernünftig“. „Wir wollen Familien beim Erwerb des ersten selbst genutzten Eigenheims von der Grunderwerbsteuer befreien und Großvermögen, die den Erben lebenslang leistungslose Millioneneinkommen sichern, stärker belasten.“
Der finanzpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Kay Gottschalk, hingegen nennt Hubertz‘ Forderungen „linke Umverteilungsfantasien“, die Deutschland für Leistungsträger „noch unattraktiver“ machen würden. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer soll nach Ansicht der AfD-Bundestagsfraktion lieber abgeschafft werden. Denn sie besteuere Vermögen, das aus schon versteuertem Einkommen stamme. „Die Erbschaft- und Schenkungsteuer hat neben der Fiskalzweckfunktion auch eine Umverteilungsfunktion, die sich nicht aus der Erzielung öffentlicher Einnahmen legitimiert“, sagt Gottschalk WELT. Die Übergabe von Vermögen solle nicht dem Zugriff des Staates ausgesetzt sein.
Steuerzahlerbund sieht Schnellschuss nach Ampel-Art
Reiner Holznagel, Präsident des Bunds der Steuerzahler, kritisiert: Im Koalitionsvertrag finde sich kein Wort zu einer Verschärfung der Erbschaftsteuer oder gar zur Wiedereinführung der Vermögensteuer. Umso irritierender sei es, dass die neue Koalition bereits nach so kurzer Zeit entsprechende Vorstöße unternehme, sagt Holznagel. „Solche Schnellschüsse haben bereits der Ampel-Koalition politisch geschadet. Auch inhaltlich ist der Vorstoß unausgereift: Es wird übersehen, dass die Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer ausschließlich den Ländern zustehen. Schon allein deshalb ist die Debatte auf Bundesebene irreführend.“
Auch die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Beck, sagt WELT: „Im Koalitionsvertrag finden sich ja nicht einmal Trippelschritte in Bezug auf Steuergerechtigkeit.“ Für eine spürbare Ausweitung der Erbschaftsteuer habe sie aufseiten der Union bisher null Ambitionen und aufseiten der SPD auch keine besonders harte Durchsetzungsfreude wahrgenommen. Dementsprechend „überraschend“ bis „mutig“ sei Hubertz‘ Vorstoß.
Der Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik des Ifo-Instituts, Florian Neumeier, stellt fest, eine Erhöhung der Steuersätze treffe die großen Vermögen ohnehin nicht, denn: „Die wohlhabendsten Deutschen vererben ihr Vermögen meist steuerfrei, weil es in Unternehmen gebunden ist und die Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen weitreichende Vergünstigungen und Ausnahmen vorsieht.“ Wolle man erreichen, dass sie mehr davon zahlen, müssten diese Vergünstigungen und Ausnahmen auf den Prüfstand.
Uma Sostmann ist Volontärin bei WELT. Ihr Stammressort ist die Innenpolitik.
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