Auf einmal sagte Wadephul: „Und dann muss der Weg zu einem eigenen Staat kommen“
Während Russland den Westen zunehmend testet und Israel seine Bodenoffensive im Gazastreifen verschärft, treten die USA unter Donald Trump außenpolitisch wieder stärker auf. Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) geriet im ARD-Polittalk von Caren Miosga am Sonntagabend in die Zwickmühle, zu wichtig sei in seinem Fall diplomatische Zurückhaltung. Und doch überraschte Wadephul mit einer deutlichen Aussage zu Israel.
Miosgas Sendungsfrage: „Braucht Deutschland eine neue Außenpolitik?“ Mit Wadephul diskutierten auch die Politologin Daniela Schwarzer und der diplomatische Korrespondent des „Tagesspiegels“, Christoph von Marschall, über die drei großen Themen Russland, Gaza und Trump.
Die besorgniserregenden Vorfälle häufen sich seit einem Monat: Erst dringen 19 russische Drohnen in den polnischen Luftraum ein, dann fliegen russische Kampfflugzeuge über deutsche Schiffe in der Ostsee und über Estland. Zudem kreisen unidentifizierte Drohnen über kritische Infrastruktur in Europa, darunter über einen Flughafen in Dänemark. „Wir haben eine Situation, die sich verändert hat gegenüber früher“, sagte Wadephul. „Die Nato lebt noch im Frieden mit Russland. Aber Russland testet uns.“
Ganz so beruhigend wollte das Christoph von Marschall nicht stehen lassen. „Wir sind nicht mehr im Frieden, ganz bestimmt nicht. Seit Monaten geschehen Angriffshandlungen. Wir sind schon in einer Art unerklärtem Krieg“, sagte der Journalist und nannte etwa die Angriffe auf Pipelines in der Ostsee. Von Marschall warnte, dass Russland in drei bis vier Jahren über die Ukraine hinaus auch weitere Länder angreifen könnte. Die Zeit sei knapp, Deutschland müsse militärisch und infrastrukturell entschlossener aufrüsten.
Außenminister Wadephul wählte deutlich vorsichtigere Worte: „Wir leben nicht in einem vollständigen Frieden, wo es überhaupt keine Verletzungen von Souveränitätsrechten gibt, nein.“ Das habe sich auch seit längerer Zeit angedeutet. „Wir müssen uns darauf einstellen, darauf zu antworten.“ Die Nato sei dazu auch in der Lage, so Wadephul, und „wir werden Antworten geben, wenn es nötig wird.“
„Wir würden unser Gebiet vor Russland verteidigen“
Auch Politologin Daniela Schwarzer mahnte: „Wir haben noch nicht genug getan, dass die kritische Infrastruktur in Deutschland ausreichend geschützt wird.“ Neben der milliardenschweren Aufrüstung der Bundeswehr müsse nun auch der Zivilschutz Priorität bekommen. Wadephul hingegen erzählte, wie er kürzlich die 5000 deutschen Soldaten an der Ostflanke besucht hat. „Wir würden unser Gebiet vor Russland verteidigen“, sagte er über die in Litauen stationierte deutsche Brigade.
Der des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine prägt auch der Konflikt im Nahen Osten die Agenda des neuen Außenministers im Kabinett von Friedrich Merz (CDU). Israels Armee setzt ihre Offensive in Gaza-Stadt seit fast zehn Tagen fort, Wadephul kritisiert die dramatischen Zustände in Gaza. Auch habe der Konflikt nach Angaben der Vereinten Nationen seit des heimtückischen Überfalls der Hamas auf Israel im Oktober 2023 geschätzt 65.000 Tote zu beklagen. „Es ist die Hölle auf Erden, und es ist nicht akzeptabel“, betonte der Außenminister bei Miosga erneut.
Zugleich betonte Wadephul neben der „naturgemäßen Solidarität“ Deutschlands mit Israel die Notwendigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung, also aus Israel und Palästina. Den Staat Palästina erkennen immer mehr Länder an, zuletzt etwa Frankreich, Kanada und Großbritannien. Deutschland bisher nicht. Dafür solle es erst einmal eine Friedenslösung geben, sagte Wadephul, „das ist mir wichtiger, als eine symbolische Anerkennung.“
Hoffnungen setzt er auf die bevorstehende Gespräche zwischen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und US-Präsident Donald Trump in dieser Woche. Es brauche humanitäre Hilfe, zugleich müssten die Hamas entmachtet werden. „Und dann muss der Weg zu einem eigenen Staat kommen“, so der CDU-Politiker. Auch er habe den gesamten Sommer damit verbracht, mit arabischen Partnern über eine Lösung zu sprechen. So hätten sich bereits mehrere arabische Staaten, wie Pakistan, bereit erklärt Verantwortung zu übernehmen und nach dem Krieg für eine Friedenslösung tausende Sicherheitskräfte in den Gazastreifen zu schicken.
„Trump ist ein Demokrat“, sagt Wadephul
Während sich Außenminister Wadephul gegenüber Donald Trump ausdrücklich dankbar zeigte für seine Bemühungen im Gaza-Krieg, wich er einer generellen Bewertung des US-Präsidenten aus. „Ich glaube nicht, dass ich als der Oberbeurteiler von amerikanischer Politik und Politikern auftreten sollte.“ Trump „ist ein Demokrat, er ist demokratisch jetzt gewählt“, sagte er. Ob Trump auch ein „Verfechter der Demokratie“ sei, wie Miosga dann fragte, wollte der Außenminister dann aber nicht beantworten. Er müsse sich so verhalten, dass er in einer „optimalen Position“ gegenüber „unserem engsten Verbündeten“ sei.
Dabei machte Wadephul aber klar, wie abhängig Europa weiterhin vom Bündnispartner auf der anderen Seite des Atlantiks sei. „Wir können uns hier in Europa gemeinsam in der Nato nur dann wirkungsvoll verteidigen und abschrecken, wenn die Vereinigten Staaten hinter uns stehen.“ Ob im Nahen Osten oder an der Ostflanke der Nato: Für Außenminister Wadephul bleibt Europas Sicherheit ohne die USA nicht vorstellbar.
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