Die Europäer wollen Donald Trump Sicherheitsgarantien für die Ukraine abringen. Das ist richtig, doch Realität ist auch: Es fällt ihnen schwer, ihren eigenen Beitrag zu leisten.

Die wohl wichtigste Lektion im Umgang mit Donald Trump haben die Europäer nicht nur verinnerlicht, sie haben sie perfektioniert. Wer den US-Präsidenten für sich gewinnen möchte, muss ihn umgarnen und mit klarer Sprache beeindrucken. Als Wolodymyr Selenskyj am Montag zunächst ohne die anderen europäischen Vertreter im Oval Office saß, brachte er einen Brief seiner Ehefrau für First Lady Melania Trump mit. Später erklärten die Europäer Trump, dass Wladimir Putin in der Ukraine Gebiete in der Größe der US-Ostküste erobert habe. Es sind solche Momente, die bei Trump Eindruck machen.

An der Realität des Krieges ändert all das im Moment gleichwohl nichts. Am Morgen nach den Gesprächen in Washington ließ der russische Präsident massive Angriffe auf ukrainische Städte fliegen. Es stimmt, dass Trump und die Europäer am Montag Fortschritte gemacht haben. Es wird sogar über Sicherheitsgarantien für die Ukraine gesprochen. Ein Szenario, bei dem letztlich amerikanische und europäische Truppen zur Abschreckung in die Ukraine entsendet werden, schien vor einigen Wochen noch ausgeschlossen. Es ist auch den Europäern zu verdanken, dass Trump offenbar darüber nachdenkt.

Meinung Der richtige Merz im richtigen Moment

Doch diese zaghafte amerikanisch-europäische Annäherung ist nur der eine Teil der Geschichte. Der andere geht so: Trump hatte Putin immer wieder Ultimaten gesetzt und mit schweren Sanktionen gedroht, falls diese gerissen würden. Seine Hauptforderung nach einem Waffenstillstand, auf dessen Grundlage dann Friedensverhandlungen stattfinden sollten, hat Putin ignoriert. Er bombt einfach weiter.

Trump setzt die angedrohten Sanktionen trotzdem nicht um. Er wollte die Wirtschaftspartner Russlands mit hohen Zöllen belegen, um Putin finanziell auszutrocknen. Doch bislang gab es nur eine Ankündigung gegenüber Indien. Weitere Sekundärsanktionen, beispielsweise gegen China, lassen auf sich warten. Ob Trump mit Putin in Alaska eine Vereinbarung getroffen hat, an die er sich gebunden fühlt, oder die Gespräche einfach nicht belasten will, ist letztlich egal. Trump schont Putin, einen Kriegsverbrecher und notorischen Lügner – das ist die Realität.

Würde Donald Trump tatsächlich US-Soldaten in die Ukraine schicken?

In den nächsten zwei Wochen wollen die Amerikaner und Europäer nun ausarbeiten, wie die Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen sollen. Eine Art Beistandsverpflichtung in Anlehnung an Artikel 5 des Nato-Vertrages steht im Raum – allerdings ohne die Ukraine in die Nato aufzunehmen. Das klingt zunächst gut. Würde Putin in ein paar Jahren erneut angreifen, würden die Europäer und die USA der Ukraine helfen, sich zu verteidigen. Den Europäern darf man abkaufen, dass sie vielleicht den Willen dazu haben. Aber im Moment fehlen ihnen die Fähigkeiten, einen Verteidigungskrieg gegen Russland zu führen.

Die Amerikaner hätten diese Fähigkeiten. Aber würde Donald Trump oder ein möglicher Nachfolger J.D. Vance tatsächlich US-Truppen schicken, um in der Ostukraine gegen Russland zu kämpfen? Sollte die US-Regierung dieses Versprechen geben, bestenfalls sogar schriftlich, wäre das ein Erfolg aus europäischer Sicht.

