Schröders Liebling: Was Lars Klingbeil vom Ex-Kanzler unterscheidet
Der junge Student Lars Klingbeil hat von 2001 bis 2003 im Wahlkreisbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schröder gearbeitet. Allzu häufig wird er seinen Chef da nicht gesehen haben, denn der war hauptsächlich damit beschäftigt, als Kanzler in Berlin das Land zu regieren. Trotzdem ist eine enge Beziehung, zeitweise sogar eine Freundschaft entstanden. 2021 war Klingbeil der letzte SPD-Politiker, für den Schröder Wahlkampf gemacht, und sehr wahrscheinlich auch der letzte, der ihn darum gebeten hat.
Lars Klingbeil ist jetzt der starke Mann der SPD
Dieser Tage merkt man, dass Schröders Einfluss an Klingbeil nicht spurlos vorübergegangen ist. Der Vorsitzende hat seine Macht in der SPD mit Instinkt, Durchsetzungsfähigkeit und Härte ausgebaut – Eigenschaften, die man in der Politik braucht. Sie sind weder rein sozialdemokratisch noch ausschließlich männlich, wenn man bedenkt, wen die CDU-Kanzlerin Angela Merkel alles abserviert hat. Nur ein paar Wochen hat es jedenfalls gebraucht, bis Klingbeil zum starken Mann der SPD geworden ist, der insbesondere seine Personalentscheidungen nach seinem Belieben trifft.
Klingbeil hat verstanden, wie er als SPD-Chef im Umgang mit der bösen Außenwelt Vertrauenskapital erwerben kann, um es dann in der Partei zu investieren, zum Beispiel bei der Zusammenstellung einer Ministerriege nach seinen Vorstellungen. Deshalb trat der Vorsitzende der SPD, die bei der Bundestagswahl sogar hinter der AfD gelandet war, in den Koalitionsverhandlungen mit der Union auf wie Graf Koks, der Friedrich Merz seine Bedingungen diktierte. So stärkte er das Selbstbewusstsein seiner demoralisierten Partei, die ihm prompt folgte, als er nun verdiente Genossinnen und Genossen politisch über die Klinge springen ließ.
Klingbeil lernt schnell. Als die SPD sich im November 2024 über die Kanzlerkandidatenfrage zankte und nicht wusste, ob sie Olaf Scholz oder Boris Pistorius nehmen solle, ließ er die Diskussion aus Unbeholfenheit laufen, schadete am Ende beiden – und seiner Partei. Als es jetzt darum ging, ob Saskia Esken, immerhin seine formal gleichberechtigte Co-Vorsitzende, einen Ministerposten in der Regierung erhalten solle, ließ er die Debatte wieder laufen. Aber diesmal folgte er einem Plan. Esken war am Ende offenkundig so zermürbt von der Diskussion über ihre Person, dass sie um den Kabinettsposten – sie wäre gern Entwicklungsministerin geworden – nicht mehr kämpfen mochte. Mit Klingbeil zusammen hat sie die schöne Legende erfunden, dass es ihr vor allem darum gegangen sei, viele junge Frauen ins Kabinett zu hieven. Nun denn.
Eine Portion Rücksichtslosigkeit, ja Brutalität, das ist der Schröder in Klingbeil. Genauso wie die Fähigkeit, abweichende Meinungen und öffentliche Schelte im entscheidenden Moment zu ignorieren. Klingbeil wird noch eine Zeit lang zu hören bekommen, dass er bei Esken in der Sache vielleicht nachvollziehbar, aber menschlich schäbig gehandelt habe. Damit kann er leben, die Karawane zieht weiter.
Eines aber unterscheidet Klingbeil noch von Schröder – und zwar sehr zum Nachteil des heutigen SPD-Vorsitzenden. Schröder hatte Charme, aber Klingbeil pflegt nur penetrant ein Softie-Image, das gerade zu seinen personalpolitischen Taten nicht passt. Wochenlang beklagte er in Interviews die beschämende Diskussion um Saskia Esken, gab den sanften Mann und verständnisvollen Polit-Partner, nutzte aber die öffentlichen Vorbehalte gegen Esken gleichzeitig, um seinen Willen durchzusetzen und sie auszubooten. Dieses Gesülze sollte er jetzt mal sein lassen. Glaubt ihm sowieso keiner mehr.
Erschienen in stern 20/25- Lars Klingbeil
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