Seit drei Monaten gibt es wieder Grenzkontrollen. Was hat es gebracht?
"Law and Order" wollte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) mit verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen schaffen. Zu Beginn seiner Amtszeit im Mai ordnete er diese bis auf Weiteres an und rief eine Wende in der deutschen Migrationspolitik aus. Polen reagierte in der Folge mit eigenen Grenzkontrollen – und Kritiker warnten vor einer Überlastung der Bundespolizei. Das ist drei Monate her. Wie ist die Lage heute?
Gibt es seit Wiedereinführung der Grenzkontrollen tatsächlich mehr Zurückweisungen?
Bei reiner Betrachtung der Zahlen nicht. Der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Zahlen des Bundesinnenministeriums zufolge wurden zwischen 8. Mai und 31. Juli insgesamt 9254 Menschen an den Grenzen zurückgewiesen – das sind pro Woche rund 770. Die Bundespolizei veröffentlichte zuletzt die Zahl von 9506 – diese beinhaltet neben Zurückweisungen auch wenige sogenannte Zurückschiebungen. Dies ist dann der Fall, wenn Geflüchtete bereits deutschen Boden betreten haben und das Land wieder verlassen müssen.
Mit 770 pro Woche bewegt sich die Zahl der Zurückweisungen etwa auf dem Niveau der ersten vier Monate 2025 sowie des vierten Quartals 2024. Dobrindt verweist aber regelmäßig auf die langfristige Wirkung von Grenzkontrollen. Diese führten dazu, dass sich insgesamt weniger Geflüchtete auf den Weg nach Deutschland machten, argumentiert der CSU-Minister.

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Wo gab es die meisten Zurückweisungen?
An der Grenze zu Frankreich, wo zwischen 8. Mai und 31. Juli insgesamt 2038 Zurückweisungen registriert wurden. Jeweils vierstellige Zahlen von Zurückweisungen gab es zudem an den Grenzen zu Polen (1816), zur Schweiz (1760) und zu Österreich (1623). Danach folgen die Niederlande (706), Tschechien (576), Luxemburg (208), Belgien (413) und Dänemark (114). Im Mai und Juni kamen die meisten Zurückgewiesenen aus Afghanistan, danach folgten Algerien, Eritrea und Somalia. Für den Juli lag noch keine Aufschlüsselung nach Herkunftsländern vor.
Die Gewerkschaft der Polizei warnte vor einer Überlastung der Bundespolizei. Wie sieht sie das jetzt?
"Weiterhin ist die Belastung der Bundespolizei durch die verstärkten Binnengrenzkontrollen sehr hoch", sagte der für die Bundespolizei zuständige GdP-Vorsitzende Andreas Roßkopf AFP. Dienststellen hätten immer noch teils ihre Dienstpläne umgestellt und verzichteten "in großem Umfang auf die Aus- und Fortbildung", fügte Roßkopf hinzu. "Auch werden Dienstbefreiungen zum Abbau von Überstunden nur restriktiv gegeben."
Laut Bundesinnenministerium wurde die Zahl der täglich an den Grenzen eingesetzten Kräfte mit Beginn der verschärften Kontrollen von zuvor 11.000 auf 14.000 erhöht. Das ist knapp ein Drittel des gesamten Personals der Bundespolizei. Die Bundesregierung betonte stets, dass die Maßnahme nicht auf Dauer aufrechtzuerhalten ist.
Fehlt jetzt das Personal an Flughäfen und Bahnhöfen?
Kritiker haben das befürchtet. Wegen der Sommer-Reisewelle herrscht dort Hochbetrieb – mit viel Arbeit für die Polizei. Das Innenministerium hält die Kräftezahl an Flughäfen und Bahnhöfen "aus einsatztaktischen Gründen" geheim. Laut GdP ist die Besetzung im Vergleich zum vergangenen Jahr "fast identisch". "Aber natürlich fehlen hier die Unterstützungskräfte aus der Bereitschaftspolizei und den mobilen Einheiten", sagte Roßkopf.
