Der Wehrdienst kehrt nach dem Willen des Bundeskabinetts zurück – allerdings nicht, wie viele Ältere ihn noch geleistet haben. Die Bundeswehr soll Freiwillige locken.

Das Bundeskabinett hat das Gesetz zur Einführung eines neuen Wehrdienstes auf den Weg gebracht. Die Ministerrunde billigte auf einer Sitzung im Verteidigungsministerium den Rechtsrahmen, der eine Wehrerfassung junger Männer einführt, aber zunächst auf Freiwilligkeit und einen attraktiveren Dienst setzt, wie die Nachrichtenagentur DPA nach der Kabinettssitzung erfuhr.

Eine Rückkehr zur Wehrpflicht schon in Friedenszeiten, wie sie vor allem Unionspolitiker wiederholt gefordert hatten, wurde nicht vereinbart. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) formuliert aber Grundvoraussetzungen für eine Aktivierung. Wenn die verteidigungspolitische Lage oder ein Mangel an Freiwilligen eine Wehrpflicht erforderlich macht, muss der Bundestag erst zustimmen. Auch über das jetzt im Kabinett beschlossene Gesetz entscheidet der Bundestag. 

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Die Bundeswehr benötigt etwa 80.000 zusätzliche, aktive Soldaten. Denn die Nato hält für Deutschland eine Größenordnung von 260.000 Männern und Frauen in der stehenden Truppe für erforderlich, um einem Angriff etwa Russlands standzuhalten.

Wehrdienst soll attraktiver werden

Dabei soll der Wehrdienst vor allem die Grundlage für eine größere Reserve schaffen. Geplant ist, mit 15.000 neuen Wehrdienstleistenden zu beginnen und eine verpflichtende Musterung ab 2027 einzuführen. Zur Wehrerfassung müssen junge Männer in einem Fragebogen Auskunft geben, ob sie zum Wehrdienst bereit und fähig sein, Frauen können dies tun.

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Australien Australien hat die Wehrpflicht bereits 1972 abgeschafft. Stattdessen gibt es einen freiwilligen Wehrdienst für Männer und Frauen. Eine Besonderheit ist die Rekrutierung von Ausländern durch die Australian Defence Forces (ADF). So können etwa Neuseeländer, Kanadier, Briten und US-Amerikaner die seit mindestens ein Jahr in Australien leben, der ADF beitreten.  Frauen dienen seit 2013 in allen Bereichen, auch in Kampfeinheiten. Im Jahr 2024 stellten sie etwas über 20 Prozent der Streitkräfte © DIEGO FEDELE / Imago Images
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Der Pool, an den sich der neue Wehrdienst richtet, ist die Altersgruppe der 18- bis 25-jährigen. Pistorius verfolgt zudem mehrere Ansätze, um den Dienst attraktiver zu machen. Darunter ist auch ein höherer Sold. Dazu sollen Wehrdienstleistende künftig als Zeitsoldaten bezahlt werden und somit mehr als 2.000 Euro netto monatlich erhalten.

Wadephul zieht Vorbehalt gegen Wehrpflicht zurück

Anfang der Woche hatte es noch Verstimmung in der Koalition gegeben, weil Außenminister Johann Wadephul (CDU) zwischenzeitlich Einspruch gegen den Gesetzentwurf eingelegt hatte – mit einem sogenannten Ministervorbehalt. Nach Gesprächen zwischen den Ministerien zog er ihn aber zurück.

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Die Union fordert im Gesetz verankerte verbindliche jährliche Zielvorgaben für die Aufstockung der Bundeswehr mit Freiwilligen, deren Unterschreiten Schritte zu einer Wehrpflicht auslösen soll. Die SPD setzt auf Freiwilligkeit.

Pistorius rechnet mit Änderungen

Pistorius äußerte Unverständnis über den zwischenzeitlichen Einspruch von Wadephul. Er habe "kein Verständnis dafür, dass man aus dem Parlament heraus einen Gesetzentwurf der Regierung schon vorher versucht aufzuhalten über ein Ministerium", sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.

Pistorius machte deutlich, dass er durchaus noch mit Änderungen am Gesetz im parlamentarischen Verfahren rechnet. Es gelte die alte Regel: "Kein Gesetz verlässt den Bundestag in der Regel so, wie es hineingegangen ist. Das wird hier so oder ähnlich auch sein", sagte der Verteidigungsminister.

Kritik am Gesetzentwurf zur Wehrpflicht

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, beklagte vor der Kabinettssitzung Mängel an dem Gesetzesvorhaben. Der Entwurf sei eine Verbesserung, greifen aber angesichts der Probleme bei der Personalgewinnung "immer noch zu kurz", sagte Wüstner der DPA in Berlin.

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Wüstner verwies dabei auch auf die weitgehend stagnierende Personalentwicklung bei den Zeit- und Berufssoldaten, den "Profis" im Militär. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums betrug deren Zahl zum Jahreswechsel 170.800 Männer und Frauen, mit Stand 1. Juli 171.650 Soldaten. Ihre Anzahl soll nach Nato-Zielen in den kommenden Jahren auf rund 260.000 Männer und Frauen wachsen.

Wüstner forderte, "Grenzen der Machbarkeit" – wie sie Kanzler Friedrich Merz (CDU) benannt habe – müssten nun überwunden werden. Er warnte: "(Russlands Präsident) Wladimir Putin wird sicher keine Rücksicht auf derartige Befindlichkeiten nehmen. (US-Präsident) Donald Trump mit Blick auf mögliche Sicherheitsgarantien in der Ukraine übrigens auch nicht."

Das Bundeskabinett tagte erstmals seit mehr als drei Jahrzehnten im Verteidigungsministerium. Als Gast nahm der Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Europa (Saceur), US-General Alexus Grynkewich, teil.

DPA tkr
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