Trumps Ukraine-Gipfel Ein (kleiner) Schritt in Richtung Frieden

Ob es auch etwas wert wäre, darf allerdings bezweifelt werden. Donald Trump ändert seine Meinung in außenpolitischen Fragen mindestens so häufig wie die Höhe der Zölle für Handelspartner. Und er müsste der "Make-America-Great-Again"-Bewegung erklären, warum die USA Truppen schicken sollen, um Russland entweder abzuschrecken oder zu bekämpfen. Würde Trump es mit einem Quasi-Nato-Schutz für die Ukraine ernst meinen, könnte er die Ukraine abzüglich der von Russland besetzten Gebiete in die Nato aufnehmen. Das wäre eine wirkliche Ansage gegenüber Putin.

Zumal es seit über 30 Jahren eine Art Beistandsverpflichtung für die Ukraine gibt. Als das Land einst seine Atomwaffen abgab, erhielt die Ukraine im Budapester Memorandum Sicherheitsgarantien, damit die Landesgrenzen nicht gewaltsam verändert werden. Die russische Föderation hatte diesen Vereinbarungen genauso zugestimmt wie die USA. "Sicherheitsgarantien auf dem Papier sind dann wirksam, wenn sie durch konkrete militärische, glaubwürdige Präsenzen und Ausrüstung unterfüttert sind", sagte Wolfgang Ischinger, früherer Botschafter der Bundesrepublik in den USA, kürzlich dem stern. Sollten also tatsächlich amerikanische und europäische Friedenstruppen in die USA entsandt werden, wäre das ein game-changer.

Johann Wadephul steht für die Selbstverzwergung der Europäer

Umso überraschender war es, dass der deutsche Außenminister Johann Wadephul am Montag warnte, es würde die Bundeswehr "voraussichtlich überfordern", wenn sie nicht nur wie geplant im Baltikum zur Abschreckung stationiert werden sollte, sondern auch in der Ukraine. Trump beklagt seit Jahren – und zwar zu Recht –, dass die Europäer nicht in der Lage sind, ihre eigene Sicherheit zu organisieren. Und nun wiegelt ein deutscher Außenminister präventiv ab, wenn es darum geht, den größten Landkrieg in Europa seit 1945 mit einer neuen Sicherheitsarchitektur zu beenden? Das ist genau jene Form von Selbstverzwergung, die völlig aus der Zeit gefallen ist.

Dabei müssen die Deutschen und Europäer in den nächsten Wochen selbstbewusst auftreten. Friedrich Merz forderte im Weißen Haus richtigerweise, dass ein Waffenstillstand die Voraussetzung für weitere Verhandlungen sei. Trump möchte, dass Putin und Selenskyj sich demnächst zu zweit treffen, danach soll es einen Dreiergipfel geben. Die Europäer sollten versuchen, das zu verhindern. Ein Treffen ohne Trump und/oder Europäer wäre eine reine Show.

Auf dieses Treffen schaute die Welt – die Bilder des Gipfels

Monica Crowley (l), Protokollchefin des Weißen Hauses, begrüßt den britischen Premierminister Keir Starmer bei seiner Ankunft zu einem Treffen mit US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus © Jacquelyn Martin/AP / DPA
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Die Frage ist, wie weit der Einfluss von Friedrich Merz, Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und Co. reicht. Gelingt es ihnen, dass auch Trump einen Waffenstillstand zur Bedingung für weitere Verhandlungen mit Putin macht? Dass Selenskyj mit Putin nicht alleine gelassen wird? Und schaffen sie es, dass die Europäer bei einem Dreiergipfel in irgendeiner Form mit am Tisch sitzen?

Falls ja, wäre das womöglich der Anfang einer neuen europäischen Stärke, erst diplomatisch und eines Tages womöglich auch militärisch – hin zu einem ernst zu nehmenden internationalen Akteur. 

Falls nicht, wäre es eine brutal ehrliche Beschreibung des Ist-Zustandes: dass die Europäer schwach und machtlos vom Seitenrand zugucken, wenn Trump und Putin über die Zukunft des alten Kontinents entscheiden.

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