War's das mit der Staatsräson? Reaktionen auf Deutschlands Israel-Sanktionen
Die Kritik aus Deutschland an Israels Vorgehen im Gazastreifen war zuletzt lauter geworden. Auch der Bundeskanzler richtete mahnende Worte an Premier Benjamin Netanjahu und dessen Regierung. Doch erst mit der geplanten Übernahme von Gaza-Stadt zieht die Berlin ernste Konsequenzen. Israel soll vorerst keine Waffen mehr erhalten, die es im Gazastreifen einsetzen könnte. Gleichzeitig stellt Kanzler Friedrich Merz klar, dass Israel das Recht habe, sich gegen die Hamas zu verteidigen und alle Geiseln schnellstmöglich freigelassen werden müssten.
Die SPD applaudiert dem Kanzler und dessen Entscheidung und fordert – zusammen mit den Grünen – sogar noch mehr: Deutschland solle Sanktionen gegen bestimmte Minister der israelischen Regierung unterstützen. Dabei geht es um rechtsextreme Kabinettsmitglieder, die zu Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland aufrufen und auch jüdische Siedlungen im Gazastreifen errichten wollen.

Krieg in Gaza Merz-Regierung stoppt Waffenlieferungen an Israel teilweise
Grünen-Chefin Franziska Brantner bezeichnet die vom israelischen Sicherheitskabinett beschlossene Ausweitung des Gaza-Kriegs als Katastrophe – für die Zivilbevölkerung in Gaza und auch für die immer noch von der Terrororganisation Hamas festgehaltenen Geiseln. "Es braucht jetzt ernsthaften Druck für ein Ende des Kriegs und der humanitären Katastrophe, die Freilassung der Geiseln sowie eine politische Perspektive. Deutschland darf nicht länger konsequentes europäisches Handeln in diesem Sinne verhindern, sondern muss sich an die Spitze stellen."
Die Linke begrüßt die Entscheidung der Merz-Regierung ebenfalls, fordert aber weitere Schritte, darunter die Anerkennung eines Palästinenserstaates.

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CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagt der "Rheinischen Post", die "Reaktion ist richtig und durch die jüngsten Entscheidungen der israelischen Regierung leider unausweichlich geworden". Es sei nicht mehr eindeutig nachvollziehbar, welche Kriegsziele Israel mit der erneuten Ausweitung der Offensive verfolge. "Als Besatzungsmacht trägt Israel die Verantwortung für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung. Dieser Verantwortung kommt die israelische Regierung weiterhin nicht ausreichend nach."
Jüdische Vertreter wegen Israel-Sanktionen verärgert
Andere finden, dass die Bundesregierung mit ihrer Entscheidung über das Ziel hinausschießt. So kritisiert die Junge Union auf Instagram: "Staatsräson abgehakt? Ein Bruch mit den Grundsätzen der Unionspolitik." Der Vorsitzende des Nachwuchsverbandes und CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Winkel schreibt auf der Plattform X: "Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen."
Der Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger (CSU) merkt in einem Beitrag auf der Plattform X an, dass "Israels Sicherheit gegenüber seinen zahlreichen gefährlichen Feinden" durch den Exportstopp nicht verbessert werde. Seine Partei war Medienberichten zufolge weder bei der Entscheidung eingebunden, noch darüber informiert und wurde entsprechend überrascht.

Mobilisierung für Großoffensive Was will Israel tatsächlich in Gaza?
Enttäuscht ist auch der Zentralrat der Juden. "Dieser Kurswechsel läuft allen Solidaritätsbekundungen und Versprechen zuwider, die der Bundeskanzler seit seinem Amtsantritt vertreten hat", sagt Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin. Der Verband wirft dem Kanzler vor, Israel die Möglichkeit auf Selbstverteidigung zu nehmen und fordert, den teilweisen Stopp der Waffenlieferungen sofort zurückzunehmen. Israel werde täglich von Feinden angegriffen und mit Raketen beschossen. Deutschland müsse den Druck auf die Terrororganisation Hamas erhöhen.
Ähnlich kritisch äußert sich die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG). Sie spricht von einem "Punktsieg der Hamas im globalen Propagandakrieg" und warnt "vor deutscher Hochnäsigkeit": Denn "wenn Israel sich bei Rüstungslieferungen nach Deutschland revanchieren sollte, sieht es um die Zukunft deutscher Luftsicherheit schlecht bestellt aus."
Die DIG spielt damit offenbar auf die Bestellung des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow 3 an. Israel und Deutschland hatten dazu im September 2023 einen Vertrag geschlossen. Das System zur Abwehr von Langstreckenraketen sollte ursprünglich bis Ende 2025 in Deutschland beschränkt einsatzfähig sein. Die Bundesregierung bezifferte den Wert des Rüstungsgeschäfts auf 3,6 Milliarden Euro.
Dutzende Geiseln sind noch im Gazastreifen
Die DIG räumt ein, auch sie wisse nicht, "was jetzt im Gazastreifen das richtige Vorgehen ist". Dies sei auch in Israel "politisch wie militärisch umstritten". Sie begrüßt aber, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu klargestellt habe, dass eine von rechtsextremen Kabinettsmitgliedern geforderte "Annexion des Gazastreifens nicht angestrebt wird". Dies sollte die Bundesregierung aus Sicht der DIG berücksichtigen.
Fakt sei, dass die radikalislamische Hamas immer noch 50 Geiseln in ihrer Gewalt habe, betont die DIG. Sie kontrolliere "immer noch, was im Gazastreifen geschieht oder nicht. Sie stiehlt den Menschen immer noch Teile der humanitären Hilfe. Sie drangsaliert ihre Gegner. Sie ist militärisch immer noch handlungsfähig."
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