Drohen bei der Krankenversicherung weitere Erhöhungen der Beiträge? Die Koalition will das verhindern. Doch neue Zahlen zu den Kosten zeigen einen eindeutigen Trend.

Immer stärker steigende Ausgaben setzen die Politik bei den Krankenkassen-Finanzen weiter unter Druck. So stiegen die Leistungsausgaben der noch rund 90 Krankenkassen im ersten Halbjahr um 7,95 Prozent auf 166,1 Milliarden Euro, wie aus neuen Kennzahlen des GKV-Spitzenverbands hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Heute will Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) über die Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im 1. Halbjahr 2025 informieren. Die schwarz-rote Koalition hatte zuletzt als Ziel ausgegeben, dass die Beiträge für die Versicherten nach Möglichkeit stabil bleiben sollten.

Auffällig ist der im ersten Halbjahr auf 2,8 Milliarden Euro gestiegene Überschuss der Krankenkassen. Nach Rekorddefiziten im Jahr 2024 war bis Ende März bereits ein Überschuss von 1,8 Milliarden Euro entstanden.

Kassen machen Gesetzgebung für höhere Kosten verantwortlich

"Aber das sollte niemanden beruhigen", sagte der Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt, der dpa. "Die Ausgabendynamik ist im ersten Halbjahr ungebrochen." Der Überschuss sei dringend notwendig, um die gesetzliche Mindestreserve der Kassen wieder aufzufüllen. In den vergangenen Jahren hatte es einen Rücklagen-Abbau gegeben. "Gerade mit Blick auf die dynamische Ausgabenentwicklung ist aber noch offen, ob das gelingen kann", sagte Blatt.

Allein beim größten Kostenblock, den Krankenhausbehandlungen, übertraf das Plus mit 9,6 Prozent noch das des ersten Halbjahres 2024 (7,9 Prozent). 54,5 Milliarden Euro flossen nun zu den Kliniken. Die Ausgaben für Ärzte stiegen um 7,8 Prozent auf 27,0 Milliarden, die für Arzneimittel um 6 Prozent auf 28,9 Milliarden Euro. Blatt sagte: "So kann es nicht weitergehen, solche Steigerungsraten hält kein Gesundheitssystem der Welt auf Dauer aus."

Die Kassen machen vor allem die Gesetzgebung der vergangenen Jahre für die Kostensteigerungen verantwortlich, wie ein Verbandssprecher erläuterte. Bestehende Honorardeckel wurden demnach beispielsweise für immer mehr ärztliche Leistungen abgeschafft – und bei Pharma Preisvorgaben gelockert.

Koalition will stabile Beiträge für Versicherte

Für die Versicherten sollen die höheren Kosten nach dem Willen der Koalition keine Auswirkungen haben: Schwarz-Rot will die Beiträge nach deutlichen Steigerungen im kommenden Jahr möglichst stabil halten. CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn hatte dies bereits im August angekündigt. Im Koalitionsausschuss am Mittwochabend hat man das Ziel noch einmal bekräftigt.

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Die Beitragszahlenden sollen nicht weiter belastet, der dringend erhoffte Wirtschaftsaufschwung soll durch Beitragserhöhungen nicht zusätzlich gefährdet werden.

So wollen die Kassen Beitragsanstieg vermeiden

Blatt lobte es als "gutes und wichtiges Signal", dass die Regierung die Beiträge stabil halten wolle – und hat einen Vorschlag. Grundsätzlich müsse verhindert werden, dass die Krankenkassen mehr ausgeben müssen als sie einnehmen. Der Anstieg der Kosten müsse wieder auf "ein Normalmaß" zurückgeführt werden.

Konkret warb Blatt für den Vorschlag eines Ausgabenmoratoriums: "Preis- und Honorarzuwächse dürfen künftig nicht mehr schneller steigen als die tatsächlichen Einnahmen der Krankenkassen."

Die Absicht: "Mit so einem Ausgabenmoratorium könnten die Beiträge zum Jahreswechsel insgesamt stabil bleiben." Doch es wäre nach Blatts Angaben weiter Luft für den Ausgleich der Inflation und Tarifentwicklungen. Leistungen müssten nicht gestrichen werden.

Blatt: "Wir brauchen Reformen"

Bei den Krankenkassen wurden in den vergangenen Tagen Befürchtungen bekannt, dass der absehbare Halbjahresüberschuss der Kassen den Reformdruck schmälern könnte.

Der Verband der Ersatzkassen etwa macht "ausgabentreibende Gesundheitsgesetzgebung der vergangenen Jahre" sowie ausstehende Strukturreformen für die galoppierenden Kosten verantwortlich. Dies müsse angegangen werden.

Auch Kassenverbandschef Blatt sieht das geforderte Ausgabenmoratorium nur als Sofortmaßnahme, wie er sagte. "Wir brauchen unbedingt Reformen, deren gute Wirkung die Versicherten im Alltag spüren, zum Beispiel durch schnellere Arzttermine", verlangte Blatt. Qualität müsse erhalten bleiben.

Langfristig will Blatt aber auch verhindern, dass die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen weiter auseinanderklafft, und "wieder zu stabilen Finanzen kommen".

Die Lage bei den Beiträgen

Etwa zu Jahresbeginn hatten die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler auf breiter Front tiefer in die Tasche greifen müssen. Der Zusatzbeitrag stieg im Schnitt auf 2,9 Prozent. Ihn legt jede Kasse selbst fest. Daneben gilt der allgemeine Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns.

In den Etats 2025 und 2026 will der Bund die Kassenfinanzen über den regulären Jahreszuschuss hinaus mit Darlehen stabilisieren. Diese Darlehen "werden nötige Beitragssatzanhebungen abfedern, sie werden sie nicht verhindern", hatte Gesundheitsministerin Warken im Bundestag gesagt. Reformkommissionen sollen dann strukturelle Reformen für die Kranken- und Pflegeversicherung vorschlagen.

Im Sommer hatte der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss Alarm geschlagen: Auch künftig würden die Einnahmen der Krankenkassen durchgängig unter den Ausgaben bleiben. Folge seien stetig steigende Zusatzbeiträge.

Finanzentwicklung GKV 1. Quartal 25 Bericht zu GKV-Halbjahresergebnis

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