"Gerade mit Blick auf die nun beginnenden Fußball-Ligen, mit dem hohen An- und Abreiseverkehr der Fußballfans im Bahnbereich, werden hier genau diese Unterstützungskräfte dringend gebraucht", warnte der Gewerkschaftler. Seit einigen Jahren fehlten alleine an den mehr als 5700 Bahnhöfen und Haltepunkten gut 4000 Kräfte.
Ein Landkreis an der Grenze erzählt: Wie mit den vielen Zuwanderern umgehen?

"Mein Mann, unsere drei Kinder und ich teilen uns seit 17 Monaten ein Zimmer in dieser Unterkunft. In unserem Haus leben acht Familien, nebenan wohnen Männer, jeweils zur dritt in einem Zimmer. Alle zeigen großen Respekt voreinander. Unser Problem ist, dass unser Jüngster im Juni mit einem schweren Herzfehler zur Welt kam. Bahoz wurde in der Uniklinik in Freiburg neun Stunden lang operiert und hat es gut überstanden. Wir sind Ärzten und Krankenschwestern sehr dankbar, dass unser Sohn die gleiche Fürsorge wie ein deutsches Baby bekommt. Er muss nun regelmäßig kontrolliert werden. Der Arzt sagt, es sei nicht gesund für ihn, dass wir alle in einem Zimmer schlafen. Er hat häufig Infektionen. Wir sind Kurden aus der Türkei, deshalb mussten wir flüchten. Wir haben uns für Deutschland entschieden, weil Deutschland den Menschenrechten Bedeutung beimisst. Doch weil wir über Kroatien einreisten, sind wir im Dublin-Verfahren und sollen zurück nach Kroatien. Wir fürchten, dass man uns jederzeit abschieben könnte. Wenn mein ältester Sohn einen Polizisten sieht, sagt er: Mama, ich habe Angst! Er ist neun Jahre alt, besucht die dritte Klasse und spricht schon gut deutsch. Mein mittlerer Sohn liebt seine Erzieherinnen im Kindergarten. Ich würde gern als Altenpflegerin in Deutschland arbeiten. Mein Mann ist Elektriker und Lkw-Fahrer. Er könnte schon jetzt einen Job bekommen, aber wegen unserer unsicheren Situation geht das nicht. Meiner Meinung nach sollte jeder Zuwanderer nach einer Prüfung hier arbeiten dürfen. Menschen, die Verbrechen begehen, sollten zurückgeschickt werden. Wir hoffen, dass wir unser Asylverfahren in Deutschland durchlaufen dürfen, aber in den nächsten Monaten können wir noch abgeschoben werden. Wir hoffen und warten." © Jeannette Petri
Roßkopfs Prognose zufolge sind in der Folge Besetzungslücken möglich. "Bei der steigenden Kriminalität an den Bahnhöfen und der zunehmenden Gewaltbereitschaft bei den reisenden Fußballfans ist dies aus unserer Sicht durchaus bedenklich", sagte Roßkopf. Das Innenministerium gibt dagegen Entwarnung: "Es ist sichergestellt, dass die Bundespolizei ihre gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfüllt."
Wie wirken sich die Grenzkontrollen auf die Überstunden aus?
Das ist pauschal schwer zu sagen. Bis 30. Juni hat die Bundespolizei laut Ministerium 2,9 Millionen Überstunden angehäuft. Diese Zahl dürfte durch die Mehrbelastung an den Grenzen gestiegen sein. Den Großteil der Überstunden schieben die Beamtinnen und Beamten aber schon seit Jahren vor sich her: Zum 31. März 2025 hatte die Zahl bereits bei 2,4 Millionen gelegen. Eine Aufschlüsselung nach Anlass der Überstunden - auch der seit 8. Mai angefallenen - findet nicht statt.
AFP yks / Alexander Holecek- Grenzkontrolle
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