Die Revolution braut sich in der Mitte eines Stuhlkreises zusammen, an einem türkisen Plastiktisch, um den sieben Frauen sitzen und über Mann und Kinder sprechen. Alle haben Essen in großen Schalen mitgebracht. Es könnte ein harmloses Kaffeekränzchen sein, Freitagnachmittag in Rodriguez, am äußersten Rand der philippinischen Hauptstadt Manila, wo die Hochhauslandschaft ausfasert in einfache Wellblechhütten. 

Doch die Frauen planen Großes. Sie wollen reinwaschen, was in ihrem Land noch immer als große Sünde gilt – sie wollen sich von ihren Ex-Partnern scheiden lassen. 

AJ, die quirlige Wortführerin, reckt ihre Faust in die Höhe und ruft: "Jede Stimme ist wichtig!" Dann beginnen die Frauen zu erzählen.

Heidi: "Er war ein Womanizer, abhängig, faul, er log ständig." 

Maria: "Meine Kinder wussten nie, welche Last ich zu tragen hatte. Ich achtete immer darauf, dass wir erst stritten, wenn sie in der Schule waren." 

Milagros: "Ich habe meinen Ex zu seiner Mutter zurückgebracht. Er hatte eine andere Frau." 

Stella: "Neun Jahre lang habe ich gelitten." 

Sie alle hier haben ein Leben geführt, das sie nie wollten. Mit einem Namen, der ihnen am Altar aufgestempelt wurde, den sie jetzt verschmähen, der aber nicht weggeht und an dunkle Zeiten erinnert wie ein ungeliebtes Jugendtattoo. Noch immer müssen sie mit ihm unterschreiben, wenn sie einen neuen Pass beantragen oder ein Haus kaufen wollen. 

Doch manchmal beginnt die Emanzipation auch im Kleinen: Wenn die Frauen der Divorce Pilipinas Coalition sich vorstellen, dann tun sie das mit ihrem Mädchennamen. 

Revolution im Stuhlkreis: Treffen der Divorce Pilipinas Coalition am Rand von Manila © Iya Forbes / stern

In kaum einer anderen Gesellschaft diktiert der katholische Glaube das Leben noch so sehr wie in den Philippinen. Manchmal wirkt es, als seien die Uhren in der spanischen Kolonialzeit stehen geblieben. An Karfreitag lassen jesustreue Männer sich ans Kreuz nageln. Zum Fest des Schwarzen Nazareners pilgern Millionen Gläubige barfuß einer dunklen Christusstatue hinterher. Von einer Hochhausfassade in Downtown Manila verheißt, weithin sichtbar in die Ferne, ein Zitat aus dem Lukas-Evangelium: "Denn für Gott ist nichts unmöglich." 

Nur Scheidungen sind für Gott unmöglich, hier und sonst nur im Vatikan. Auf dem Inselarchipel scheidet tatsächlich allein der Tod. Und zuvor treibt das Leben in einer stockkonservativen Gesellschaft viele junge Menschen in Zwangsehen, die zerschellen an einem Gemisch aus Machismo, Alkohol und Gewalt. 

Dass ein Bund für die Ewigkeit auch brechen kann, ist lange ein Tabuthema gewesen in den Philippinen. Zuhause flogen die Fetzen, auf der Straße lächelte man, die Nachbarn stellten keine Fragen. Doch langsam gerät die heilige Ehe auch öffentlich ins Wanken. Vor allem Frauen begehren auf. Schon im kommenden Jahr könnte ein neues Gesetz Scheidungen legalisieren. Es wäre ein Wandel reformatorischen Ausmaßes – wenn es denn dazu kommt.

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