Der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke hat scharfe Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz und die politischen Institutionen in Thüringen erhoben – und sich zugleich als Opfer staatlicher Verfolgung dargestellt. Anlass für die Vorwürfe ist das jüngste Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz, das die gesamte AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft hatte.

Dagegen setzte sich die Partei mit einem Eilantrag zur Wehr. Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung legte der Inlandsgeheimdienst die neue Einstufung auf Eis und führt die AfD daher erst einmal weiter nur als sogenannten Verdachtsfall. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte den AfD-Landesverband bereits 2021 als erwiesen rechtsextrem eingestuft.

Höcke sprach in Erfurt von einem „massiven Angriff auf die Demokratie“ und warnte zugleich, „aus Opposition kann Regierung werden“. Die AfD werde derzeit dermaßen bekämpft, „dass es mittlerweile die Demokratie gefährdet“, sagte er auf einer Pressekonferenz in Erfurt.

Im Zentrum seiner Kritik steht die Arbeit des Thüringer Verfassungsschutzes und dessen Präsident Stephan Kramer. Höcke warf Kramer Amtsmissbrauch vor und kündigte an, dass ein Untersuchungsausschuss gegen ihn eingerichtet werde. Die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes sei zudem nicht gesetzmäßig, sondern „verfassungswidrig besetzt“. Deswegen seien rechtliche Schritte gegen das parlamentarische Kontrollgremium geplant. Höcke forderte, alle Zuarbeiten der Landesämter für Verfassungsschutz aus dem aktuellen Gutachten zu entfernen und die „Schnüffelarbeit des Verfassungsschutzes sofort einzustellen“.

Höcke verweist auf zwei Besonderheiten

Der Thüringer AfD-Landeschef verwies ausdrücklich auf zwei aus seiner Sicht verfassungsrechtliche Besonderheiten in Thüringen und Sachsen: Beide Länder hätten in ihren Landesverfassungen einen „besonderen Oppositionsschutz“ sowie einen „sehr ausgeprägten Abgeordnetenschutz“ verankert. Diese Regelungen sollen eine freie und unbeeinflusste Mandatsausübung gewährleisten. Höcke argumentierte, der Schutz vor staatlicher Verfolgung – die sogenannte Indemnitätsregelung – umfasse auch Aktivitäten außerhalb des Parlaments. Insofern stelle die Beobachtung durch den Verfassungsschutz möglicherweise eine Rechtsbeugung dar.

Mit Blick auf seine persönliche Situation verlangte Höcke, dass alle Verfahren gegen ihn eingestellt würden. Elfmal sei seine parlamentarische Immunität aufgehoben worden, was er für unrechtmäßig halte. Höcke kündigte zudem an, die beteiligten Richter müssten daraufhin überprüft werden, ob sie sich einer politischen Verfolgung schuldig gemacht hätten. Er unterstellte der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in diesem Zusammenhang ein möglicherweise rechtsbeugendes Verhalten. Höcke wurde zweimal wegen der Verwendung der SA-Parole „Alles für Deutschland“ verurteilt.

Felix Zimmermann, Chefredakteur der „Legal Tribune Online“, ordnete die Vorwürfe Höckes im Gespräch mit WELT TV kritisch ein: Es sei „typisch AfD“, dass sich Höcke als Opfer staatlicher Maßnahmen präsentiere. Insgesamt sei Höckes Argumentation „etwas diffus“.

Zimmermann sieht aber durchaus einen juristisch relevanten Punkt, ob ein Verfassungsschutz gewählte Abgeordnete überhaupt beobachten dürfe. „Höcke sagt: Der Abgeordnete ist von der Verfassung geschützt. Und der Verfassungsschutz soll quasi deswegen den Abgeordneten nicht beobachten dürfen.“

Zimmermann verwies auf den früheren Ministerpräsidenten Thüringens, Bodo Ramelow: „Der wurde vom Verfassungsschutz beobachtet – da gab es auch eine Personenakte“, erklärte Zimmermann. Ramelow sei damals dagegen gerichtlich vorgegangen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2003 die jahrelange Überwachung des Linke-Politikers für verfassungswidrig erklärt. „Das Gericht sagte: Nur, weil die Partei rechtsextreme oder in dem Fall linksextreme Tendenzen hat, heißt das nicht, dass man Personenakten anlegen darf über einen Politiker. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch ganz klar gesagt: Wenn es Indizien gibt, dass eine Person selbst extremistisch ist“, so Zimmermann weiter, „dann ist es auch zulässig, dass der Verfassungsschutz eine solche Personenakte anfertigt.“

Das sei bei Ramelow nicht der Fall gewesen, aber bei der AfD sei eine Reihe von Politikern „extremistisch aufgefallen“, besonders Björn Höcke.

Derzeit ist die öffentliche Verwendung der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz vorläufig ausgesetzt. Hintergrund ist ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln. Bundesinnenministerin Faeser kündigte an, nach rechtlicher Prüfung zu entscheiden, ob und wie das umstrittene Gutachten veröffentlicht wird. Der Konflikt um die Verfassungstreue der AfD entwickelt sich damit zu einer juristischen wie politischen Belastungsprobe – nicht nur für Thüringen.

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